Gartners Glaskugel

Diese IT-Markttrends müssen Sie kennen

18.10.2022
Von Redaktion Computerwoche
Zum Auftakt ihres IT Symposiums/Xpo in den USA haben die Analysten von Gartner die aus ihrer Sicht wichtigsten Technologietrends veröffentlicht, mit denen sich Unternehmen beschäftigen sollten.
Den Hypecycle der "Emerging Technologies 2022" hatten die Analysten von Gartner bereits im August herausgebracht.
Den Hypecycle der "Emerging Technologies 2022" hatten die Analysten von Gartner bereits im August herausgebracht.
Foto: Gartner

Jedes Jahr, wenn die Blätter fallen, lädt Gartner CIOs und IT-Entscheider aus aller Welt zu seinen IT-Symposien ein. Den Auftakt machte am Montag, 17. Oktober 2022, die US-Veranstaltung in Orlando, Florida. Auch in Europa wird das IT Symposium/Xpo wieder stattfinden: Losgehen soll's am 7. November in Barcelona.

Frances Karamouzis, Distinguished VP Analyst bei Gartner, ging in ihrer Keynote zunächst auf die schwierige konjunkturelle Lage vieler Unternehmen ein und sagte: "Um die finanzielle Position ihres Unternehmens zu verbessern, sollten CIOs und IT-Führungskräfte nicht nur über Kosteneinsparungen nachdenken, sondern auch die operative Exzellenz des Unternehmens verbessern und gleichzeitig die digitale Transformation weiter vorantreiben."

Wie in jedem Jahr stellten die Marktauguren ihre zehn wichtigsten strategischen Technologietrends vor, die sich vor allem um die Themen Pionierleistung, Optimierung und Skalierung drehten. Viele Themen würden künftig durch neue Vorschriften in den Bereichen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) beeinflusst, es gebe eine "gemeinsame Verantwortung für den Einsatz nachhaltiger Technologien", so Karamouzis. Ihr Kollege David Groombridge ergänzte: "Jede Technologieinvestition muss auf ihren Umwelteinfluss hin abgewogen werden." Er gab das Ziel aus: "Sustainable by Default".

Die zehn wichtigsten strategischen Technologietrends für 2023 sind laut Gartner:

1. Nachhaltigkeit

Der Umweltgedanke ziehe sich wie ein roter Faden durch alle strategischen Technologietrends, so die Analysten. Sie verwiesen auf eine eigene Umfrage unter CEOs, der zufolge sich in deren Topprioritäten "ökologische und soziale Veränderungen" gleich hinter Profitabilität und Umsatz einreihen. Führungskräfte müssten mehr in innovative Lösungen investieren, um den ESG-Anforderungen nachzukommen und ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.

Gartner geht davon aus, dass Unternehmen eine Art Sustainable Technology Framework brauchen werden. Damit könne es gelingen, die Energie- und Materialeffizienz der IT-Services selbst zu erhöhen und das eigene Unternehmen beim Erreichen seiner Nachhaltigkeitsziele technisch zu unterstützen. Analytics und KI seien die richtigen Technologien dazu, auch Lösungen für die Rückverfolgung von Gütern oder eigens für ESG entwickelte Softwarelösungen.

Nur den Megatrend Nachhaltigkeit ordnet Gartner nicht den drei Bereichen Optimierung, Skalierung und Pionierleistung zu.
Nur den Megatrend Nachhaltigkeit ordnet Gartner nicht den drei Bereichen Optimierung, Skalierung und Pionierleistung zu.
Foto: Gartner

2. Metaverse

Gartner definiert ein Metaverse als "gemeinsam genutzten virtuellen 3D-Raum, der durch die Konvergenz der virtuell erweiterten physischen und der digitalen Realität entsteht". Ein Metaverse sei persistent und biete immersive Erfahrungen. Gartner geht davon aus, dass Metaverses geräteunabhängig zugänglich sind und nicht von einem einzigen Anbieter kontrolliert sein werden.

"Metaverses werden eigene virtuelle Ökonomien aufbieten, in denen digitale Währungen und Non-fungible Tokens (NFTs) eine Schlüsselrolle spielen." Gartner prognostiziert, dass bis 2027 über 40 Prozent der großen Unternehmen weltweit eine Kombination aus Web3, AR-Cloud und digitalen Zwillingen in Metaverse-basierten Projekten einsetzen werden.

