Mobilfunk aus dem All

Satelliten-Internet vor Comeback

10.03.2020
Von 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Als Alternative zu DSL, Kabel oder LTE gibt es schon lange die Möglichkeit, den Internet-Zugang in unterversorgten Gebieten per Satellit herzustellen. Dank neuer Technologien erlebt das Satelliten-Internet seinen zweiten Frühling.

Kaum zu glauben, aber es gibt sie noch immer - die weißen Flecken auf der Landkarte, wo weder DSL, noch Kabelanschluss oder LTE verfügbar sind. Wer hier wohnt und auf das World Wide Web nicht verzichten will, ist auf Internet via Satellit angewiesen. Die Internet-Verbindung kommt dabei über einen geostationären Satelliten (GEO-Satelliten) zustande, der in knapp 36.000 Kilometern Höhe über dem Äquator um die Erde kreist.

Liegt die Zukunft der Kommunikation im All? Dutzende von Startups und Internet-Riesen wetten darauf und setzen auf Satelliten-Internet.
Liegt die Zukunft der Kommunikation im All? Dutzende von Startups und Internet-Riesen wetten darauf und setzen auf Satelliten-Internet.
Foto: Vadim Sadovski - shutterstock.com

Heutzutage sind 2-Wege-Satellitenverbindungen meist Standard. Das heißt, nicht nur der Empfang (Downstream), sondern auch der Versand (Upstream) von Daten findet über einen Satelliten statt. Je nach Tarif und Anbieter werden dabei Bandbreiten von bis zu 50 Mbit/s im Downstream und 6 Mbit/s im Upstream angeboten. Die Latenzzeit beträgt allerdings wegen der großen Entfernung mehrere hundert Millisekunden, die Anbieter werben nicht ohne Grund eher vage mit Übertragungszeiten "in einem Bruchteil einer Sekunde".

Was den Anwender beim Satelliten-Internet sonst noch so erwartet, haben wir bereits 2012 intensiv getestet. Geändert hat sich zwischenzeitlich primär die Menge der Anbieter, was sich positiv auf den Preis der verschiedenen Pakete auswirkt. Technisch bedingte Faktoren wie die hohe Latenzzeit sind hingegen nicht so einfach auszuhebeln.

LEO-Satelliten - Heilsbringer oder künftiger Weltraumschrott?

Eine Möglichkeit zur Verringerung der Latenzzeit in Sachen Satelliten-Internet bieten allerdings in nicht allzu ferner Zukunft Dienste, die auf LEO-Satelliten (Low Earth Orbit) basieren. Wie der Name bereits sagt, bewegen sich die Erdtrabanten in einer deutlich näheren Umlaufbahn (500 bis 2000 Kilometer). Dies hat nicht nur den Vorteil, dass die Satelliten leichter in den Orbit gebracht werden können, sie benötigen außerdem eine deutlich niedrigere Sendeleistung als GEO-Satelliten, gleichzeitig sinkt die Latenzzeit auf bis zu 20 Millisekunden.

Der Nachteil: Um eine stabile Umlaufbahn zu halten, müssen die LEO-Satelliten mit einer Geschwindigkeit von rund 27.000 km/h um die Erde kreisen, ein Umlauf dauert etwa 90 bis 120 Minuten. Da jeder Satellit nur für kurze Zeit in Kontakt mit dem Transmitter am Boden steht, werden entsprechend viele benötigt.

Aktuell liefern sich etliche Startups, die von Internet-Riesen wie Amazon, Apple, Rakuten, Softbank und Google unterstützt werden, mit etablierten (GEO-)Satellitenbetreibern wie Viasat, Eutelsat oder Imarsat einen Wettlauf beim Aufbau einer erdnahen Satellitenflotte. Weit vorne im Rennen sind SpaceX von Elon Musk sowie die von Virgin-Gründer Richard Branson und Airbus unterstützte OneWeb Satellites. Die beiden Unternehmen haben bereits Dutzende der etwa waschmaschinengroßen Satelliten ins Orbit geschickt - mehr als zehntausend sind geplant - und sollen bereits in den nächsten Jahren den Betrieb aufnehmen.

Der Preis ist heiß - trotz Initialkosten von mehreren Milliarden Dollar für den Aufbau eines weltumspannenden Dienstes. So schätzt etwa Musk, dass der Satelliten-Service Starlink jährlich 30 bis 50 Milliarden Dollar einbringt sobald er voll funktionsfähig ist. Damit soll sein Projekt zur Besiedelung des Mars finanziert werden. Das Potenzial des Satelliten-Internet ist enorm, denkt man nur an die rund vier Milliarden Menschen weltweit, die heute keinen Highspeed-Internet-Zugang haben. Daneben streben die Satellitenbetreiber an, ihre Dienste an Regierungen und gemeinnützige Organisationen zu verkaufen.

Satelliten-Internet - Neues Terrain für die "Flash Boys"

Der Umstand, dass sich Lichtsignale im Vakuum etwa 30 Prozent schneller fortbewegen als durch terrestrische Glasfaserkabel, macht die neuen Satelliten insbesondere für Händler an der Börse interessant. Die Firmen hatten zuvor schon Milliarden Dollar in Glasfaserleitungen versenkt, um im Hochfrequenzhandel (High Frequency Trading, HFT) schneller als der Wettbewerb zu sein.

Mit Starlink & Co. werden die Karten nun neu gemischt: So beträgt die Round Trip Time (RTT) für ein Signal über eine Standard-Glasfaserleitung zwischen New York und London in einem optimalen Szenario etwa 76 Millisekunden, während die Strecke in einem Satellitennetz wie Starlink in 50 Millisekunden absolviert werde, wie Mark Handley, Professor für vernetzte Systeme am University Collage in London, vorrechnet (PDF). Bei größeren Entfernungen, etwa zwischen London und Singapur, wächst die Differenz Handley zufolge sogar auf 43 Prozent, statt 159 Millisekunden beträgt die Round Trip Time nur 90 Millisekunden.

