Ob Elbphilharmonie, Berliner Flughafen oder Stuttgart 21: Mangelnde Flexibilität und lange Planungszyklen haben diese Projekte zum Scheitern verurteilt. Mit agilen Methoden gelingt die Umsetzung meist nicht nur schneller, sondern auch weniger fehlerhaft. Sechs Faktoren sind ausschlaggebend, um ein Projekt agil umzusetzen und zum Erfolg zu führen:
1) Die Organisation im Unternehmen beeinflusst den agilen Prozess
Viele Organisationen arbeiten in Silos, die oft auf den Kernbereichen des Unternehmens basieren, etwa Forschung und Entwicklung, Marketing, Vertrieb oder HR. Das Marketing beispielsweise unterteilt sich wiederum in Online Marketing und Social Media oder in Endkunden und Geschäftskunden. Andere sind länderspezifisch strukturiert, was ebenfalls den Austausch zwischen Unternehmenseinheiten behindern kann. Zahlreiche kleine isolierte Einheiten führen in der Praxis zu mangelndem Wissenstransfer. Entscheidungen fallen deshalb nicht schnell genug – in den Projekten ist das Wissen der Fachabteilungen erforderlich, aber oft sind die Spezialisten nicht zeitnah verfügbar.
Agiles Management dreht den Informationsfluss um. Firmen wie beispielsweise die Liip AG sind so organisiert: Kleine fachübergreifende autarke Einheiten entwickeln Produkte völlig autonom. In diesem Fall werden die Informationsflüsse so gelenkt, dass jede Einheit für sich etwas liefern kann. Es gibt dabei wenig zu koordinieren, denn nur die Ziele werden miteinander vereinbart – der Weg dorthin bleibt jedem Team selbst überlassen.
2) Die Infrastruktur in agilen Prozessen schafft schnellere und bessere Informationsstrukturen
Informationen müssen in agilen Projekten anders fließen können. Das gelingt häufig dadurch, dass die notwendige Infrastruktur bereits vorhanden ist und Informationswege kurz gehalten werden. In unserem eigenen Unternehmen gilt zum Beispiel die ungeschriebene Regel: Don't search, ask! Wir wissen, dass jemand bei uns immer die Antwort hat, immer weiß, wo etwas liegt oder schon einmal etwas getan hat.
Agiles Arbeiten benötigt also eine Infrastruktur, die diesen schnellen Austausch kostengünstig ermöglicht. Wir haben zum Beispiel seit einigen Monaten für uns das richtige Kommunikationstool gefunden – Slack. Es hat die internen E-Mails so gut wie abgeschafft, es gibt weniger bilaterale Kommunikation. Wir kommunizieren in Channels, die wie Chaträume funktionieren. Wer daran teilnehmen darf, lässt sich festlegen. Auch der Dialog mit Einzelpersonen ist möglich. Überall lassen sich Dateien hochladen und diese kommentieren. Mit der exzellenten Suchfunktion sind Dateien schnell wiederzufinden.
3) Know-how ist unabdingbar, um in einem agilen Umfeld zu arbeiten
Agiles Arbeiten verlangt anderes Know-how. Das fängt bei dem Beherrschen des Arbeitens mit Post-its an und hört dabei auf, seine komplette Arbeitsweise zu verändern. Ich habe beispielsweise einmal wochenlang mein Team mit Hilfe von E-Mails darin geschult, eine revolutionäre Art des Zeitmanagements zu leben – die Pomodoro-Technik. Diese geht davon aus, dass Arbeitseinheiten von jeweils 25 Minuten zu mehr Produktivität führen. Danach folgen fünf Minuten Pause. Nach vier Arbeitseinheiten wird eine längere Pause von 30 Minuten eingelegt.
