Keine Technologie hat Unternehmen mehr geholfen, die Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie zu mildern, als die Public Cloud. Unternehmen nutzen sie unter anderem, um eine neue Employee- und Customer Experience zu erzeugen. Die Cloud ist zur De-facto-Transformationsplattform für Unternehmen geworden, die Business-Agilität, digitale Produkte und Datenstrategien vorantreibt, um mit den Marktveränderungen Schritt zu halten.
"Unternehmen beschleunigen ihre Zeitpläne für digitale Initiativen und wollen möglichst schnell in die Cloud, um ihre Arbeitsumgebungen zu modernisieren, die Systemzuverlässigkeit zu verbessern, hybride Arbeitsmodelle zu unterstützen und andere neue Herausforderungen zu meistern, die sich aus der Pandemie ergeben", erklärt Gartner-Analyst Brandon Medford. Der Mehrwert der Technologie spiegelt sich in den Investitionen der IT-Abteilungen wider, denn die weltweiten Ausgaben für Public-Cloud-Dienstleistungen sollen laut Gartner bis zum Jahr 2022 um 21,7 Prozent auf 482 Milliarden Dollar ansteigen.
Wir haben mit IT-Führungskräften und Cloud-Experten über ihre Erfahrungen, Erkenntnisse und Lessons Learned in Sachen Public Cloud gesprochen.
Digitale DIY-Motivation
Die US-Baumarktkette The Home Depot setzt seit 2015 auf Google Cloud Software. Zu dieser Zeit betrachteten die meisten CIOs die Public Cloud als eine Art "Experimentierraum", um zu erkunden, was sie mit der Technologie erreichen können. Im Jahr 2017 startete die Baumarktkette die Migration seiner SAP-Anwendungen einschließlich S/4 Hana für das zentrale Finanzwesen, die Kassensysteme und den E-Commerce in die Google Cloud. Dabei legte das Unternehmen Wert auf "Regaltransparenz": Mit Hilfe von Predictive Inventory Management sei es The Home Depot laut Carrie Tharp, Vice President of Retail and Consumer Business bei Google Cloud, gelungen, die Anzahl der Fälle, in denen Produkte in einer seiner 2.300 Filialen nicht verfügbar waren, deutlich zu reduzieren. Im Jahr 2021 weiteten die beiden Unternehmen ihre Cloud-Partnerschaft aus. Die Baumarktkette nimmt auch an Testprogrammen für neue Produkte teil.
The Home Depot nutzt Google Cloud, um seinen Kunden dabei zu helfen, Produkte im Geschäft oder online zu kaufen. Die Fähigkeit der Google Cloud, mit der Nachfrage zu skalieren, hat sich dabei im Pandemiejahr 2020 als besonders nützlich erwiesen: Das Unternehmen konnte bei den digitalen Verkäufen um 86 Prozent wachsen und führte verschiedene neue Dienstleistungen ein. Darunter auch ein Service, mit dem Kunden Baumaschinen und Werkzeug online oder per mobile App anmieten und im nächstgelegenen Store abholen können. Darüber hinaus nutzt The Home Depot Machine Learning und die BigQuery-Datenbank der Google Cloud. Damit erhält das Unternehmen Echtzeiteinblicke in die Sortimentsplanung und die Logistik, um die Lieferkette zu optimieren. Die KI-Tools der Google Cloud unterstützen unter anderem die Sprach-Suchfunktion der mobilen App des Unternehmens.
Tharps Ratschlag: Um in der Cloud erfolgreich zu sein, müsse man klein anfangen und die spezifischen Unternehmensziele verstehen, die man mit der Cloud erreichen wolle: "Das erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen CIO und Stakeholdern, um die Innovationsagenda für die Cloud und Technologien wie KI und ML zu verstehen und so die Transformation des Unternehmens voranzutreiben und Wettbewerbsvorteile zu sichern."
Pharma-Modernisierung
Damit die Verbraucher Arzneimittel bequemer beziehen können, transformiert das Pharmaunternehmen Gilead Sciences sein Business mit Hilfe der Cloud mehrfach. Laut Gilead-CIO Marc Berson bildet eine über drei Jahre laufende ERP-Überholung einen Eckpfeiler der Initiative. In diesem Rahmen seien diverse Finanzfunktionen von einem veralteten Oracle-System auf SAP S/4 Hana migriert worden, das auf Amazon Web Services (AWS) läuft. "Mit der Umstellung wollen wir unsere Bilanzen schneller erstellen und einen besseren Einblick in die finanzielle Performance erhalten", so Berson.
