Tech- und IT-Fachkräfte reiferen Jahrgangs stehen des Öfteren im Ruf, in der Vergangenheit festzustecken und entweder überqualifiziert oder unfähig zu sein, sich an neue Technologien anzupassen. Wie bei den meisten Binsenweisheiten steckt auch hier meist nicht viel dahinter - von Ausnahmefällen einmal abgesehen.
Erfahrene IT-Profis, die nach einem neuen Job suchen oder ihre Karriere umkrempeln wollen, sollten Mut fassen: Erfahrung, Soft Skills und andere Faktoren, die nur "on the job" erworben werden können, machen sie zu gefragten Fachkräften in einem besonders heiß umkämpften Bereich des Arbeitsmarktes. Allen Personalverantwortlichen, die jüngere ITler allein aufgrund einer vorgefassten Meinung altgedienten Profis vorziehen, sollten die folgenden Vorurteile gegenüber Technologie-Silverbacks die Augen öffnen.
1. Zu unflexibel
Dass altgediente IT-Profis in ihren Gewohnheiten festgefahren sind, stimme nicht mit ihren Erfahrungen überein, meint Diane Albano, Chief Revenue Officer bei Globalization Partners: "Ich habe viele, zwar neu ausgebildete, aber ältere IT-Mitarbeiter gesehen, die sich problemlos durch knifflige Situationen manövriert haben. Sie legten dabei ein Niveau an kritischem Denken und Knowhow an den Tag, das nicht gelehrt werden kann.
Technische Fähigkeiten oder Methoden lassen sich immer nachholen, aber Dinge wie Zuverlässigkeit, Anpassungsfähigkeit, emotionale Intelligenz und einfühlsame Kommunikation sind ebenso wichtig. Die Fähigkeiten, die für Spitzenpositionen nötig sind, sind vor allem bei älteren IT-Mitarbeitern zu finden. Gleichzeitig sind diese Skills extrem nützlich für altgediente Profis, die ihrer Karriere eine neue Richtung geben möchten."
Erfahrene IT-Fachkräfte verfügten über Soft Skills, die jüngere Mitarbeiter gerade erst entwickeln, stimmt Lossie Freeman, Director of Corporate Partnerships bei Zip Code Wilmington, zu. Und diese Fähigkeiten würden besonders in der IT gebraucht: "Kommunikations- und Organisationsfähigkeit sowie kreatives Denken sind für Arbeitgeber sehr wichtig. Einige Unternehmen verfügen einfach nicht über das mittlere Management, das nötig wäre, um weniger erfahrene Talente an Bord zu holen, die ihren Anforderungen entsprechen. Deswegen steigt der Bedarf für erfahrene Mitarbeiter, die bereits Führungsqualitäten mitbringen."
2. Unfähig bei neuen Technologien
"Ein weiterer weit verbreiteter Irrglaube ist, ältere Tech-Mitarbeiter könnten nicht mit der neuesten Technologie Schritt halten," sagt Eric McGee, Senior Network Engineer bei TRGDatacenters. "Ich halte diese Ansicht für kurzsichtig. Ältere IT-Mitarbeiter sind für Unternehmen äußerst wertvoll, selbst angesichts des technologischen Fortschritts.
Ihre Fähigkeiten und Erfahrungen sind Schlüsselfaktoren, die ihren Unternehmen einen erheblichen Wettbewerbsvorteil verschaffen können. Und sie stellen Mentoring-Ressourcen zur Verfügung, die für die Entwicklung der Fähigkeiten jüngerer IT-Fachkräfte im Unternehmen entscheidend sind. Erfahrene IT-Mitarbeiter, die ihr Geld wert sind, sind auch in der Lage, vermeintliche technologische Lücken ohne großen Aufwand zu schließen."
