Die Analysten vom Marktforschungsinstitut Gartner legen regelmäßig ihren "Hype Cycle" auf, der Technologien in fünf Phasen einteilt. Demnach starten diese als Innovation und erreichen dann den Gipfel überzogener Erwartungen, um anschließend eine Phase der Desillusionierung zu durchlaufen. Die vierte Phase ist die Zeit der Aufklärung, danach bewegt sich die Technologie auf einen breiten produktiven Einsatz zu. Laut Gartner hat die Blockchain den Gipfel der überzogenen Erwartungen bereits hinter sich gelassen und stürzt nun in die Phase der Desillusionierung. Das liegt auch an sieben typischen Fehlern im Umgang damit.
Die Fehler führt Gartner darauf zurück, dass die Blockchain zu stark als Selbstzweck betrachtet und zu wenig auf konkreten Business-Nutzen abgeklopft werde. Auch würden viele Entscheider die Mengen an Ressourcen (Compute, Storage und Netzwerk) unterschätzen, die eine Blockchain in Anspruch nimmt.
Die Fehler im Einzelnen:
1. Fehlendes Verständnis beziehungsweise falscher Gebrauch der Blockchain: Die Innovation der Blockchain sieht Gartner in der Distributed-Ledger-Technologie (übersetzt etwa: Technik verteilter Kassenbücher) und damit im dezentralen Konsensus. Das ermöglicht zum Beispiel die Arbeit mit Smart Contracts. Diese Vorteile nutzen viele Unternehmen gar nicht, beobachtet Gartner. Faktisch wollten viele Anwender lediglich Prozesse verbessern oder Compliance-Vorgaben sicherer erfüllen. Dafür brauche man aber keine Blockchain, urteilen die Analysten.
2. Der Glaube, die derzeit verfügbare Blockchain-Technologie eigne sich bereits für den produktiven Einsatz: Noch zeigt sich der Markt für Blockchain-Plattformen stark fragmentiert. Die Angebote überlappen sich. Das erschwert die Wahl eines passenden Anbieters. Wie die Marktforscher beobachten, wiegen sich viele Entscheider außerdem in einer falschen Sicherheit bezüglich der Reife der Angebote.
Kein Grund, den Einsatz der Blockchain zu verzögern
Gartner sieht das nicht als Grund, den Einsatz der Blockchain zu verzögern - es müsse aber klar sein, dass die Unternehmen mit kurzen experimentellen Projekten starten sollten, die einen eng begrenzten Zweck verfolgen. Mit wachsender Erfahrung sollte es möglich sein, die Projekte auszuweiten und - weil die Hersteller ja an ihren Angeboten weiterarbeiten - in absehbarer Zeit (zwölf bis 24 Monate) mehr Nutzen aus der Blockchain zu ziehen.
3. Das Verwechseln einzelner Bestandteile mit einer kompletten Business-Lösung: Insbesondere Lieferketten-Manager und Entscheider im Bereich Healthcare haben sich von der Fachdiskussion zu überzogenen Erwartungen verleiten lassen. Gartner spricht hier wörtlich von "wishful thinking for magic software". Als Folge dessen neigten sie dazu, einzelne Bestandteile für eine komplette Business-Anwendung zu halten.
4. Das Verwechseln der Blockchain mit einer besseren Datenbank oder einem besseren Storage-System: Manche CIOs hören "Distributed Ledger" und denken an Distributed Datenbank Management-Systeme (DBMS), erklärt Gartner. Das sei von der Grundidee her nicht völlig falsch. Aber: konventionelle DBMS verfügen über ein komplettes CRUD-Modell, also Create, Read, Update und Delete. Das ist nicht Aufgabe der Blockchain. Daher unterstützen viele Blockchain-Plattformen bisher auch nur Create und Read. Der besondere Vorteil der Blockchain liegt in der Bereitstellung einer unveränderlichen Dokumentation ("immutable record") jeder Transaktion.
Die jetzigen Angebote sind "Work in Progress"
5. Die Annahme, es gebe schon Standards für den Austausch verschiedener Blockchain-Plattformen: Wie Gartner beobachtet, versprechen manche Vendoren Interoperabilität zwischen ihrer Plattform und anderen Blockchains. Diese Aussage sei "schwierig", kommentieren die Analysten. Angesichts der mangelnden Reife des Marktes könnten sich Entscheider nicht auf solche Aussagen verlassen. Gartner bezeichnet viele derzeit verfügbare Angebote als "Work in Progress".
6. Die Annahme, dass Smart Contracts bereits funktionieren: Smart Contracts gelten als einer der Pluspunkte der Blockchain. Laut Gartner ist aber die Technologie auch hier noch nicht ausgereift genug. Das heißt konkret: derzeit basieren Smart Contracts meist auf Programmiersprachen, die wie Java und C++ funktionieren. Diese böten aber noch nicht das nötige Sicherheitsniveau.
7. Unterschätzen des Governance-Aufwandes: Die Governance-Regeln für Ethereum und Bitcoin sind definiert, für viele Teilnehmer aber nicht durchschaubar, urteilt Gartner. Die Analysten halten Governance für einen "Schmerzpunkt" der Blockchain. Wer mit einer solchen arbeiten will, müsse interne und externe Regeln für den Umgang mit Daten festlegen. Diese dürften sich nicht auf technologische Bedingungen beschränken, sondern müssten menschliche Verhaltensweisen und Motive der Nutzer ebenso einbeziehen.