Auch Mobilfunkanbieter sehen in den neuen Satellitendiensten eine Möglichkeit, Lücken in der Netzabdeckung zu schließen. Primär soll die Satellitenverbindung dabei in Gegenden ohne Glasfaserleitungen zur Versorgung oder zumindest als Backhaul von Mobilfunk-Basisstationen dienen. Es gibt aber auch andere Pläne, wie der Mobilfunkriese Vodafone aufzeigt: Das Unternehmen ging kürzlich eine strategische Partnerschaft mit AST & Science ein und investierte gemeinsam mit Rakuten in das Projekt SpaceMobile.

Das von AST geplante LEO-Satellitennetz soll in der Lage sein, eine direkte Verbindung zu normalen Smartphones aufzubauen und sie zunächst mit LTE und später mit 5G-Diensten versorgen. Auch der nahtlose Übergang zu und von terrestrischen Mobilfunknetzen soll möglich sein. Wie das alles konkret funktionieren soll, verriet AST allerdings nicht, sondern verwies lediglich auf das riesige Portfolio an Patenten und geistigem Eigentum für seine Weltraum- und Bodentechnologien. Spezielle Satellitentelefone, wie sie etwa Iridium voraussetzt, werden laut AST auf jeden Fall nicht benötigt.

Eine direkte mobile Verbindung ins All ist aktuell nur mit speziellen Satellitentelefonen möglich. Firmen wie AST oder Lynk wollen das ändern.
Eine direkte mobile Verbindung ins All ist aktuell nur mit speziellen Satellitentelefonen möglich. Firmen wie AST oder Lynk wollen das ändern.
Foto: Lynk

Lynk Global verfolgt ähnliche Pläne. Das 2016 gegründete US-Startup verspricht, mit seiner patentierten Technologie die Reichweite einer Mobilfunkverbindung von aktuell rund 35 Kilometer auf 500 Kilometer zu erhöhen. Damit könnte ein Telefonsignal ohne Unterbrechung des Mobilfunkprotokolls einen erdnahen Satelliten von Lynk erreichen. Bereits 2021 sollen Nutzer dank 24 bis 36 Satelliten im All stündlich mit einer Abdeckung zwischen 55 Grad nördlicher und südlicher Breite rechnen können. Bis 2023 verspricht Lynk dank mehreren tausend Satelliten eine kontinuierliche Abdeckung weltweit.

Internet of Things per Satellit

Der Run auf erdnahe Satellitennetze bedeutet jedoch nicht, dass bald kein Bedarf an GEO-Satelliten mehr besteht. So haben Unternehmen wie Skylo oder Ligado Networks Lösungen entwickelt, mit deren Hilfe auch Devices auf dem Meer oder in abgelegenen Regionen der Erde, wo es keine terrestrische Infrastruktur gibt, via Satellit mit Narrowband IoT (NB IoT) versorgt werden können.

Wie in der Satelliten-Branche scheinbar üblich, sind auch hier allgemein zugängliche Informationen über die verwendete Technik spärlich gesät. Skylo gibt lediglich an, dass die bidirektionale Verbindung über sogenannte Skylo Hubs erfolgt. Dabei soll es sich um 20 mal 20 Zentimeter große Kästchen handeln, die beispielsweise auf Fischerbooten, in Eisenbahnwaggons und anderen Maschinen installiert werden können. Die Boxen sind mit einem integrierten Satelliten-Empfänger, einer digital gesteuerten Flachpanelantenne und einem IoT-Hub zur Anbindung der Sensoren ausgestattet. Das Setup der Hubs sowie die Konfiguration und der Zugriff auf die Daten soll über die Skylo Data Platform möglich sein.

Presseberichten zufolge will das Unternehmen bereits im Sommer 2020 mit dem Dienst live gehen. Mit Preisen ab einem Dollar monatlich je Hub und Hardwarekosten von unter 100 Dollar soll der Service dabei deutlich günstiger als bestehende Satellitenlösungen sein. Erster Kunde ist die indische Eisenbahn. Indian Railways will die Hubs von Skylo auf seinen Waggons installieren und das NB-IoT-Netzwerk von Skylo nutzen.

Beim Wettbewerber Ligado Networks, der mit seinen Lösungen den nordamerikanischen Raum adressiert, heißt es, man arbeite mit branchenführenden Partnern zusammen, um die Standard-IoT-Protokolle von LTE-M und NB-IoT für die Nutzung über Satellit anzupassen. Ziel sei es, die Satellitentechnologie nahtlos in die 5G-IoT-Netzwerke von morgen zu integrieren. Zum Einsatz soll dabei der SkyTerra 1-Satellit von Ligado kommen, der sich bereits seit 2010 in einer geostationären Umlaufbahn befindet und - bislang - herkömmliches Internet via Satellit bereitstellt.

Ein anderer Akteur in dem Bereich NB-IoT via Satellit ist OQ Technology aus Luxemburg. Das Startup nutzt dazu 30 x 20 x 10 Zentimeter große und 10 Kilogramm schwere Nanosatelliten, die in 500 Kilometern Entfernung um die Erde kreisen. Statt proprietärer Lösungen setzt das Unternehmen dabei auf offene Standards. So plant das Standardisierungsgremium 3GGP Satellitenkomponenen in Form von Non-Terrestral Networks (NTN) in das Release 17 des 5G-Standards einzubeziehen.