James Lloyd-Townshend, CEO der Frank Recruitment Group, ist der Meinung, die Vorurteile gegenüber IT-Veteranen seien auf dem Rückzug: "Trotzdem gibt es einige Personalverantwortliche, die immer noch der Meinung sind, altgediente IT-Profis könnten sich neue technische Fähigkeiten nicht so gut aneignen wie jüngere Mitarbeiter. Was diese Leute nicht bedenken, ist, dass sich die technologische Landschaft ständig weiterentwickelt. Wir sind also nie zu 100 Prozent auf dem Laufenden. Und das gilt unabhängig davon, ob wir neu in der Branche sind oder den größten Teil unseres Arbeitslebens in ihr verbracht haben."
3. Nicht auf der Höhe der Zeit
Laut IT-Berater Ben Taylor sind erfahrene IT-Mitarbeiter zwar manchmal skeptisch gegenüber den neuesten Technologietrends - ihre Erfahrung aber ein wichtiges Asset für das Unternehmen: "Vieles hat sich nicht geändert. Unternehmen wollen nach wie vor, dass ihre Systeme zuverlässig funktionieren, dass ihre Daten sicher sind und dass ihre Mitarbeiter die Prozesse annehmen. Um diese Dinge richtig hinzubekommen, sind Erfahrung und Weisheit genauso wichtig wie das technische Knowhow."
IT-Profis mit langjähriger Erfahrung hätten im Laufe der Zeit massive Veränderungen erlebt und wüssten, dass nicht alle Projekte frei von den Zwängen der Vergangenheit sind, so Taylor weiter: "Nicht jedes Unternehmen ist bereit oder in der Lage, auf die modernsten Arbeitsmethoden umzusteigen - sei es aus technischen Gründen, weil die Belegschaft weniger technikaffin ist oder wegen den Eigenheiten der Konnektivität.
Ein Profi, der mit dem technischen Wandel Schritt gehalten hat, trägt Knowhow und Erfahrung ins Unternehmen. Und effektive IT hat oft genauso viel mit Prozessen und bewährten Verfahren zu tun wie mit technischen Aspekten - daran hat sich im Laufe der Jahre nur wenig geändert. Nahezu jeder Tag stellt einen IT-Experten vor eine neue und ungewöhnliche Herausforderung. Je länger man im Geschäft ist, desto mehr solcher Tage hat man erlebt und daraus gelernt."
4. Zu gestresst
Burnout ist in der IT-Branche eine reale Bedrohung. Nach jahrelangem Stress, ständigem Wandel und vielen Überstunden ist es nicht ungewöhnlich, dass sich erfahrene IT-Profis wie "durch den Wolf gedreht" fühlen. Laut Shahar Erez, CEO von Stoke Talent, seien es jedoch diese hart erarbeiteten Erfahrungswerte, die älteren IT-Profis zugutekommen: "Sie wissen, was in der Vergangenheit nicht funktioniert hat und können dazu beitragen, herauszufinden, was in Zukunft erfolgreich sein wird." Zusammen mit den Erkenntnissen anderer Mitarbeiter, die neue Techniken anwenden, könnten IT-Veteranen für Stabilität und in schwierigen Situationen für Ruhe sorgen.
"Ältere Mitarbeiter sind sehr wertvoll, weil sie nicht so schnell in Panik geraten, wenn größere Herausforderungen auftreten. Sie haben mehr Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten und sind besser in der Lage, auf Kunden zuzugehen. Das ist insbesondere dann Gold wert, wenn die IT-Abteilung in direktem Kundenkontakt steht. Sie sollten deshalb unbedingt dafür sorgen, dass jüngere und ältere Generationen effektiv zusammenarbeiten", empfiehlt Erez.
5. Überqualifiziert
Laut Julie Rysenga, Principal und Senior Consultant bei 3LS Consulting, denken nicht wenige Personalverantwortliche, erfahrene IT-Profis seien für eine ausgeschriebene Stelle überqualifiziert: "Bewerber über 40 verfügen über einen großen Erfahrungsschatz, den sie bei einem Karrierewechsel zu ihrem Vorteil nutzen können.
Der erste Schritt besteht darin, die Berufserfahrungen zu überprüfen und die Fähigkeiten zu ermitteln, die sich von diesen Erfahrungen auf die neue Position übertragen lassen. Dann sollten die Bewerber Geschichten rund um diese Fähigkeiten ausarbeiten, die sie während des Vorstellungsgesprächs erzählen können. Das Ziel dieser Geschichten ist es, die Beherrschung der Fähigkeiten durch reale Erfahrungen zu untermauern."
