Unternehmen, die ihre Betriebsabläufe und Angebote überarbeiten wollen, kommen an Application Programming Interfaces (APIs) nicht vorbei. Sie haben sich zu einem wichtigen Faktor der digitalen Transformation entwickelt. Das gilt insbesondere, weil Unternehmen Daten und Anwendungen zunehmend in die Cloud verlagern. Einst als technisches Mittel zum Zweck betrachtet, sind Schnittstellen heute ein strategisches Anliegen von höchster Priorität. Sie zu entwickeln, zu managen, zu pflegen und abzusichern ist jedoch eine Herausforderung. APIs sind dabei nicht nur unverzichtbar für die Automatisierung, weil sie die Kommunikation zwischen Applikationen und Services ermöglichen. Sie bieten einer Reihe von Unternehmen auch geschäftlichen Mehrwert, indem sie viele Monetarisierungsmaßnahmen erlauben.
Eine Studie vom Marktforschungsunternehmen 451 Research besagt, dass Web-APIs im Zuge der digitalen Transformation ein "exponentielles Wachstum erfahren haben, da die Zunahme integrierter web- und mobilbasierter Angebote einen deutlich höheren Datenaustausch zwischen Produkten erfordert". Zudem nutzen Unternehmen laut der Studie inzwischen durchschnittlich 15.564 APIs - ein Anstieg von 201 Prozent verglichen mit dem Vorjahr. Der Report basiert auf einer Umfrage unter IT-Experten aus 350 globalen Unternehmen verschiedener Branchen.
"Wenn es darum geht, eine erfolgreiche API-Strategie zu definieren, gibt es kein Patentrezept", sagt Scott Hanawait, Senior Vice President beim Beratungsunternehmen Booz Allen Hamilton. "API-Design ist nicht einfach, und jedes Projekt hat seine eigenen, einzigartigen Anforderungen, Interessengruppen und Ziele." Eine bestimmte Technologie oder einen bestimmten Architekturstil zu verwenden, garantiere ebensowenig Erfolg wie der Support eines bestimmten API-Typs. Im Kern müssten APIs ein echtes Problem lösen und diese Lösung für andere leicht anwendbar machen.
Wir haben im Gespräch mit Experten fünf Schlüsselelemente für eine erfolgreiche API-Strategie ermittelt.
1. Data Ownership kodifizieren
APIs haben sich seit ihren Anfängen in den 1940er Jahren stark weiterentwickelt. Chris McLellan, Director of Operations bei der Non-Profit-Organisation Data Collaboration Alliance, sagt: "Deshalb ist diese scheinbar einfache Technologie heute so wichtig für fast alle digitalen Interaktionen." Bei Schnittstellen gehe es jedoch im Wesentlichen darum, Daten zu extrahieren und auf sie zuzugreifen. Bei letztgenannter Funktion habe es in den letzten vier Jahrzehnten allerdings so gut wie keine Fortschritte gegeben. "Wir kopieren immer noch selbst sensible Daten vielfach und untergraben dabei Sicherheitsprotokolle, verletzen Compliance-Bestimmungen und schaffen Komplexität," urteilt er.
APIs böten umfassenden Zugang und verfügten über eine außerordentliche Reichweite, was aber nicht dazu führen sollte, gegen Grundrechte zu verstoßen, so McLellan. "Die allermeisten Daten gehören bestimmten Parteien und sollten sich in den Händen der rechtmäßigen Eigentümer oder offiziell Berechtigten befinden." Daten seien die Kronjuwelen eines Unternehmens. Einfacher Zugriff über Schnittstellen und andere Mechanismen sollte dieses Recht auf Kontrolle über die eigenen Daten nicht aushebeln.
Aus APIs mehr Daten abzuleiten, werde das Business wahrscheinlich bereichern, aber definitiv auch Kosten und Komplexität erhöhen, ist der Experte überzeugt: "Aus diesem Grund sollte sich eine umfassende API-Strategie nicht nur auf Anwendungen beschränken, die Daten austauschen. Daten von der Anwendung zu trennen, mit der sie erstellt und gespeichert werden, ermöglicht eine stärkere Kontrolle und bessere Governance."
2. Silos auflösen
Eine der größten Herausforderungen für Unternehmen sei die schiere Komplexität ihrer Data-Management-Landschaft, ergänzt McLellan. "Unabhängig davon, ob sie gekauft oder selbst entwickelt werden, ist es für Unternehmen heute typisch, Hunderte oder gar Tausende von Applikationen zu unterhalten, von denen jede Einzelne Daten speichert." Wenn noch eine Vielzahl von Legacy-Datenbanken, ein Cluster aus Data Lakes und Warehouses und viele betriebliche Spreadsheets hinzukämen, summiere sich das schnell.
Viele anwendungsbasierte Silos in den Unternehmen tauschten auch Kopien ihrer Daten über Punkt-zu-Punkt-Datenintegration aus. Das würden viele CIOs als "Innovationssteuer" betrachten, die Projekte zunehmend hemmt: "Durch den taktischen Einsatz von APIs lässt sich eine Strategie zur Auflösung vieler dieser Silos etablieren," so McLellan. Das funktioniere durch die Kombination mit sichereren und kollaborativeren Umgebungen wie Data-Fabric- und Dataware-Plattformen, die Informationen unternehemnsweit verfügbar machen. "Sobald diese angeschlossen und abgesichert sind, kann die Stilllegung alter Silos evaluiert werden," sagt er.
