Projekt "expedition d" der Baden-Württemberg-Stiftung

40 Tonner transportiert Digitalisierung in die Schule

05.11.2020
Von 
Uwe Küll ist freier Journalist in München.
Expedition d will Schüler:innen für eine berufliche Ausbildung oder ein Studium im MINT-Bereich begeistern. Der Erlebnis-Lern-Truck und die Webseite www.expedition.digital machen Problemlösung mit digitalen Technologien begreifbar.
Spielerisch lernen – dieses Konzept kommt bei den jugendlichen Teilnehmern an der expedition d der Baden-Württemberg Stiftung an. Dort erstellen sie ihr eigenes Kommunikationsprotokoll zum Bau eines Turms an der Multimediawand im Erlebnis-Lern-Truck.
Spielerisch lernen – dieses Konzept kommt bei den jugendlichen Teilnehmern an der expedition d der Baden-Württemberg Stiftung an. Dort erstellen sie ihr eigenes Kommunikationsprotokoll zum Bau eines Turms an der Multimediawand im Erlebnis-Lern-Truck.
Foto: Baden-Württemberg-Stiftung

Die Digitalisierung bringt massive Veränderungen der Arbeitswelt. Homeoffice, durch Covid-19 zur neuen Normalität geworden, ist nur ein kleiner Teil davon. Roboter, digitale Assistenzsysteme und künstliche Intelligenz verändern Tätigkeiten in Laboren, Produktionshallen, auf Baustellen und in Dienstleistungsbetrieben aller Art. Entsprechend gefragt sind zukünftig Berufe aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT), die den digitalen Wandel vorantreiben und begleiten.

Dazu zählen Ingenieure, Informatikerinnen, Technikspezialisten. Vom Software-Entwickler über Data Scientists bis zum Chief Digital Officer reicht die Palette der Karriere-Chancen. Daneben werden völlig neue Berufsbilder wie das der Maschinenethikerin entstehen. Doch die aktuelle "International Computer and Information Literacy Study" (ICILS) zeigt: Deutsche Schüler bewegen sich nur im Mittelfeld, wenn es um digitale Kompetenz geht. Im erstmals getesteten Bereich "Computational Thinking" - der Fähigkeit zum digitalen Problemlösen - wird nicht einmal der internationale Mittelwert erreicht.

40 Tonnen Digitalisierungswissen: Der Erlebnis-Lern-Truck "expedition d".
40 Tonnen Digitalisierungswissen: Der Erlebnis-Lern-Truck "expedition d".
Foto: Baden-Württemberg-Stiftung

Um das zu ändern, hat die Baden-Württemberg Stiftung in ihrer Digitalisierungsstrategie mit dem Erlebnis-Lern-Truck "expedition d" als mobilem außerschulischem Lernort ein Leuchtturmprojekt an die baden-württembergischen Schulen gebracht. Dort lernen Schülerinnen und Schüler auf spielerische Weise den digitalen Wandel selbstbestimmt mitzugestalten und verantwortungsvoll mit den Risiken umzugehen. Mirt dieser Initiative bewarb sich die Baden-Württemberg Stiftung um den DIGITAL LEADER AWARD in der Kategorie SOCIETY und konnte sich Platz 2 des Jahrgangs 2020 sichern.

Studie belegt Handlungsbedarf

Mit der Umsetzung der Initiative beauftragte die Baden-Württemberg Stiftung den Agenturpartner Flad & Flad. Ein Steuerkreis von Vertretern aus Schule, Hochschule & Unternehmen begleitete die Konzeptphase in enger Abstimmung mit den Partnern Südwestmetall und Bundesagentur für Arbeit Regionaldirektion BW. Zunächst wurden Schüler und Lehrkräfte zur Selbsteinschätzung von digitalen Kompetenzen und Fitness für die digitale Berufswelt befragt. Der dabei deutlich gewordene große Handlungsbedarf wurde von der aktuellen ICILS-Studie bestätigt.

Julia Kovar-Mühlhausen nahm die Urkunde für den zweiten Platz entgegen.
Julia Kovar-Mühlhausen nahm die Urkunde für den zweiten Platz entgegen.
Foto: Baden-Württemberg-Stiftung

Technologien kennenlernen, auswählen und einsetzen

Auf Basis der Ergebnisse entstand in mehreren Arbeitsschritten das dreiteilige methodisch-didaktische Konzept der expedition d:

  1. Technologien erkunden

  2. DigiTour: Fragen beantworten

  3. DigiPoster: Innovation und Funktion der Technologien beschreiben

Im "Raum der Technologien" lernen die Schüler verschiedene digitale Schlüsseltechnologien kennen. Jede Technologiestation hält eine spielerische Aufgabe bereit sowie alle notwendigen Infos für die Beantwortung der Fragen der "DigiTour". Danach ist digitales Problemlösen gefragt. Die Aufgabe: eine digitale Innovation erstellen, etwa einen digitalen Arbeitsassistenten. Gezielt identifizieren die Schüler die benötigten Technologien und dokumentieren ihr Ergebnis in einem "DigiPoster". In Workshops stärken sie Kompetenzen wie Kreativität, Innovationsvermögen oder Chancen- und Risikoabwägung. Die Jugendlichen arbeiten dabei stets mit modernsten digitalen Medien wie Tablets und einer Multitouch-Wall.

