Wunderwaffen-Rhetorik ist geradezu kennzeichnend für IT-Hypes wie Agile Development. Leider trüben auch diesmal Spielverderber die Euphorie, nämlich die Gartner-Analysten Andy Kyte, David Norton und Nathan Wilson. "Agile Development ist keine Wunderwaffe", schreibt das Trio in einer aktuellen Studie ins Stammbuch der CIOs. "Und es ist keineswegs die einzige Softwareentwicklungs-Methode, die man in Zukunft braucht."
Einsteiger sollten sich auf einen Ansatz konzentrieren
Schlecht gemacht schaffe die agile Entwicklung sogar mehr Probleme als sie löse. Gut umgesetzt könne Agile Development indes ein wesentlicher Bestandteil im Methodenarsenal des CIOs sein, der mit dem wachsenden Business-Bedarf nach Applikations-Funktionen und Innovation klar kommen will. Zehn Dinge muss der IT-Chef nach Ansicht der Analysten über Agile Development wissen.
1. "Agil" meint nicht immer das Gleiche: Die agilen Methoden teilen zwar eine gleiche Philosophie, aber unterscheiden sich scharf in den Details der Implementierung. Zu den gebräuchlichsten Ansätzen zählen Scrum und Kanban sowie Lean & Extreme Programming. Nützlich seien sie durch die Bank, so Gartner. Aber sie lösten jeweils verschiedene Arten von Problemen. Erfahrene Anwender könnten gut mehrere dieser Ansätze gleichzeitig verwenden. "Aber jeder Firma, die mit Agile Development gerade erst anfängt, ist gut beraten, erst einmal nur einen Ansatz zu wählen und zu meistern, bevor andere ausprobiert werden", so Gartner.
2. Rosinenpicken klappt nicht: Alle agilen Methoden sind laut Gartner in hohem Maße systematisch. Das bedeutet, dass jedes Element der Methode erfolgskritisch ist. Deshalb funktioniert es nicht, einzelne Teile intensiv zu verfolgen und andere beiseite zu lassen.
3. Ohne Schulterschluss zwischen Business und IT geht es nicht: Die Vorteile lassen sich nur umfassend realisieren, wenn Business-Entscheider und die User-Community mit auf den Weg genommen werden. Außerdem vertragen sich agile Methoden schlecht mit klassischen Herangehensweisen wie Steuerungskomitees und umfangreichen Dokumentationen von Business Cases. Den Hunger auf neuartiges Arbeiten sollte es also auch auf Business-Seite geben.
4. Erst gehen, dann rennen: Die agile Reise beginnt laut Gartner in unspektakulären Gefilden. Kompetenz und Vertrauen für größere Aufgaben müssten erst einmal entwickelt werden. Es dauere üblicherweise Jahre der Skill-Entwicklung, bis größere Software-Projekte gestemmt werden können.
5. Die Lernphase hört nie auf: Agile Methoden erfordern mehr als kurze Schulungen einer Gruppe von Mitarbeitern. "Agile Praktiker verpflichten sich zu kontinuierlichen Verbesserungen der Qualität und der Kosteneffektivität", so Gartner. "Das bedeutet, dass jede Entwicklung auf Lektionen hin analysiert wird, die für eine Verbesserung der Regelungen und Arbeitsweisen gelernt werden können." Dieser stetige Lernprozess beschränke sich auch nicht auf die Programmierer, die direkt mit der Softwareentwicklung betraut sind. Es gehe ebenso um Projektmanagement, Architekturen, Qualitätssicherung und IT-Budget-Management.
6. Teambuilding mit Augenmaß: Agile Entwicklung ist eine Angelegenheit kleiner Teams. Richtschnur: sieben Leute, plus oder minus zwei. In der Personalführung gilt es dabei einen Spagat zu bewältigen: Produktive Teams sollten einerseits zusammenbleiben; andererseits ist der Wechsel einzelner Mitglieder nötig, um Ideen im Unternehmen zu verbreiten. Um das ideal zu bewerkstelligen, ist ein gutes Gespür wichtig. Gartner weist auch darauf hin, dass bei agilen Methoden der physische Ort der Teams besonders wichtig ist. "Die richtigen Leute am falschen Platz zu haben, wird nicht zu optimalen Resultaten führen", heißt es in der Studie.