Die ERP-Umstellung ergänzt Gileads "Project North Star" - eine Initiative, die darauf abzielt, die Produkte des Unternehmens von jedem Gerät aus beziehen zu können. "Das sollte so digital und nahtlos wie möglich ablaufen", beschreibt der CIO das Ziel für das Kundenerlebnis.
Bersons Ratschlag: Die Umstellung von einem lokalen System auf die Cloud werde noch schwieriger, wenn man zu einem neuen Anbieter und einer neuen Codebasis wechsle, da verschiedene Kompetenzen erforderlich seien: "Stellen Sie also sicher, dass Change Management von Anfang an mit einem Schwerpunkt auf Prozessstandardisierung implementiert wird." Gilead habe für jede seiner großen Transformationsinitiativen eigene interne Change-Management-Teams eingesetzt und die Wasserfallmethode zugunsten von Six Sigma und Lean über Bord geworfen. Diese Abkehr habe Bersons Team einige Überzeugungsarbeit abverlangt: "Weil die Veränderungen für uns so umfassend sind, verdoppeln wir unsere Bemühungen in Sachen organisatorisches Change Management."
Mitarbeiterförderung per Cloud
Cloud-Migrationen weisen laut CIO Patrick Dineen beim Marktforschungs- und Medienunternehmen Nielsen eine "eigene Dynamik" auf. Das Unternehmen bemühte sich, sein Geschäft mit Konsumgütern während der Pandemie abzuspalten.
Mit den Partnern Deloitte und TCS trennte Nielsen sieben globale Rechenzentren und klonte SAP-Instanzen bei der Migration auf S/4 Hana in der Cloud. Dabei stützte sich der CIO auch auf SaaS-Anwendungen wie Google Workspace, Slack, ServiceNow, SuccessFactors und andere Tools für Remote-Zusammenarbeit und -Kommunikation der Mitarbeiter. Wie stark die Cloud solche Projekte erleichtet, hat auch Dineens Ansicht darüber verändert, wie viel qualitativ hochwertige Arbeit mit einer weltweit verteilten Belegschaft möglich ist: "Zu Beginn der Pandemie hatten wir uns bereits gut positioniert", sagt er.
- Klar definieren, wer jetzt was zu tun hat
Mit dem Change geraten Zuständigkeiten und Rollen ins Fließen. Von Tag Eins an muss jeder Mitarbeiter wissen, was er jetzt im Moment zu tun hat. Bis sich das ändert und eine neue Ansage kommt. - Die Aufgaben nur skizzieren
Wer seine Mitarbeiter mitgestalten lässt, erreicht mehr. Deshalb ist es ratsam, eine grobe Skizze des Veränderungsprojektes zu zeichnen und das Team Vorschläge zur Ausarbeitung machen zu lassen, als einen schon komplett ausgereiften Plan zu präsentieren. - Die Team-Perspektive einnehmen
Wie betrifft der Change die Team-Mitglieder, was bedeutet die Initiative aus ihrer Sicht – wer diese Perspektive einnimmt, hat die Mitarbeiter auf seiner Seite. - Erfahrungen teilen
Erfahrungen teilen: Soweit möglich, sollten Mitarbeiter an konkreten Aktivitäten wie etwa Besuchen beim Kunden teilnehmen. Je näher sie den Change miterleben, umso besser. - Fragen zulassen
Fragen, die aus dem Team kommen, dürfen nie als Widerstand gelten. Ganz im Gegenteil. Ein Chef, der Fragen zulässt und sie beantwortet, kann schneller Teilverantwortungen an die Mitarbeiter übertragen. - Die Wirtschaftlichkeit darstellen
Neben viel Kommunikation mit dem Team geht es auch darum, Metriken und Kennzahlen für das Veränderungsprojekt zu entwickeln und diese deutlich zu machen. - Wissen, wo der Fokus ist
Innerhalb eines Changes ist viel Kleinteiliges zu klären und zu organisieren. Der Fokus darf darüber nicht vergessen werden. Regelmäßige Treffen müssen sich immer wieder auf diesen Fokus beziehen, eindeutige Metriken müssen deutlich machen, wo das Team gerade steht. - Teilziele updaten
Nicht jeder Meilenstein wird so zu erreichen sein wie ursprünglich geplant. Es ist daher wichtig, gemeinsam mit dem Team Teilziele regelmäßig auf den aktuellen Stand zu bringen. - Sich abstimmen
Gemeinsame Kalender für das Veränderungsprojekt und gemeinsam entwickelte Guidelines, die die Prioritäten festlegen: Das sind gute Wege, um die Arbeit der einzelnen Team-Mitglieder immer wieder aufeinander abzustimmen. - Commitment organisieren
Wer übernimmt die Verantwortung wofür und wie regelt das Team, dass diese Verantwortlichkeiten auch konkret ausgeführt werden? Solche Fragen sind gemeinsam zu klären. Die einzelnen Mitarbeiter müssen wissen, welchen Teil sie übernehmen, und sie müssen konkret formulieren können, was sie dafür von ihrem Chef brauchen. - Den Change in seine Geschichte einbinden
Das Team muss wissen, an welche früheren Punkte im Unternehmen der jetzige Change anknüpft und welche zukünftige Richtung sich damit abzeichnet.
