Jeder Tech-Profi, der ein paar Jahre auf dem Buckel hat, kennt sie: Beleidigende, manipulative oder einfach planlose Chefs. Diese findet man in jeder Branche und auf jeder Führungsebene. Die besonderen Erfordernisse, die die Rolle des IT-Managers mitbringt, machen die IT-Chefs besonders anfällig für schlechte Angewohnheiten.
Manager mit Business Skills und Führungserfahrung sind eventuell nicht vertraut mit den technischen Einzelheiten, die ihre Teams alltäglich bewältigen - was ihnen den Blick darauf versperrt, welche Skills eigentlich wichtig sind, um die tägliche Arbeit stemmen zu können. Das andere Extrem sind technologieaffine Chefs mit ausgeprägtem Soft-Skill-Mangel, deren Beförderung die kommunikativen Gräben nur noch weiter vertieft.
Nach Ansicht von Jim Finkelstein, CEO der Unternehmensberatung FutureSense, ist das oft ein hausgemachtes Problem der Branche: "Wir bilden die Menschen einfach nicht zu guten Chefs aus. Wir reden zwar darüber, aber mehr als Lippenbekenntnisse sind das nicht. Das höchste der Gefühle ist eine Schulung, um diejenigen, die negativ auffallen, wieder auf den rechten Weg zu bringen."
Still leiden müssen Sie als Mitarbeiter dennoch nicht: Es gibt verschiedene Wege und Maßnahmen, um schlechten Chefs den Wind aus den Segeln zu nehmen - wie unser Gespräch mit verschiedenen Tech- und HR-Experten zeigt.
1. Fordernd oder einfach schlecht?
Wenn Mitarbeiter sich wegen eines schlechten Chefs hilfesuchend an Kollegen wenden, hörten sie allzu oft, der Vorgesetzte wäre einfach nur sehr fordernd, berichtet Elaine Varelas, Managing Partner bei Keystone. "Das ist nicht immer richtig. Auch ein hohes Stresslevel ist keine Entschuldigung für toxisches Verhalten. Fordernde Führungskräfte können hervorragende Chefs sein, sie haben eine hohe Erwartungshaltung und sorgen dafür, dass ihre Mitarbeiter erfolgreich sein können."
Der Unterschied zwischen einem Chef, der maximalen Einsatz fordert und einem, der unangenehm auffällt, liegt nach Beobachtung von Varelas in erster Linie in Soft Skills und emotionaler Intelligenz: "Fühlen sich die Mitarbeiter nach einer Interaktion mit dem Chef zurückgesetzt, gedemütigt oder in Angst versetzt, ist das ein ernstzunehmendes Warnzeichen. Für schlechte Chefs ist demotivierendes Verhalten die Norm, gute Chefs erkennen ihre Fehler und entschuldigen sich."
2. Meditation hilft
Geht es nicht um einen schwierigen, sondern einen bösartigen Chef, hilft nach Ansicht von Nadine Kano, Managing Partner bei der Arioso Group, nur die Rückbesinnung auf buddhistische Werte: "Egal, um welche Branche und welche Rolle es im Einzelnen geht - der einzige Weg mit solchen Chefs umzugehen ist die Ruhe zu bewahren. Versuchen Sie es mit der Stein-Technik: Seien Sie langweilig und ungerührt wie der Stein und so respektvoll Ihrem Chef gegenüber, wie Sie auch jedem anderen Kollegen begegnen."
Vor allem sollten Sie sich davor hüten, bösartigen Chefs Skepsis oder Ungeduld spüren zu lassen. so die Managerin. Wer anderen gerne Knüppel zwischen die Füße wirft, habe im Regelfall ein geringes Selbstvertrauen und werde jede Form von Negativität als Bedrohung wahrnehmen.
Als Gegenmittel empfiehlt Kano gutes, aber auch ehrliches Feedback zurückzuspielen - und zwar in einem freundlichen, neutralen Ton. "Wenn Ihre Kollegen über Ihren Chef herziehen, sollten Sie höchstens lächeln und nicken, sich aber nicht daran beteiligen. So etwas kann Sie ganz schnell und möglicherweise unerwartet einholen. Updaten Sie stattdessen lieber Ihren Lebenslauf, aktivieren Sie Ihr Netzwerk und sehen Sie zu, dass Sie eine neue Stelle finden."
3. Ruhig bleiben
Nach Erfahrung von Michael Timmes, seines Zeichens HR-Berater bei Insperity, stehen negative Verhaltensweisen von Vorgesetzten und Managern oft in keinerlei Zusammenhang mit dem Arbeitsleben.