- Prüfen von Anforderungen in agilen Projekten
Ohne die Priorisierung der Anforderungen des IT-Projekts drohen hohe Folgekosten in einzelnen Sprintphasen. - Verzögerungen durch exportierte Probleme
Neben dem Totalausfall eines Sprints gehören Verzögerungen zur Tagesordnung. Diese entstehen etwa bei unklar definierten Anforderungen, die eventuell im falschen Detaillierungsgrad vorliegen oder durch Überlastung des Product Owners verspätet priorisiert werden. - Zeitverluste durch fehlende Aufgabenzuordnung
Zunächst lassen sich nicht ausreichend gut definierte Anforderungen durch ohnehin erforderliche Routinearbeiten wie der Spezifikation technischer Anforderungen kompensieren. Später droht dagegen der Totalverlust ganzer Sprints. - Anforderungen treffen ungesteuert auf das Projektteam
Bei agilem Projektmanagement stehen viele Unternehmen noch immer auf der Bremse. Der Grund: Viele Projektverantwortliche müssen zusätzlich zu den Projektanforderungen weiterhin Aufgaben im Tagesgeschäft übernehmen. - Anforderungen laufen beim Product-Owner-Team zusammen
In einem Projektteam aus typischerweise sechs bis acht Mitarbeitern laufen alle Fäden beim Product Owner zusammen. Das Product-Owner-Team besteht aus maximal drei Personen. Der Product Owner managed alle an das Team herangetragenen Anforderungen. Das gilt sowohl vonseiten der Auftraggeber als auch der beteiligten Fach- und IT-Abteilungen sowie der Revision. Viele Unternehmen machen dabei den Fehler, Product Owner nicht ausreichend vom Tagesgeschäft freizuhalten.
7. Kernkonzept "Technologische Schulden": Die technologische Schuld bezeichnet den Unterschied zwischen dem Ist-Zustand einer Software und dem benötigten Zustand. Agile Methoden setzen laut Gartner voraus, dass man sich diese Bringschuld bewusst macht und nichts unter den Teppich kehrt. Es ist demnach nicht schlimm, einen technologischen Rückstand zu haben; sehr wohl schadet es aber, ihn zu leugnen und nicht am Aufholen zu arbeiten.
YouTube-Videos alleine reichen nicht
8. Outsourcing hat seine Grenzen: Service Provider können beim Agile Development durchaus eine Rolle spielen, so Gartner. Aber auf andere Weise, als es viele Anwender gewohnt seien. Für agile Methoden ist des demnach zwingend nötig, an einem Ort mit den Business-Nutzern zu sein. Das setze dem Offshoring von Arbeitsleistung eine Grenze.
9. Weitreichende Einflüsse: Zentraler Baustein agiler Methoden ist "continous delivery". Das heißt, dass mit Managern und Usern aus den Fachbereichen kontinuierlich zusammengearbeitet wird. Zugleich wird das Arbeitsumfeld beständig mit neuer und modifizierter Software unterfüttert. "Das verlangt signifikanten Veränderungen der Arbeitspraktiken sowohl für Business Governance und Relationship Management als auch für die Infrastruktur-Teams und die operativen Teams.
10. Andere Methoden werden nicht überflüssig: Gartner warnt davor, alles auf die agile Karte zu setzen. Die agile Herangehensweise sei besser geeignet als andere Methoden, um bestimmte Probleme zu lösen. Anderen Problemen nähert man sich auch in Zukunft besser auf konventionellen Wegen.
In jedem Fall empfiehlt es sich nach Ansicht der Analysten, klein anzufangen mit der agilen Entwicklung und schrittweise an der Aufgabe zu wachsen. Die Anwender sollten ferner in die besten verfügbaren Schulungsmethoden investieren. "Wer Agile Development auf Basis von YouTube-Videos lernen will, wird wahrscheinlich keine zufriedenstellenden Resultate erreichen."