Das Marktforschungsunternehmen Gartner hat die Kategorie "Data Fabric" kürzlich auf seine Liste der wichtigsten strategischen Technologietrends für 2022 gesetzt. Nicht ohne Grund, wie McLellan unterstreicht: "Einer der Gründe dafür ist, dass Data Fabrics APIs nutzen können, um Daten aus Altsystemen, Datenspeichern und Tools für künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen miteinander zu verbinden und sie durch Datenkollaboration zu mischen, zu erweitern und zu aktualisieren." Die daraus resultierenden "aktualisierten" Datensätze könnten für neue Analysen, Webanwendungen und Automatisierungen verwendet werden. Das gelinge ohne eine herkömmliche Punkt-zu-Punkt-Integration und könne potenziell Zeit und Geld sparen.
3. Kollaborative Innovation unterstützen
Da der Zugang zu Daten für die Problemlösung immer wichtiger werde, würden Geschäftsanwender immer neue Wege finden, um außerhalb der Grenzen von Data-Governance- und Cybersicherheitsrichtlinien auf Unternehmensdaten zuzugreifen und diese zu nutzen. McLellan: "CIOs sollten nicht reagieren, indem sie unterdrücken, sondern indem sie einen stärker föderierten Ansatz für Innovationen ermöglichen." Schnittstellen seien wichtig, um kollaborative Umgebungen wie Data Fabrics zu schaffen. Dort könnten alle, an echten, operativen Daten arbeiten, um Datensätze und Datenmodelle zu erstellen. Diese leißen sich wiederum dazu verwenden, um neue Lösungen, Dashboards und Automatisierungen schneller bereitzustellen.
Eine API könne jedoch nur dann zur Lösung eines Problems beitragen, wenn die Benutzer wissen, dass die Lösung existiert, meint Berater Hanawait: "Schnittstellen auffindbar zu machen, zum Beispiel über einen Katalog oder ein Entwicklerportal, hilft, doppelte Arbeit innerhalb einer Organisation zu vermeiden und Lösungen an externe Parteien zu vermarkten." Um erfolgreich zu sein, müssten Unternehmen auch die Ressourcen für API-Kunden bereitstellen, idealerweise über Self-Service-Formate, wie der Berater argumentiert: "Dokumentationen und Anleitungen für den Einstieg helfen den Entwicklern, zu verstehen, wie die API funktioniert."
4. 'Reuse'-Mindset schaffen
Nach Meinung von Al Liubinskas, Vice President und Cloud Integration Practice Lead beim Beratungsunternehmen Capgemini Americas, sollten Unternehmen bei der Entwicklung einer API-Strategie eine Denkweise und Methodik zur Wiederverwendung von Objekten entwickeln: "Das ist entscheidend, um die Time-to-Market zu optimieren und die Bereitstellungskosten der für das Unternehmen erforderlichen Dienste zu senken."
Das untermauert der Chef-Berater mit einem Beispiel aus dem Kundenkreis von Capgemini. Als die in der Gastronomie tätigen Kunden während der Pandemie schnell verschiedene Lieferservice-Anbieter einsetzen mussten, um auf die Veränderungen am Markt zu reagieren, habe es erheblich dazu beigetragen, die Geschäftsziele zu unterstützen, Objekte wiederzuverwenden: "Bei der Integration von Restaurant-Fulfillment-Services war für unsere Kunden die Wiederverwendung von APIs von entscheidender Bedeutung, um verschiedene Anbieteroptionen an Bord zu nehmen," so Liubinskas. Durch die Wiederverwendung auf mehreren Ebenen sei Capgemini in der Lage gewesen, ausführbare APIs, Quellcodeschnipsel, API-Designmuster und Integrationsmuster zu recyclen. Unternehmen sollten sich laut dem Analysten auf die Wiederverwendung von bereits vorhandenem Code konzentrieren. Das verbessere letztendlich die Effizienz und senke die Kosten.
Pitney Bowes, ein Anbieter von Post- und Versand-Equipment, setzt auf "Framework-Style Coding". Sie speichern wiederverwendbare Proxy-Ressourcen in den Quellcode-Repositories des Unternehmens, die bei allen Entwicklungsarbeiten wiederverwendet werden können. James Fairweather, Executive Vice President und Chief Innovation Officer des Unternehmens, ist von den Vorteilen überzeugt: "Auf diese Weise können häufig wiederverwendete Proxy-Code-Komponenten einmal geschrieben und an einer Stelle gepflegt werden - und alle Teams profitieren von gut durchdachten, wiederverwendbaren Funktionen."
5. Blick nach Außen
APIs sind nicht nur dazu da, um alle Arten von Back-Office-Geschäftsprozessen zu unterstützen. Sie können auch externe Services ermöglichen, die einen Mehrwert für das Unternehmen darstellen oder das Kundenerlebnis verbessern.
Ein weiteres Ziel der API-Entwicklungsstrategie von Pitney Bowes besteht beispielsweise darin, neue Services zu etablieren, die nach außen gerichtet sind. Kunden und Partner sollen sie in ihre eigenen Anwendungen und Systeme integrieren können. Fairweather: "Die Metadaten über die Nutzung von APIs können eine interessante Quelle sein, um Maßnahmen zu ergreifen, Probleme vorherzusehen oder zu beheben." Die Nutzungsmuster einer Schnittstelle und die Daten, auf die zugegriffen wird, würden Möglichkeiten bieten, die Customer Experience zu optimieren. Wenn eine API beispielsweise häufiger als üblich aufgerufen werde, um ein bestimmtes Paket zu verfolgen, könnte dies ein Hinweis darauf sein, dass das Paket für den Empfänger von hohem Wert ist, sich verspätet oder sogar verloren gegangen ist. "Wir können dann schnell Maßnahmen ergreifen, um das Paket zu lokalisieren und mit dem Kunden zu kommunizieren," resümiert der IT-Chef. (jd/fm)
Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation CIO.com.