Vorsicht Kamera!

Abmahnfalle Video-Türklingel

01.04.2022
Von   
Tillmann Braun ist freier Journalist und Kommunikationsberater für non-profit Organisationen und Unternehmen. Sein Fachgebiet sind innovative IT-Lösungen für die Vernetzung von Menschen und Maschinen. Zu seinen Spezialthemen gehören intelligente (Heim-)Netzwerke, Machine-to-Machine-Kommunikation, Mobile Payment, IT-Strategien und vielfältig einsetzbare Kommunikationssysteme.
Türklingeln mit Video-Bild sind sehr beliebt. Doch wer die Vorschriften missachtet, muss mit einer Abmahnung wegen Videoüberwachung rechnen.
Sprechanlagen mit Kamera sind praktisch, aber nicht ganz unproblematisch.
Sprechanlagen mit Kamera sind praktisch, aber nicht ganz unproblematisch.
Foto: Telegärtner

Die Vorteile einer vernetzten Türsprechstelle sind vielfältig. Klingelt es an der Tür, wird das Türgespräch statt zu einer Gegensprechanlage, zu einem Telefon oder Smartphone weitergeleitet. So kann man über das eigene Handy oder auch Festnetztelefon umgehend reagieren, selbst wenn man gerade verhindert oder unterwegs ist. Problematisch wird es, wenn die Türsprechstelle auch Videos liefert und diese sogar speichert, wie es einige Hersteller anbieten. Diese Videos aufzunehmen und zu speichern, ist in vielen Fällen illegal und kann kostspielige Abmahnungen zur Folge haben.

Rechtliche Rahmen für Video-Aufnahmen

Geräte mit integrierter Kamera bieten den Vorteil, dass man die Person vor der Tür nicht nur hört, sondern auch sieht. Das kann allerdings schnell problematisch werden, wenn die Persönlichkeitsrechte von Dritten verletzt werden. Die Kamera darf ausschließlich das eigene Privatgrundstück filmen und keine öffentlichen Gehwege oder Nachbargrundstücke miterfassen. Zudem muss der Besucher mit einem Hinweisschild noch vor dem Betreten der überwachten Fläche über die Video-Aufnahme informiert werden. Bei Mehrfamilienhäusern oder in gemeinsam mit anderen Parteien genutzten Bereichen ist eine Zustimmung der Betroffenen notwendig.

Besonders kompliziert wird es, wenn die Video-Aufnahmen z.B. bei Bewegung automatisch lokal oder in einer Cloud gespeichert werden. Hierbei verstößt der Besitzer der Kamera nicht nur gegen den Datenschutz, sondern auch gegen die Persönlichkeitsrechte. Wird eine Türsprechstelle mit Video und Speicherfunktion von einem Anwalt abgemahnt und man hat nicht das explizite Einverständnis aller Nachbarn und Bewohner, kann das schnell teuer werden. Und wer die Abmahngebühr nicht zahlen möchte und es auf einen Rechtsstreit ankommen lässt, wird vor Gericht wenig Aussichten auf Erfolg haben und muss am Ende in der Regel auch noch die Verfahrenskosten stemmen.

Problematische Produkte

Bei den populären Türklingeln wie Ring von Amazon und der Doorbell von Google Nest sind die Kameras nicht nur oft schon im Gerät integriert, sondern die Aufnahmen werden auch noch gespeichert. Jedenfalls dann, wenn man ein entsprechendes monatliches Abo abschließt. Google speichert entsprechendes Video-Material für zwei Monate, bevor es gelöscht wird, und Amazon Ring bis zu einem Monat. Was in den USA und anderen Ländern erlaubt ist, führt in Deutschland jedoch zu Problemen. Hiesige Rechtsexperten warnen vor der willkürlichen Speicherung von Videoaufnahmen, da viele Aspekte berücksichtigt werden müssen.

Gemäß dem Bundesdatenschutzgesetz sind die Daten der Videoüberwachung beispielsweise unverzüglich zu löschen, wenn sie zur Erreichung des Zwecks nicht mehr erforderlich sind oder schutzwürdige Interessen der Betroffenen einer weiteren Speicherung entgegenstehen. "Das ist der Fall, wenn eine Gefahr nicht weiter abgewendet werden muss oder eine Beweissicherung nicht notwendig ist", heißt es in der Orientierungshilfe "Videoüberwachung durch nicht-öffentliche Stellen" vom Landesbeauftragten für den Datenschutz und Informationsfreiheit Baden-Württemberg. "Ob eine Sicherung des Materials notwendig ist, dürfte grundsätzlich innerhalb von ein bis zwei Tagen geklärt werden können. Das bedeutet, dass Videoaufzeichnungen grundsätzlich nach 48 Stunden zu löschen sind."

Kaum ein Privatanwender dürfte sich diese Mühe machen. Viele Nutzer entsprechender Türsprechstellen sind sich nicht einmal bewusst, dass die Lösungen und Dienste gegen deutsches Recht verstoßen. Bei den US-Unternehmen Google und Amazon überlässt man es stillschweigend den Kunden, sich zu informieren. Am Ende ist letztlich derjenige verantwortlich, der die Dienste aktiviert und nutzt, ohne im Zweifelsfall alle Gesetze und Vorschriften zu kennen.

Vernetzung ohne Video

Lediglich das Türgespräch aufs Telefon oder Handy weiterzuleiten, ist eine sehr praktische Funktion und hilft im Zweifelsfall, Ärger zu vermeiden. Doch nur wenige Anbieter wie beispielsweise Indexa, Avidsen oder der deutsche Hersteller Telegärtner-Elektronik offerieren eine vernetzte Türsprechstelle ohne fest verbaute Kamera.

Diese vernetzten Türsprechstellen lassen sich direkt mit einer FRITZ!Box oder einem Speedport per Kabel oder Funk (DECT) verbinden und die Türgespräche auf jedes Haustelefon oder Handy weiterleiten. Bestehende Türsprechstellen von Gira oder Siedle lassen sich je nach Anlage mit einem Gateway für die TK-Anlage erweitern. Und wer partout nicht auf ein Video-Bild verzichten möchte, hat die Möglichkeit, eine externe Kamera wie z.B. eine WLAN-Kamera zu installieren, die sich im Gegensatz zu integrierten Weitwinkel-Kameras ganz exakt auf den - sofern vorhanden - privaten Eingangsbereich fokussieren lässt.

Automatisch speichern sollte man die Videos aber auch in diesem Fall nicht. Im Unterschied zu den genannten Produkten von Amazon und Google ist eine korrekt eingesetzte, externe Video-Kamera als Zusatz zu einer Türsprechstelle dann keine Einladung für Abmahn-Anwälte. (mb)