Geht es nach Richard Lubicky, Gründer von RealPeopleSearch, fängt für Tech-Profis ab einem Alter von 40 Jahren "der Spass" erst an: "Manche glauben, IT-Profis sollten ab 40 einen Gang zurückschalten und es ruhiger angehen lassen, weil sie nicht mehr so 'gut' sind wie früher. Dabei haben diese Profis Erfahrungswerte in Bezug auf Unternehmensrichtlinien, Prozesse, Workflows und Plattformen vorzuweisen, von der die jüngere Generation nur träumen kann."
6. Weniger produktiv
Auch der Irrglaube, ältere Arbeitnehmer könnten die gleiche Belastung wie ihre jüngeren Kollegen nicht bewältigen und seien deshalb weniger produktiv, müsse endlich über Bord geworfen werden, plädiert Lloyd-Townshend: "Zwischen fortschreitendem Alter und abnehmender Arbeitsproduktivität wurde noch keine Korrelation festgestellt. Wenn Sie in der Lage sind, Initiative, Tatkraft und Innovation an den Tag zu legen, werden Sie in einem IT-Job erfolgreich sein."
Darüber hinaus seien Reife und Zuverlässigkeit weniger offensichtliche Vorteile, die erfahrene IT-Profis einbrächten, meint James Philip, Geschäftsführer bei Employment Boost: "Mit ihrer langjährigen Erfahrung sind die IT-Veteranen die, auf die man sich verlassen kann, weil sie immer pünktlich erscheinen, zuverlässig sind, montags nicht plötzlich erkranken und Probleme besonnen lösen. Ihr Wert liegt nicht nur in ihren Fähigkeiten, sondern auch in ihrem Verhalten."
7. Weniger wert
Einige ältere IT-Profis glauben eventuell, ihr Wert - beziehungsweise ihr Gehalt - müsse im Laufe der Zeit sinken.
Das kann Haroon Sethi, Chief Technology Officer und CEO von Proqura Technologies, nicht bestätigen: "Ein weit verbreiteter Irrglaube ist, dass Tech-Profis über 40 weniger verdienen. In Wirklichkeit steigen die Gehälter mit der Zeit und der Erfahrung - wie in jeder anderen Branche auch. Sie sollten die Tatsache, dass sie genauso wertvoll sind wie die jüngere Generation, als Druckmittel für höhere Gehälter nutzen. Wenn sie ihren Wert durch technische Fähigkeiten und einschlägige Erfahrung unter Beweis stellen können, können sie ein besseres Angebot aushandeln."
8. Unfähig, sich etwas beizubringen
Laut Lloyd-Townshend lassen sich die Einstiegshürden in technische Berufe für jede Altersgruppe durch die Möglichkeit, sich online weiterzubilden, durch Eigeninitiative senken. Auch hierbei gingen einige Personalverantwortliche fälschlicherweise davon aus, dass altgediente Profis nicht in der Lage wären, sich auf diese Weise neue Fähigkeiten anzueignen.
"Es gibt keinen triftigen Grund für Arbeitnehmer über 40, zu glauben, sie seien weniger fähig als andere. Ich höre oft von Arbeitnehmern dieser Altersgruppe, dass sie in der Vergangenheit weniger Zugang zu Wissen und Ressourcen hatten. Das mag zwar stimmen, aber die Möglichkeiten, sich im IT-Bereich weiterzubilden, sind heute endlos - und viele davon sind kostenlos oder zumindest kostengünstig.
Ganz gleich, ob Sie von YouTube-Trainern lernen, an Mentoring-Programmen teilnehmen oder sich entscheiden, Ihr Wissen und Ihre Fähigkeiten durch Zertifizierungen zu erweitern - Sie müssen nicht zulassen, dass Irrglaube Ihr berufliches Fortkommen und letztendlich Ihren Erfolg bestimmt oder einschränkt." (fm)
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation CIO.com.