Er empfiehlt deshalb eine durchdachte Herangehensweise mit Augenmaß: "Wenn Sie es mit einem schwierigen Chef zu tun haben, sollten Sie Ihre Reaktion unbedingt vorher überdenken. Bleiben Sie in jedem Fall ruhig und professionell und versuchen Sie, mögliche Motivationslagen zu erkennen und zu verstehen. Nehmen Sie sich im Zweifel ein paar Minuten Auszeit, um konkrete Situationen verdauen zu können. Suchen Sie nach Möglichkeiten, die Transparenz und das Trust-Level am Arbeitsplatz zu erhöhen. Die Herausforderung, die der Umgang mit einem schlechten Chef aufwirft, können Sie zur Entwicklung von Führungs- und Konfliktlösungskompetenzen nutzen, die sich in der Zukunft bezahlt machen können."
4. Offene Kommunikation
Remote Work hat die gewöhnlichen kommunikativen Missverständnisse, die im Arbeitsumfeld entstehen können, noch verstärkt. Deshalb empfiehlt Timmes auch, sich am Kommunikationsverhalten des Chefs zu orientieren.
Formale Richtlinien für die Remote-Kommunikation sind in seinen Augen ebenfalls sinnvoll: "Digitale Kommunikation kann leicht untergehen, wodurch Engpässe und letztendlich Produktivitätsminderungen entstehen können. Genausowenig sollten Sie jedoch versuchen, zwischen den Zeilen in E-Mails zu lesen oder Körpersprache im Videocall zu analysieren. Viele Probleme, die durch verteiltes Arbeiten entstehen, lassen sich durch eine klare, konsistente und regelmäßige Kommunikation mit Kollegen und Vorgesetzten verhindern."
5. Transparenz und Bestimmtheit
Max Wessel, Chief Learning Officer bei SAP, empfiehlt als Gegenmaßnahme gegen schlechte Chefs ein transparentes, aber bestimmtes Auftreten: "Besonders Manager ohne technisches Knowhow können schwierig werden, wenn sie beunruhigt sind. Sie sollten deshalb so früh und so oft wie möglich den Status Ihrer Projekte kommunizieren."
Nach Ansicht von Wessel seien viele Manager regelmäßig frustriert, wenn sie nicht verstehen, wie die Dinge auf allen Ebenen funktionieren und sie den Status von Projekten lediglich in Powerpoint-Form präsentiert bekommen. Deshalb sei eine transparente und ehrliche Kommunikation unerlässlich, besonders wenn es um den Projektstatus und die Zielerreichung gehe, so der Chief Learning Officer.
6. Erfolge teilen
"Über Erfolg lässt sich nicht streiten" - dieses etwas angestaubte Sprichwort greife auch im Umgang mit schlechten Chefs, weiß Wessel aus eigener Erfahrung: "Ich hatte einmal einen Vorgesetzten, der nur darauf gewartet hat, dass unser Team scheitert. In jedem unserer Meetings wollte er beweisen, dass seine Einschätzung von Anfang an richtig war. Deshalb haben wir jedes Update irgendwann mit User Stories eingeläutet. Beispiele, wie für den Kunden Mehrwert entsteht, sind nicht leicht kleinzureden."
- Falle 1: Die Wichtigkeit der Antrittsrede unterschätzen
Es ist hilfreich, die Mannschaft zu einem Come together einzuladen und sich noch einmal offiziell vorzustellen. In einer kurzen Rede sollte man zum einen etwas über sich samt Werdegang erzählen und zum anderen bereits einen Einblick in den Führungsstil sowie Werte und Ziele geben. - Falle 2: Sofort alles auf den Kopf stellen
Neue Führungskräfte verfallen wegen der hohen Erwartungshaltung häufig in blinden Aktionismus. Es ist besser, die ersten Wochen für Mitarbeitergespräche zu nutzen. So bekommen Sie einen Überblick über Erwartungen, Aufgaben, Zusammenarbeit, Prozesse und mögliche Knackpunkte. Erst nach der Bestandsaufnahme sollten Veränderungen unter Einbindung der Mitarbeiter angestoßen werden. - Falle 3: Von Mitarbeitern instrumentalisieren lassen
Kommt eine neue Führungskraft, tendieren Mitarbeiter gerne dazu, sie für ungeklärte und unbefriedigende Belange einzuspannen, damit sie sich für diese Anliegen gegenüber Dritten starkmacht. Aber hier ist Vorsicht geboten, weil oft nur die subjektive Wahrnehmung ans Licht kommt. Man sollte also keine Versprechungen machen und voreiligen Entscheidungen treffen, sondern sich zunächst einen umfassenden Eindruck über den Status quo und über Verantwortlichkeiten verschaffen. - Falle 4: Intensive Freundschaften mit Mitarbeitern eingehen