3. Super-Apps

Eine Super-App (Beispiele) vereint die Funktionen einer App, einer Plattform und eines Ökosystems in einer Anwendung. Sie bietet eigene Funktionen und öffnet sich gleichzeitig als Plattform für Dritte, die darauf ihre eigenen Mini-Apps entwickeln und anbieten können. Es gibt keinen separaten App-Store oder Marktplatz für Mini-Apps. Diese werden eher von den Nutzern in der Super-App entdeckt und aktiviert. Nach ihrer Verwendung können sie einfach wieder von der Benutzeroberfläche entfernt werden. Gartner prognostiziert, dass bis 2027 mehr als 50 Prozent der Weltbevölkerung tägliche Nutzer mehrerer Super-Apps sein werden.

Karamouzis sagte: "Obwohl es sich meistens um mobile Apps handelt, kann das Konzept auch auf Desktop-Client-Anwendungen wie Microsoft Teams und Slack angewendet werden." Das Besondere an diesen "Schweizer Taschenmessern unter den Apps" sei, dass Benutzerinnen und Benutzer damit viele andere Apps ersetzen und die Zahl ihrer genutzten Apps konsolidieren werden.

4. Adaptive KI

Adaptive KI-Systeme zielen darauf ab, Modelle kontinuierlich neu zu trainieren und innerhalb von Laufzeit- und Entwicklungsumgebungen auf der Grundlage stets aktualisierter Daten lernen zu lassen. So passen sich die Systeme besonders schnell an solche Veränderungen in der realen Welt an, die bei der ursprünglichen Entwicklung noch nicht vorhergesehen werden konnten. Adaptive KI nutzt ständig datenbasiertes Realtime-Feedback, um das eigene Lernen dynamisch zu verändern und die Ziele anzupassen. Die Technik eignet sich besonders, wenn sich Umgebungsparameter oder Unternehmensziele schnell und häufig ändern.

5. Digitales Immunsystem

Zu den Trends, die eher auf die Optimierung des IT-Betriebs oder die Stärkung der Resilienz einzahlen, gehört Gartners "digitales Immunsystem". Die Analysten schreiben, 76 Prozent der für digitale Produkte zuständigen Teams stünden heute auch in einer direkten Umsatzverantwortung. Deshalb seien CIOs ständig auf der Suche nach neuen Ansätzen, mit denen diese Teams ihren geschäftlichen Wertbeitrag erhöhen, Risiken senken und die Kundenzufriedenheit maximieren könnten. Ein digitales Immunsystem biete dafür einen Fahrplan.

Laut Gartner kombiniert digitale Immunität viele Technologieansätze, darunter datengestützte Einblicke in den Betrieb, automatisierte Tests und Störungsbehebungen, Software-Engineering innerhalb des IT-Betriebs sowie Sicherheit in der Anwendungs-Supply-Chain. Es gehe darum, die Widerstandsfähigkeit und Stabilität von Systemen zu erhöhen. Die Marktforscher prognostizieren, dass Unternehmen, die in den Aufbau digitaler Immunität investieren, bis 2025 die Ausfallzeiten ihrer Systeme um bis zu 80 Prozent reduzieren könnten. Das werde sich direkt in besseren Geschäftszahlen niederschlagen.

6. Applied Observability

Gartner umschreibt mit diesem Trend das "Data-driven Enterprise" neu. "Beobachtbare Daten spiegeln die digitalisierten Artefakte wider", so die Analysten. Das gelte etwa für Log- und Prozessdaten, API-Aufrufe, gemessene Verweildauer, Downloads und Dateiübertragungen - für nahezu alles also, was passiert, wenn ein Stakeholder irgendeine digitale Aktion vornimmt. Applied Observability nutze diese Datenfülle in einem orchestrierten, integrierten Ansatz, um die Entscheidungsfindung im Unternehmen zu verbessern und zu beschleunigen.