Dineens Ratschlag: "Sie müssen die Mitarbeiter, die an Ihrer Umsatzstrategie beteiligt sind, fördern und unterstützen - unabhängig davon, ob sie im Finanzwesen, in der Personalabteilung, im Vertrieb oder in einem anderen Geschäftsbereich tätig sind. Wenn die Person, die an der Kasse steht, nicht die richtigen Entscheidungen trifft, bleibt der Erfolg aus", so der CIO. Darüber hinaus empfiehlt der Manager, die richtigen Wissensarbeiter um sich zu versammeln, die auf allen Ebenen eines Projekts liefern können. Tauchten anschließend Fragen zu Updates oder Migrationen auf, ließen sich die Experten zielführend einbeziehen: "In Sachen furchtbare Fragen bin ich der Führende in der Rangliste", gibt Dineen unumwunden zu.
Versicherungs-Innovation
Das US-Versicherungsunternehmen Nationwide migriert insgesamt mehr als 850 Anwendungen - etwa ein Drittel seines Gesamtportfolios - auf AWS. Wie Guru Vasudeva, CTO beim Versicherer, berichtet, gehören dazu Systeme für Schadensfälle, persönliche und gewerbliche Versicherungspolicen sowie die Website. Das Unternehmen nimmt auch an der "AWS Enterprise Next"-Initiative teil. Dabei handelt es sich um ein 15-monatiges Programm, bei dem der Cloud-Anbieter technische Experten mit den IT-Teams der Kunden zusammenbringt, um sie bei Cloud-Transformationen und -Innovationen zu unterstützen.
"Es ist ein fantastischer Prozess, um Innovationen voranzutreiben", meint der CTO und fügt hinzu, dass die im Rahmen von Enterprise Next gewonnenen Erkenntnisse zur Cloud-Migration auf die meisten geschäftlichen Herausforderungen von Nationwide angewendbar seien. Die Partnerschaft mit AWS hat Nationwide auch dabei geholfen, Dutzende von Anwendungen in der Cloud zu entwickeln. Darunter ist eine Beratungsplattform für Kleinunternehmen, die den AWS-Dienst für maschinelles Lernen (Textract) nutzt, um Daten aus gescannten Formularen und Dokumenten zu extrahieren und so den Underwriting-Prozess zu automatisieren. Darüber hinaus kommen Machine Learning (ML) Sevrices von AWS zum Einsatz, um KMU-Kunden in wenigen Minuten personalisierte Versicherungspolicen zu empfehlen. Geschwindigkeit sei in einer Zeit, in der viele kleine und mittlere Unternehmen mit den Auswirkungen der Pandemie zu kämpfen haben, entscheidend.
Vasudevas Ratschlag: "Nicht alle Anwendungen sind für die Migration zu Cloud-Software geeignet." Mit Hilfe einer Analyse der Kosten für den AWS-Betrieb habe Nationwide ermittelt, welche Anwendungen sich am besten für auf den Cloud-Betrieb eignen. Eine Anwendung für das Schadenmanagement hätte demnach in der Cloud 20 Prozent mehr gekostet als On-Premises, wenn die IT-Abteilung die Applikation nicht zunächst für den Betrieb in AWS optimiert hätte, so der CTO. "Durch die Reduzierung der für den Betrieb der Anwendung verwendeten Ressourcen konnten wir die Kosten für den Betrieb in AWS um 45 Prozent senken." (fm)
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer US-Schwesterpublikation CIO.com.