Anfassen erlaubt

Im "Raum der Technologien" präsentiert der Lern-Truck digitale Schlüsseltechnologien in Form von rein digitalen Exponaten an einer fünf Meter langen Multitouch-Wall sowie haptischen Exponaten mit digitaler Informationsebene: Kollaborative Robotik, Computer Vision und 3D-Druck sind ebenso erfahrbar wie Augmented Reality, Künstliche Intelligenz, Sensorik oder Virtual Reality. Außerdem beinhaltet das Informationsangebot Stationen zu Blockchain, Programmierung, Datenbanken, Kommunikationsprotokolle, Verschlüsselungstechnologien und Internet der Dinge.

Jede Station bietet Informationen zu Funktion und Einsatz der Technologie, zur beruflichen Relevanz sowie Anleitung und Tutorial zur Aufgabe. Die konkrete Aufgabe steht jeweils in einem spielerischen Kontext, wie etwa die Überführung eines Juwelendiebs durch Abfragen an eine Datenbank. Während der Veranstaltung arbeiten die Schüler:innen in Kleingruppen mit Tablets und einer speziellen Software. Das Tablet zeigt ihnen zunächst ihre individuelle "DigiMap" an, die sechs mögliche Technologien vorgibt, aus denen sie drei auswählen.

Auch online ist das interaktive Innenleben des Lern-Truck erfahrbar. In einem 360-Grad-Rundgang unter www.expedition.digital
Auch online ist das interaktive Innenleben des Lern-Truck erfahrbar. In einem 360-Grad-Rundgang unter www.expedition.digital
Foto: Baden-Württemberg-Stiftung

Diese Vorgabe ist aus methodischer Sicht sinnvoll, um eine Struktur anzubieten. Nachdem die Aufgabe erledigt ist, folgt jeweils ein Schritt auf der "DigiTour": Via Tablet werden Fragen zum Technologieverständnis, zur Gestaltungskompetenz eines MINT-Berufs und zur Relevanz digitaler Anwendungskompetenz für alle Berufe gestellt. Abschließend arbeitet jede Gruppe ein DigiPoster aus, das die gemeinsam entwickelte Innovation und Funktion der Technologien beschreibt. Der gesamte Content steht in drei Niveaustufen zur Verfügung, denn expedition d richtet sich an alle Schularten ab Klassenstufe 7.

Zur Vor- und Nachbereitung sowie allen, die den Truck nicht besuchen können, bietet die Webseite www.expedition.digital einen 360°-Rundgang. Die Bremer Agentur Kubikfoto hat dafür eine digitale Interaktionsplattform geschaffen. Young Professionals zeigen in kurzen Porträts, wie die Digitalisierung ihre Berufe verändert hat. Der Truck und sein Innenleben können realitätsnah erkundet werden. Die Website verbindet erlebnisorientiertes und multimediales Lernen mit VR- und 360°-Kameratechnik.

Weitgehend ausgebucht

Den Erfolg von expedition d als ein Baustein des Programms COACHING4FUTURE, das mit unterschiedlichen Angeboten Schulen bei der Gestaltung und Umsetzung der beruflichen Orientierung unterstützt, belegen Zahlen und Fakten: Über 90 Prozent der besuchten Schulen senden eine erneute Buchungsanfrage. Pro Jahr erreicht die Initiative laut Plan 12.000 Schülerinnen und Schüler.

Derzeit müssen aufgrund der Pandemie die Schulbesuche mit dem Lern-Truck entfallen, doch auch die kurzfristig entwickelten zusätzlichen Online-Workshops sind weitgehend ausgebucht. Viele Schulen äußerten bereits den Wunsch, expedition d zum festen Bestandteil ihres Berufsorientierungsangebots zu machen. Lehrkräfte loben vor allem den hohen Praxisbezug sowie die Hands-on-Technologiestationen. Und die Schülerinnen und Schüler zeigen durch ihre rege Beteiligung: Die Digitalisierung kann kommen.