Noch sind die entsprechenden Frequenzen in Deutschland nicht einmal versteigert worden. Trotzdem ist "5G" bereits in aller Munde. Mit Geschwindigkeiten im Gigabit-Bereich soll 5G schließlich bis zu 100 Mal mehr Speed ermöglichen als der derzeitige Spitzenstandard 4G - und diesen damit, wie manch einer zu glauben scheint, quasi auf den Friedhof der Geschichte begraben.
Wer außerhalb der eigenen vier Wände viel mobil im Internet unterwegs ist und womöglich sogar Filme schaut oder Online-Spiele spielt, hat sicherlich gute Gründe, 5G als einen zukünftigen Meilenstein anzusehen. Für die meisten Unternehmen, die die eigene Digitalisierung vorantreiben wollen, ist 5G aus heutiger Sicht allerdings nicht einmal ein Meilensteinchen.
Noch gibt es kaum ein Einsatzszenario, bei dem für Unternehmen und deren IoT-Lösungen Geschwindigkeit einen begrenzenden Faktor darstellt. Je nach Branche und Standort nutzen bereits heute mitunter mehr als die Hälfte aller Unternehmen die Vorzüge der Vernetzung im Rahmen ihrer IoT-, M2M- bzw. Industrie 4.0-Strategie. Industrieanlagen werden so effizienter, Wartungsarbeiten erfolgen nicht mehr in festgelegten Routineabständen, sondern bei Bedarf, und Informationen werden unmittelbar übertragen.
Doch obwohl der 4G-Standard bereits vor mehr als sieben Jahren in Deutschland eingeführt wurde und seitdem de facto der schnellste verfügbare Mobilfunkstandard ist, kommt dieser im IoT-Umfeld weiterhin selten zum Einsatz. Denn in den meisten Fällen spielt Bandbreite keine wichtige Rolle. Und so basieren nicht wenige IoT-Lösungen, die derzeit in Unternehmen oder auch Krankenhäusern eingesetzt werden, auf GSM und damit einer Technologie, die in Deutschland eingeführt wurde, als Jurassic Park erstmals über die Leinwand flimmerte und Dr. Alban die Charts aufmischte.
Die eierlegende Wollmilchsau ist nicht in Sicht
Für den Großteil aller Unternehmens- und Industrieanwendungen sind weder extreme Bandbreiten noch Geschwindigkeiten wichtig. Interessanter dürften schon eher die stark verkürzten Latenzzeiten sein, die mit 5G einhergehen werden. Echtzeitanwendungen werden ihrem Namen damit gerechter als jemals zuvor. Und so ist davon auszugehen, dass die eine oder andere Industrieanwendung früher oder später dann doch auf 5G basieren wird.
Bis dahin dürften allerdings noch einige Jahre ins Land ziehen. Das liegt auch daran, dass es noch einige Hürden zu nehmen gibt, bevor 5G in weiten Teilen Deutschlands verlässlich zur Verfügung stehen wird. Gerade produzierende Unternehmen haben ihren Standort nicht selten jenseits der Ballungsgebiete. Voraussetzung für ein flächendeckendes 5G-Netz ist ein weitreichender Glasfaserausbau. Doch gerade bei dieser Technologie belegt Deutschland im internationalen Vergleich nicht gerade einen Spitzenplatz. Zwischen Flensburg und Garmisch-Patenkirchen dominieren weiterhin Kupferleitungen.
Selbst wenn die 5G-Frequenzen nächstes Jahr also endlich versteigert sind und die Anbieter zukünftige Investitionen besser planen können, dürfte es noch eine Weile dauern, bevor 5G weitflächig verfügbar ist. Auch deshalb halten sich die Anbieter noch zurück, was die eigenen 5G-Investitionen betrifft, und konzentrieren sich lieber auf die akuten Herausforderungen, die weitgehend auf datenhungrige Privatnutzer und weniger auf IoT-interessierte Unternehmen zurückzuführen sind.
Unternehmen, die die Digitalisierung voranbringen wollen, um weiterhin wettbewerbsfähig zu sein, sind deshalb gut beraten, nicht auf die Einführung von 5G zu warten. Zum einen wird es auf absehbare Zeit keine 5G-Anwendung geben, die für sie zur eierlegenden Wollmilchsau wird. Zum anderen bedeutet Abwarten Stillstand. Und der ist für die meisten Unternehmen bekanntermaßen Gift.