Pilotprojekt zur Vier-Tage-Woche

32-Stunden-Woche für britische Arbeitnehmer

09.06.2022
Von 
Matthew Finnegan lebt in Großbritannien und schreibt für unsere US-Schwesterpublikation Computerworld zu den Thema Collaboration und Enterprise IT.
In Großbritannien hat das bislang größte Pilotprojekt zur Einführung einer Vier-Tage-Woche begonnen.
Mehr als 3.000 Arbeitnehmer in Großbritannien kommen im Rahmen eines Pilotprojekts in den Genuss einer Vier-Tage-Woche.
Mehr als 3.000 Arbeitnehmer in Großbritannien kommen im Rahmen eines Pilotprojekts in den Genuss einer Vier-Tage-Woche.
Foto: alwie99d - shutterstock.com

70 britische Unternehmen haben sich im Rahmen des bisher größten Pilotprojekts in diesem Bereich zu einer Vier-Tage-Woche verpflichtet. Das Pilotprojekt betrifft 3.300 Beschäftigte aus Firmen verschiedener Größen und Branchen - vom Autoteilehändler über eine Marketingagentur und ein Animationsstudio bis hin zum Fish-and-Chips-Shop.

Die Lehren der 'Great Resignation'?

Das Pilotprojekt sieht eine Vier-Tage-Woche ohne Lohnkürzung vor, basiert also auf dem "100-80-100" Prinzip: 100 Prozent Lohn für 80 Prozent der Arbeitszeit und einer erwarteten Produktivität von 100 Prozent.

Joe O Connor, CEO von 4 Day Week Global, der gemeinnützigen Organisation hinter dem Pilotprojekt, ist überzeugt: "Während wir die Pandemie allmählich hinter uns lassen, erkennen immer mehr Unternehmen, dass eine bessere Lebensqualität und reduzierte Arbeitszeiten für die Mitarbeiter einen Wettbewerbsvorteil verschaffen können. Die Auswirkungen der 'Great Resignation' beweisen, dass Arbeitnehmer aus den verschiedensten Branchen bessere Ergebnisse erzielen können, wenn sie kürzer und intelligenter arbeiten."

Der sechsmonatige Vier-Tage-Woche-Versuch wird von 4 Day Week Global in Zusammenarbeit mit dem Think Tank Autonomy und Forschern der Universitäten Cambridge, Boston und Oxford koordiniert. Ähnliche Pilotprojekte wurden unter anderem bereits in den USA, Kanada, Australien und Neuseeland gestartet.

Die Befürworter einer Vier-Tage- beziehungsweise 32-Stunden-Woche versprechen sich eine Reihe von Vorteilen für Arbeitnehmer - insbesondere weniger Stress und mehr Wohlbefinden. Doch auch für Arbeitgeber stehen potenzielle Vorteile im Raum: Eine Studie der Henley Business School kommt zu dem Ergebnis, dass Unternehmen (im Vereinigten Königreich), die eine Vier-Tage-Woche einführen, die Zahl der Krankheitstage verringern, die Personalfluktuation senken und ihre Produktivität steigern können.

Vier-Tage-Woche kontra Mainstream

Solche Pilotprojekte könnten dazu beitragen, einige der realen Herausforderungen aufzudecken, mit denen Unternehmen bei Einführung einer Vier-Tage-Woche konfrontiert sind, meint Rita Fontinha, außerordentliche Professorin für strategisches Personalmanagement an der Henley Business School: "Wir müssen genauer verstehen, wo die Einsparungen und Kosten liegen und welche Management-Prozesse hinter der Einführung einer Vier-Tage-Woche stehen - daher ist dieses Pilotprojekt von entscheidender Bedeutung. Es wird dazu beitragen, diese Fragen zu beantworten, bevor eine solche Maßnahme auf breiter Front ausgerollt wird."

Die Vier-Tage-Woche wird schon seit Jahrzehnten diskutiert, ohne dass es zu nennenswerten Fortschritten gekommen wäre. In den letzten Jahren ist das Interesse jedoch wieder gestiegen - auch dank Pilotprojekten in namhaften Unternehmen wie Microsoft, Unilever und Kickstarter. Einige Organisationen, wie der britische Wellcome Trust, stießen bei ihrem Versuch eine Vier-Tage-Woche umzusetzen, im Jahr 2019 auf Komplexitätsprobleme.

Von breiter Akzeptanz ist die Idee der Vier-Tage-Woche noch weit entfernt. Im März 2022 stellte das Jobportal Indeed fest, dass weniger als ein Prozent der Stellenausschreibungen den Begriff "Vier-Tage-Woche" enthielten. Eine Umfrage der Marktforscher von Gartner aus dem April 2022 kommt zum Ergebnis, dass lediglich sechs Prozent der Unternehmen ihren Mitarbeitern derzeit eine Vier-Tage-Woche anbieten. (fm)

Dieser Beitrag basiert auf einem Artikel unserer US-Schwesterpublikation Computerworld.