Das überarbeitete TKG bringt zahlreiche Änderungen mit sich. Unter anderem wird der Anwendungsbereich erheblich erweitert. Neben den weiterhin erfassten Betreibern von Telekommunikationsnetzen und -anlagen wird der zunächst eher allgemein klingende Begriff "Telekommunikationsdienst" in Zukunft weitreichender verstanden. Bezog er sich bislang insbesondere auf die Signalübertragung, unterfallen ab Dezember 2021 ausdrücklich auch Internetzugangsdienste ("Access Provider") und interpersonelle Kommunikationsdienste dem Anwendungsbereich des Gesetzes.
Zu den interpersonellen Kommunikationsdiensten zählen beispielsweise Instant Messenger und Web-Mail-Dienste. Solche "Over-the-Top Dienste" ("OTT-Dienste") werden im Gegensatz zu klassischen Telekommunikationsdiensten über das offene Internet erbracht und fallen bald - ungeachtet der anderslautenden Rechtsprechung des EuGH zur bisherigen Rechtslage - auch unter das TKG. Die alte Fassung des TKG betraf lediglich bestimmte OTT-Dienste. Auch Maschine-zu-Maschine-Kommunikation (z.B. in Anwendungsfällen des Internet of Things) wird nur in begrenztem Umfang durch das neue TKG geregelt.
Das Begriffsverständnis des Telekommunikationsdienstes ist damit in Zukunft eher funktional statt technisch geprägt, da es aus Sicht des Benutzers keinen Unterschied macht, ob der Internetanbieter selbst die Signalübertragung vornimmt oder ob dies über einen Internetzugangsdienst vorgenommen wird. Insofern werden insbesondere Anbieter von Software, die (auch) der Kommunikation zwischen Personen dient, prüfen müssen, ob sie dem TKG und dessen Pflichten unterfallen.
TKG-Änderungen: Arbeitgeber als TK-Anbieter?
Die Neuregelungen des TKG haben zudem zur Folge, dass auch eine bereits unter dem alten TKG nicht abschließend geklärte Frage weiter an Relevanz gewinnt: sind Arbeitgeber Telekommunikationsanbieter im Sinne des TKG? Diese Frage stellte sich insbesondere im Rahmen der privaten Nutzung von betrieblichen Telefon- und Internetanschlüssen. Aber auch das neue TKG dürfte diese Rechtsunsicherheiten nur bedingt beseitigen.
Gegen die Einordnung von Arbeitgebern als Telekommunikationsanbieter im Sinne des neuen TKG spricht, dass nach § 3 Nr. 61 TKG grundsätzlich nur entgeltliche Internetzugangsdienste vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst sind. Allerdings ist schon dem Gesetzeswortlaut nach eine Entgeltlichkeit kein zwingendes Merkmal für die Einordnung als Telekommunikationsanbieter. Auch unentgeltliche Angebote können daher vom TKG betroffen sein. Die Reform schafft insofern keine Klarheit, weshalb weiterhin Vorsicht geboten ist und die Entwicklungen in Literatur und Rechtsprechung sowie die Stellungnahmen der Bundesnetzagentur (BNetzA) beobachtet werden sollten. Mit Blick auf das Fernmeldegeheimnis und datenschutzrechtliche Regelungen ist es aber weiterhin ratsam, die Privatnutzung des Internets über betriebliche Anschlüsse zu untersagen. Alternativ haben Arbeitgeber die Möglichkeit, interne Richtlinien aufzustellen und gleichzeitig eine Einwilligung zum Zwecke der Aufhebung der Beschränkungen des Fernmeldegeheimnisses einzuholen.
Unternehmen und Arbeitgeber, die sich eines unternehmensinternen Intranets bedienen, dürften jedoch nicht oder nur beschränkt als Telekommunikationsanbieter einzuordnen sein - schließlich handelt es sich bei einem Intranet um ein internes, geschlossenes Netzwerk, auf das nur bestimmte bzw. bestimmbare Personengruppen Zugriff haben. Es fehlt somit an externer Kommunikation und damit dem "offenen" Zugang zum Internet.
TKG 2021: Wer muss welche Pflichten erfüllen?
Für den Umfang der zu beachtenden Anforderungen aus dem TKG ist die Unterscheidung zwischen öffentlich zugänglichen und geschlossenen Diensten jedoch entscheidend. Letztere müssen erheblich weniger Pflichten aus dem TKG erfüllen.
Anbieter öffentlich zugänglicher Telekommunikationsdienste müssen sich beispielsweise
bei der BNetzA melden,
besondere Sicherheitsvorkehrungen treffen,
ein Sicherheitskonzept erstellen,
einen Sicherheitsbeauftragten benennen und
spezielle Verbraucherschutzvorschriften einhalten.
Anbieter von nicht-öffentlichen Telekommunikationsdiensten sind hingegen
von der Meldepflicht befreit und
müssen nur einige wenige, grundlegende Pflichten (z.B. Fernmeldegeheimnis, Datenschutz) beachten.
Zu beachtende datenschutzrechtliche Anforderungen im Zusammenhang mit Telekommunikationsdiensten wurden jedoch fast vollständig in das Telekommunikations-Telemedien-Datenschutz-Gesetz (TTDSG) ausgelagert. Im TKG finden sich nur noch eng umgrenzte Vorgaben und Anwendungsfälle, beispielswiese für die Durchführung von staatlichen Überwachungsmaßnahmen.