Wir erfuhren auf diese Weise auch, dass wir produktiver sind, wenn wir beispielsweise den Ort unseres Arbeitens wechseln. Ob im Café, einem Open Workspace oder zu Hause: Das Erlernen von Arbeitsweisen, die den Einzelnen produktiver machen, macht die Arbeit des ganzen Teams effektiver. Tools unterstützen diesen Prozess. Dank meiner integrierten Umgebungen (OS X, iOS) und den Möglichkeiten der Cloud Services habe ich mein Arbeitsumfeld immer dabei.
4) Produktentwicklung mit Design Thinking
Agile Produktentwicklung beginnt nicht nach der Designphase, also der Entwurfs- und Entwicklungsphase, sondern ganz am Anfang. Woher aber weiß ich, dass ich das Richtige liefere, wenn ich am Anfang nicht einmal weiß, was der Kunde genau will? Das ist möglich, wenn man den von IDEO entwickelten Ansatz des Design Thinking anwendet. Klassisches Anforderungsmanagement wird dadurch vollständig abgeschafft.
Design Thinking geht davon aus, dass Probleme besser gelöst werden können, wenn Menschen unterschiedlicher Disziplinen in einem die Kreativität fördernden Umfeld zusammenarbeiten. Dabei wird die Sicht des Anwenders eingenommen und versucht, dessen Problem zu identifizieren und Lösungen dafür zu finden. Dies ist ein Paradigmenwechsel im Vergleich zum klassischen Ansatz. Es werden keine Anforderungen erhoben, stattdessen wird im Grunde das Produkt sofort geliefert.
5) Kanban und Scrum: Handlungsempfehlung, aber keine Handlungsanweisung
Viele denken, dass mit der Nutzung des richtigen agilen Modells der Erfolg von selbst kommt. Scrum oder Kanban sind jedoch Managementframeworks, die mehr darauf hinweisen, was zu tun ist, als dass sie zeigen, wie es geht. In den agilen Disziplinen gibt es grundsätzlich einige Best Practices – sie dienen aber eher als Beispiele dafür, wie in gewissen Projekten Erfolge erzielt worden sind. So hat zum Beispiel der Holtzbrinck-Verlag erfolgreich Kanban in seiner Rechtsabteilung implementiert.
Beide Managementideen sind so angelegt, den Einzelnen möglichst autark und selbstbestimmt arbeiten zu lassen, und gleichzeitig sehr deutlich zu zeigen, wo der Einzelne steht. In vielen Organisationen ist genau das aber nicht unbedingt erwünscht – wird hier doch sehr deutlich, wer was und wie viel leistet.
6) Bei der Führung auf Freiwilligkeit setzen
Agile Führung funktioniert gänzlich anders als klassische Führung, obwohl sie nach außen hin dasselbe Ziel hat: Sie soll Menschen dazu bringen, das zu tun, was man von ihnen möchte. Agile Führung baut auf dem Prinzip der Freiwilligkeit auf. Bei uns im Unternehmen haben wir es geschafft, dass jeder genau das machen kann, was er tun will. Jeder sucht sich zu jedem Zeitpunkt aus, was er bearbeiten möchte, solange er der Gemeinschaft dabei nicht schadet, sondern es für das Team tut. Wer an einem Projekt arbeitet, bei dem er nichts mehr beitragen kann, verlässt es.
Dieses Prinzip stammt aus der Open Space Technology von Harrison Owen. Er nannte die Idee "The law of two feet". Wer bei einer Konferenz das Gefühl hat, er könne nichts mehr beitragen oder dort nichts mehr lernen, der sucht sich besser einen anderen Ort, an dem er etwas lernen oder beitragen kann. So ist das auch bei uns. Dieses Prinzip der Freiwilligkeit unterstützt die Führungskraft. Sie soll dafür sorgen, dass jeder im Team möglichst effektiv arbeiten kann. Dieselbe Aufgabe hat auch ein ScrumMaster. Sein Job ist es beispielsweise, den Einzelnen und das Team vor Störungen zu schützen. Schließlich verlieren Wissensarbeiter einen Großteil ihrer Effektivität, wenn sie ständig gestört werden.