"Applied Observability versetzt Unternehmen in die Lage, ihre Datenartefakte als Wettbewerbsvorteil zu nutzen", sagt Karamouzis. Sie erlaube datengestützt richtiges und schnelles Handeln auf der Grundlage von Aktionen der Stakeholder, nicht aufgrund von Absichten. "Wenn sie strategisch geplant und erfolgreich ausgeführt wird, ist Applied Observability die mächtigste Quelle für datengesteuerte Entscheidungsfindung", so die Analystin.

Frances Karamouzis, Distinguished VP Analyst bei Gartner, präsentierte die strategischen Technologietrends 2023.
Frances Karamouzis, Distinguished VP Analyst bei Gartner, präsentierte die strategischen Technologietrends 2023.
Foto: Gartner

7. Vertrauens-, Risiko- und Sicherheitsmanagement für KI

Viele Unternehmen beherrschen ihre KI-Risiken nicht besonders gut. Eine Umfrage in den USA, Großbritannien und Deutschland ergab laut Gartner, dass bereits 41 Prozent der Unternehmen von einer Datenschutzverletzung oder einem Sicherheitsvorfall durch KI betroffen waren. Dieselbe Umfrage habe aber auch gezeigt, dass Unternehmen, die KI-Risiken, Datenschutz und Sicherheit aktiv managen, bessere Ergebnisse bei ihren KI-Projekten erzielen. In solchen Fällen gingen deutlich mehr KI-Projekte vom Proof-of-Concept- in den Produktivstatus über. Sie lieferten einen höheren Geschäftsbeitrag als vergleichbare Vorhaben in Unternehmen, die Trust, Risk und Security Management (TRiSM) vernachlässigten.

Gartner rät den Unternehmen daher, Funktionen zu implementieren, mit denen sich die Zuverlässigkeit, Vertrauenswürdigkeit, Sicherheit und der Datenschutz von Modellen gewährleisten lässt. Dafür sei es erforderlich, dass in KI-Projekten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus verschiedenen Geschäftsbereichen kooperierten, um neue Maßnahmen umzusetzen.

8. Branchenspezifische Cloud-Plattformen

Cloud-Plattformen mit Branchenfärbung bieten laut Gartner eine Kombination aus Software, Platform und Infrastructure as a Service (SaaS, PaaS, IaaS), um Geschäftsanwendungen und Softwareentwicklung gemäß den Anforderungen vertikaler Märkte einzurichten. Unternehmen könnten auf diesen Branchen-Cloud-Plattformen gebündelte Funktionen als Bausteine abrufen und darauf durchaus einzigartige Geschäftsinitiativen mit Differenzierungspotenzial starten.

Vorteile zeigten sich in Form von mehr Agilität, mehr Innovation und kürzeren Markteinführungszeiten. Gartner prognostiziert, dass bis 2027 mehr als die Hälfte der Unternehmen branchenspezifische Cloud-Plattformen nutzen werden, um ihre Geschäftsinitiativen zu beschleunigen.

9. Platform Engineering

Darunter verstehen die Marktauguren den Aufbau und Betrieb interner Self-Service-Entwicklerplattformen für die Softwarebereitstellung und das Lifecycle-Management. Ziel des Plattform-Engineerings sei es, eine positive Developer Experience zu schaffen und die Produktteams dabei zu unterstützen, schneller Werte für die Kunden zu schaffen. Gartner prognostiziert, dass 80 Prozent der Software entwickelnden Unternehmen bis 2026 Plattformteams einrichten werden. Drei von vier dieser Teams werden demnach Self-Service-Portale für Entwickler bereitstellen.

10. Wireless-Vielfalt

Weil keine der Drahtlos-Technologien dominiere, werden Unternehmen laut Gartner ein breites Spektrum an Lösungen nutzen, um alles abzudecken: WLAN im Büro, Dienste für mobile Geräte, Low-Power-Services und auch Funkverbindungen. Gartner prognostiziert, dass bis 2025 rund 60 Prozent der Betriebe fünf oder mehr drahtlose Technologien gleichzeitig nutzen werden.

Da die Netzwerke über reine Connectivity hinaus neue Möglichkeiten bieten werden, dürften sie beispielsweise mithilfe integrierter Analysefunktionen neue Einblicke gewähren. Stromsparende Systeme werden laut Gartner ihre Energie direkt aus dem Netzwerk gewinnen. Das Netzwerk entwickle sich damit zu einer Quelle direkter geschäftlicher Wertschöpfung. (hv)