Entwickeln sich Freundschaften zu einzelnen Kollegen, sollte man hinterfragen, welchen Einfluss die Beziehung auf das Tagesgeschäft im Unternehmen hat und welchen Eindruck Kollegen und Vorgesetzte bekommen, wenn sie von der Freundschaft erfahren. Zum Schutz von Führungskraft und Mitarbeiter ist es daher sinnvoll, ausreichend Distanz zu wahren. - Falle 5: Recht behalten und Fehler nicht eingestehen
Fehler einzugestehen und Kritik von Mitarbeitern anzunehmen wird oft als Führungsschwäche ausgelegt. Das Gegenteil ist jedoch der Fall. Wahre Größe und Kompetenz beweist, wer offen für berechtigte Kritik ist und gegebenenfalls eine Entscheidung rückgängig macht. So gewinnt man als Vorgesetzter Glaubwürdigkeit und Vertrauen. - Falle 6: Konflikten aus dem Weg gehen
Harmoniebedürftige Führungskräfte sind meist auch konfliktscheu. Sie hoffen insgeheim, dass sich Probleme von selbst lösen, und sprechen Missstände oft viel zu spät an. Ob Fehlverhalten von Mitarbeitern oder Konflikte im Team - Sie sollten Erwartungen frühzeitig nennen, immer konstruktives Feedback geben und rechtzeitig nachsteuern. Klarheit in der Führung ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Und Klarheit und Freundlichkeit schließen sich nicht aus. - Falle 7: Immer eine offene Tür haben
Eine Aussage wie "Sie können jederzeit zu mir kommen" ist fatal. Der Grund: Ungeplante Gespräche bringen den Tagesablauf durcheinander und reißen die Führungskraft bei ihrer jeweiligen Aufgabe aus der Konzentration. Soll heißen: Führen "zwischendurch" ist nicht ratsam. Nehmen Sie sich nach Abstimmung ungeteilte Zeit für Mitarbeitergespräche. - Falle 8: Experten im Fachwissen übertreffen wollen
Es ist ein Trugschluss, als Führungskraft zu glauben, auf jede fachliche Frage eine Antwort haben zu müssen oder jedes Problem lösen zu können. Dafür sind die Fachleute zuständig, nämlich die Mitarbeiter mit ihrem entsprechenden Fachwissen. Der Job des Vorgesetzten ist primär, Führungs- und Steuerungsaufgaben wahrzunehmen. Wer sich als Chef dennoch dafür verantwortlich fühlt, wird schnell zum "Obersachbearbeiter". Tipp: Delegieren Sie, damit Sie Freiräume gewinnen und Ihre Ziele erreichen.
7. Kollegenrat einholen
Auch wenn es kein guter Rat ist, schlecht über den Chef zu reden oder gemeinsam mit Kollegen abzulästern - Sie sollten deshalb nicht darauf verzichten, Rat von (ehemaligen) Kollegen einzuholen.
"Sie können hier auf ihr Peer-to-Peer-Netzwerk zurückgreifen", meint Jim Finkelstein. "Andere haben vielleicht Erfahrungen im Umgang mit solchen Cheftypen, die Ihnen in Ihrer Situation weiterhelfen können."
8. Ehrlichkeit siegt
Wenn Sie mit einem schlechten oder bösartigen Chef konfrontiert sind, sollten Sie in jedem Fall die Dinge kontrollieren, die in Ihrer Macht stehen. Dazu gehört zum Beispiel, Feedback zu geben, wenn die Möglichkeit dazu kommt.
"Sie haben Werkzeuge und Situationen, die Sie für sich nutzen können", sagt der CEO. "Sie müssen aber auch den Mund aufmachen, wenn Sie Verhaltensweisen des Chefs ändern oder auf schlechtes Verhalten aufmerksam machen wollen. Haben Sie dabei keine Angst vor den Konsequenzen, schließlich sind Sie im Recht."
9. Schluss machen
Die wichtigste Erkenntnis im Umgang mit schlechten Managern bringt Finkelstein ebenfalls auf den Punkt: "Opfern Sie sich nicht für einen schlechten Chef, sondern gehen Sie unbedingt, wenn es zu schlimm wird. Es gibt gewisse Grenzen, die nicht überschritten werden sollten - falls doch, sollte es keinen Weg zurück geben."
Die Pandemie schaffe durch den Remote-Work-Umschwung zahlreiche neue Möglichkeiten für Mitarbeiter, die unter einem schlechten Chef leiden: "Speziell in der Tech-Welt entstehen ständig neue Unternehmen. Wenn Sie ein gewisses Maß an Erfahrung haben, finden Sie einen neuen Job. Dabei sollten Sie sich keine Sorgen um ihre Zukunft machen: Gute Leute werden immer gebraucht und der Stellenwert qualifizierter Mitarbeiter war nie höher als heute." (fm)
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation CIO.com.