Telekommunikationsgesetz: Stärkung der Verbraucherrechte
Unternehmen, die öffentlich zugängliche Telekommunikationsdienste anbieten, werden sich unter anderem mit den umfangreicheren Verbraucherschutzvorschriften des neuen TKG auseinandersetzen müssen (§§ 51 ff. TKG-neu). Dies gilt insbesondere auch für Unternehmen, die bisher nicht unter das TKG fielen. Die Vorschriften umfassen dabei sowohl Verhaltens- als auch Informationspflichten sowie Rechte der Verbraucher. Sie entsprechen dabei aber zu einem gewissen Teil auch den bisher schon durch das alte TKG bzw. die Rechtsprechung und die BNetzA bekannten Anforderungen. Unternehmen, die bereits das TKG beachten und umsetzen müssen, sollten dennoch ihre bestehenden Prozesse überprüfen, um den regulatorischen Vorgaben auch weiterhin vollumfänglich nachzukommen.
Nachfolgend einige Beispiele die sich aus der Telekommunikationsgesetz Änderung 2021 ergeben:
Ab Dezember 2021 steht Verbrauchern gegenüber Dienstanbietern ein ausdrückliches Minderungs- und Kündigungsrecht bei zu geringer Bandbreite im Vergleich zu den im Vertrag gemachten Angaben zu. Aufgrund einer gesetzlich vorgesehenen Beweislastumkehr obliegt es dabei dem Anbieter, den Nachweis einer ordnungsgemäßen Leistung zu führen.
Werden Störungen des Telefon- und Internetanschlusses nicht innerhalb von zwei Tagen vom Anbieter behoben, steht Kunden eine pauschale Entschädigung zu.
Neben den bisher schon umfassenden Informationspflichten sieht die TKG-Novelle nun vor, dass Kunden jährlich und schriftlich über den optimalen Tarif für Ihr Nutzungsverhalten zu informieren sind.
Nicht zuletzt müssen Unternehmen gegebenenfalls ihre internen Prozesse für Kündigungen und Vertragsverlängerungen anpassen: das neue TKG beschränkt die Dauer von Vertragslaufzeiten sowie automatischen Vertragsverlängerungen und erlaubt Verbrauchern innerhalb einer Monatsfrist die jederzeitige Kündigung von Verträgen nach erfolgter Verlängerung. Auch die Vertriebsstruktur und die Verwaltung von Bestandskunden sind somit von den Änderungen betroffen.
TKG-Novelle 2021: Förderung des Glasfaserausbaus
Daneben bringt die TKG-Novelle auch diverse Neuerungen für Netzbetreiber und andere Infrastrukturunternehmen sowie die Wohnungswirtschaft mit sich, die den Wettbewerb zwischen den Unternehmen fördern und so den Glasfaserausbau vorantreiben sollen. So sind nun deutlich umfangreichere Mitverlegungs- und Mitnutzungsrechte bei dem Ausbau und dem Betrieb von Netzinfrastruktur (z.B. bei Tiefbau, Kabelschächten, Hausnetzen, etc.) vorgesehen.
Lesetipp: Schnelles Internet bleibt Mangelware
Auch für Mieter, Vermieter und Festnetzbetreiber ergeben sich Änderungen. Neu ist die ausdrückliche Umlagefähigkeit eines Glasfaseranschlusses auf die Mietnebenkosten bei gleichzeitigem Auslaufen der Umlagefähigkeit für "ältere" Technik wie Kabelanschlüsse. Vermieter können das sog. Glasfaserbereitstellungsentgelt für den ersten Anschluss an das Glasfasernetz künftig in Höhe von maximal 540 Euro je Wohneinheit auf höchstens neun Jahre umlegen. Mieter steht es gleichwohl frei, ihren Anbieter selbst auszusuchen. Dass der BGH kürzlich noch die Umlagefähigkeit von Kabelanschlussgebühren (das sog. "Nebenkostenprivileg") bestätigt hat, ist daher rechtlich nur noch von geringer Bedeutung.
TKG-Vorgaben umsetzen: Empfindliche Bußgelder vermeiden
Angesichts der umfangreichen Sanktionsmöglichkeiten der BNetzA sollten Unternehmen die Regelungen des neuen TKG eingehend prüfen und zeitnah umsetzen. So kann die BNetzA bei Verstößen gegen das TKG oder ihre Anordnungen unter anderem die dadurch entstehenden wirtschaftlichen Vorteile abschöpfen und Bußgelder verhängen. Die Bußgeldvorschriften orientieren sich dabei wie auch schon im alten TKG am Umsatz des Unternehmens bzw. der Unternehmensgruppe - die DSGVO hatte 2018 ähnliche Mechanismen im Datenschutz eingeführt. Dies erlaubt potenziell sehr hohe und den Geschäftsbetrieb bedrohende Bußgelder.
Unternehmen, die bereits dem TKG unterfallen, sollten daher ihre bestehenden Verträge, AGB und Informationsunterlagen an die Anforderungen des neuen TKG anpassen. Insbesondere die erweiterten Informationspflichten und Verbraucherrechte (z.B. zur Kündigung) dürften dabei im Mittelpunkt stehen und in den meisten Fällen eine Aktualisierung der Dokumente erforderlich machen.
Noch viel mehr sollten aber Unternehmen, die bisher nicht vom TKG erfasst waren, nach der Reform jedoch gegebenenfalls in dessen erweiterten Anwendungsbereich fallen (z.B. OTT-Dienste, M2M-Kommunikation, IoT), die Anwendung des TKG (sowie des damit verbundenen TTDSG) prüfen, um die komplexe Regulierung ordnungsgemäß und im korrekten Umfang umsetzen zu können. (bw)