Die 1&1 Internet AG feiert in diesem Jahr ihr 25-jähriges Bestehen. Das Unternehmen ist unter dem Konzerndach von United Internet AG börsennotiert. Es stellt Privatpersonen, Gewerbetreibenden und Freiberuflern vielfältige Online-Anwendungen zur Verfügung. Sämtliche Produkte werden in den hauseigenen Hochleistungs-Rechenzentren betrieben.
In Deutschland ist 1&1 in IT-Kreisen dafür bekannt, früh und weitreichend Open-Source-Software eingesetzt zu haben. Dazu hat bereits seit 1997 die Datenbank MySQL gehört; 1&1 ist hierzulande inzwischen einer ihrer größten Anwender. Doch ausgerechnet für diesen Kernbestandteil der IT-Infrastruktur ist die Zukunft ungewiss.
Zuerst waren für 1&1 die vom MySQL-Besitzer Oracle geforderten Preise und Rahmenbedingungen für die Produktpflege Anlass, sich dem alternativen Support-Anbieter SkySQL zuzuwenden. Weitere Verunsicherung schuf Oracle dann mit der neuen MySQL-Version 5.6: Sie ist nicht mehr komplett Open Source, sondern setzt für einige neue Features teure Lizenzen voraus. Das hat bei 1&1 Zweifel an der Open-Source-Zukunft von MySQL insgesamt aufkommen lassen. Die IT-Spezialisten des Internet-Providers bereiten sich nun darauf vor, ihre Datenbank wechseln zu müssen.
Die Gründe für die Affinität
Dass Open-Source-Technologie bei 1&1 so verbreitet ist, hängt maßgeblich mit dem Preisvorteil gegenüber lizenzpflichtiger proprietärer Software zusammen. Aber das ist nicht der einzige Grund, weshalb Open Source in der IT von 1&1 zum Einsatz kommt, wo immer es nur möglich ist.
Ebenso wichtig sind die im Markt weit verbreiteten Kenntnisse von Open-Source-Technologien, die es leichter machen, geeignete IT-Mitarbeiter zu finden. So zumindest sieht es Raymond Siebert, der seit sechs Jahren Senior-Datenbankadministrator im Bereich IT Operations Data Services ist - einem in Karlsruhe beheimateten hausinternen IT-Dienstleister von 1&1: "Das Open-Source-Wissen macht es uns möglich, auf Basis solcher Software schnell neue Produkte für das Unternehmen zu entwickeln und dadurch die IT kosteneffizienter zu betreiben." Bei solchen strategischen Überlegungen können Zweifel an der Open-Source-Zukunft eines Produkts seine künftige Nutzung in Frage stellen.
Ein gewaltiges Erbe
Bei 1&1 geht es hier allerdings um ein mächtiges Erbe, nämlich um rund 700 MySQL-Installationen mit zirka 3 Terabyte Gesamtvolumen. Darunter befinden sich neben dem Release 5.5 auch ältere Produktversionen wie 5.0 und 5.1, an denen die Kunden des hausinternen IT-Dienstleisters nun einmal festhalten.
Um diese Datenbanken kümmert sich Siebert mit einem Team von fünf Spezialisten, abgesichert durch Support-Verträge. Die waren kein Problem, bis Oracle Sun übernahm und - nun im Besitz von MySQL - an der Preisschraube drehte. Der Support durch Oracle hätte plötzlich Hunderttausende Dollar pro Jahr gekostet. Erschwerend kam hinzu, dass der Datenbankriese die Support-Lizenzkosten an die Zahl der Prozessoren koppelte.
"Beides zusammen resultierte in unserer Entscheidung gegen Oracle", erinnert sich Siebert. "Wir sind ein schnell wachsendes Unternehmen und können unsere weitere Entwicklung nicht von unkalkulierbaren Entscheidungen anderer Firmen einschränken lassen."
Siebert nahm 2011 Kontakt zu SkySQL auf. Noch im selben Jahr wurde ein von der Zahl der Server unabhängiger "Unlimited"- Support-Vertrag mit dem damals noch jungen Anbieter abgeschlossen. Bedenken hinsichtlich der Leistungsfähigkeit von SkySQL bestanden nicht, da etliche der dortigen Mitarbeiter aus MySQL-Zeiten bekannt waren. "Bisher war jeder Support-Fall bei SkySQL gut aufgehoben", lobt Siebert: "Er hat immer zu einem Ergebnis geführt, das uns weitergeholfen hat."
Verunsicherte Anwender
Es herrschte aber nicht lange Ruhe an der MySQL-Front: Nur ein Jahr später, also 2012, wurde bekannt, dass Oracle künftig die Datenbank nicht mehr am Stück als Open-Source-Software herausgeben, sondern bestimmte Features nur für Kunden mit teuren Lizenzen freigeben würde. Im Februar 2013 ist diese Situation mit der Freigabe von Version 5.6 dann eingetreten.
Dieser Zug von Oracle verunsichert etliche MySQL-Anwender, darunter auch die 1&1 AG, die sich bisher strikt an die Datenbank gebunden hatte. Einige der Neuerungen wären für den Internet-Provider durchaus interessant, vor allem "Thread Pools". Aber ihre Nutzung setzte eine teure und noch engere Bindung an Oracle voraus.
Alternative im Test
Die so entstandenen Irritationen um MySQL haben inzwischen dazu geführt, dass sich das Datenbankteam nach einer Alternative umschaut. Der Migrationsaufwand muss äußerst gering sein, und die Kunden dürfen in der Folge keinen Aufwand für Anpassungen ihrer datenbankbasierenden Anwendungen haben. Für Siebert ist die Situation alles andere als angenehm: "Wir müssen uns einfach auf alle Eventualitäten vorbereiten."
Im Fokus des Interesses steht nun vor allem die Open-Source-Datenbank MariaDB, die bei 1&1 derzeit in Testinstallationen erprobt wird. Deren Anbieter ist ebenfalls SkySQL. Und der verspricht nicht nur eine Drop-in-Kompatibilität seiner Datenbanksoftware zu MySQL. Vielmehr ist der einstige "Fork" (etwa: Abkömmling, Abspaltung) inzwischen seiner Muttersoftware in manchen Punkten voraus. Vor allem aber sollen alle Erweiterungen auch künftig Open Source sein und nicht zusätzlich kommerzialisiert werden.
Foundation schafft Sicherheit
"Der Open-Source-Aspekt ist für uns nicht weniger wichtig als Preise und Features", sagt Siebert. Deshalb war es für ihn erfreulich, dass SkySQL gemeinsam mit den Entwicklern der Datenbank, die unter Monty Program firmieren, und einigen weiteren Unternehmen Ende vergangenen Jahres die MariaDB Foundation gegründet hat.
Diese Stiftung könnte die Zusammenarbeit der verschiedenen Firmen deutlich verbessern, was wiederum in einer schnelleren technischen Entwicklung von MariaDB resultieren dürfte. Siebert: "Mindestens ebenso wichtig ist aber, dass auf der Basis einer Stiftung der Open-Source-Charakter der Datenbank gesichert wird." (qua)