Der Markt für IT-Dienstleister

In Deutschland herrschen eigene Gesetze

24.09.2004
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Joachim Hackmann ist Principal Consultant bei PAC – a teknowlogy Group company in München. Vorher war er viele Jahre lang als leitender Redakteur und Chefreporter bei der COMPUTERWOCHE tätig.
Der deutsche IT-Servicemarkt ist geprägt von einheimischen Anbietern. Neben den Marktführern T-Systems und Siemens Business Services (SBS) tummeln sich darin viele kleine SAP-Systemhäuser sowie die ausgegründeten IT-Abteilungen von Konzernen, die so genannten IT GmbHs.

Die weltweit führenden IT-Dienstleister tun sich schwer in Deutschland. Anbieter wie EDS, Computer Sciences Corp. (CSC), Capgemini und Hewlett-Packard (HP) werden in einem der weltweit größten Absatzmärkte ihrem Anspruch nicht gerecht. Sie alle spielen in Deutschland nicht die Rolle, die sie sich im weltweiten Wettbewerb erkämpfen konnten. "Die nichtdeutschen Anbieter haben manche Eigenheit des deutschen Marktes nie verstanden", analysiert kurz und bündig Peter Dück, Vice President bei Gartner. "Die US-amerikanische Vertriebsvorstellung vom Megadeal greift in deutschen Großunternehmen nur selten. Die deutsche Mittelstandskultur schlägt sich nicht nur in den vielen kleineren Unternehmen nieder. Auch die Großunternehmen, mit Ausnahmen vielleicht der Banken und Versicherungen, gliedern sich häufig in dezentrale Geschäftseinheiten, die beim Sourcing von IT-Dienstleistungen eigenständige Strategien verfolgen. Damit sind sie keine Zielkunden

für Megadeals, sondern treten quasi als gehobene Mittelständler in Erscheinung", schildert Dück.

IT GmbHs im Drittmarkt erfolglos

Platzhirsche in Deutschland sind mit T-Systems und Siemens Business Services (SBS) zwei einheimische Anbieter, die mit ihrem großen Vertriebs- und Betriebspersonal und dem Apparat der Mutterkonzerne Deutsche Telekom und Siemens im Rücken deutliche Vor-Ort-Präsenz zeigen. Von den bedeutenden internationalen IT-Dienstleistern konnte sich hier nur IBM erfolgreich durchsetzen und in die Phalanx von IT-Ausgründungen deutscher Konzerne vorstoßen. In keinem anderen Land weltweit wurden derart eifrig interne Dienstleister in IT GmbHs ausgelagert, die neben dem eigenen Konzern auch externe Kunden mit IT-Leistungen versorgen wollten. Der Entwicklung eines ausgeprägten IT-Servicemarktes war diese deutsche Eigenheit nicht immer zuträglich.

Nur wenige IT GmbHs haben sich ein bedeutendes Drittmarktgeschäft verschaffen können. Das gilt unter anderem für die Fiducia, die als IT-Dienstleister der Volks- und Raiffeisenbanken den Sprung in Gartners Top-Ten-Liste schaffte, bislang jedoch kaum Kunden außerhalb des genossenschaftlichen Finanzverbundes gewinnen konnte. "Ab einem Umsatzanteil von 40 Prozent, der außerhalb des Konzerns erzielt wurde, sprechen wir von einem maßgeblichen Drittmarktgeschäft", sagt Dück. Legt man diesen Bewertungsmaßstab zugrunde, waren bislang nur T-Systems und SBS erfolgreich. Anbieter mit respektabler Marktpräsenz wie Lufthansa Systems und BASF IT Services gewinnen durchaus externe Kunden, allerdings im weit geringeren Maße, als von Gartner gefordert.

Wenngleich das Gros der IT-Töchter deutscher Konzerne im Kampf um Kunden keine bedeutende Rolle spielt, sind sie den freien IT-Dienstleistern in Dorn im Auge. Sie pflegen gute Kontakte zu ihren Kunden in den Fachabteilungen der Muttergesellschaften und erfahren frühzeitig von anstehenden Projekten. Vielfach sind die internen Betriebsdienstleister durch Last-Call-Optionen und einen Kontrahierungszwang, der die Fachabteilung dazu verpflichtet, IT-Leistungen nur beim internen Provider zu bestellen, vor externem Wettbewerb geschützt.

Nicht zuletzt dieser selbst auferlegte Protektionismus hat bewirkt, dass sich Outsourcing-Anbieter in Deutschland bislang schwerer taten als in den angelsächsischen Ländern. Die Barrieren weichen jedoch auf. Große Outsourcing-Abkommen häufen sich, und viele IT GmbHs wurden bereits an IT-Dienstleister verkauft. So veräußerte Thyssenkrupp die IT-Tochter Triaton an HP, Rheinmetall übergab seine Ausgründung an IBM. Die Drägerwerke erteilten Capgemini den Zuschlag für drei interne IT-Töchter, und die Zeda GmbH von Vorwerk wechselte unter das Dach von T-Systems.

Ausländische Anbieter haben die Eigenheit des deutschen Marktes nie verstanden

Zum Verkauf stehen RAG Informatik, und der Karstadt-Quelle-Konzern hat Teile seiner IT vom eigenen Provider, Itellium, an den IT-Dienstleister Atos Origin ausgelagert. Zumindest im Outsourcing-Markt ist der Konsolidierungsprozess also im vollen Gange. Anbieter und Anwender erhoffen sich von der Bündelung ihrer Ressourcen Kosteneinsparungen. Im Bereich der Betriebsdienstleistungen ist Größe wichtig, weil sich Skaleneffekte erzielen lassen, indem Rechenzentren, Call-Center oder Netze zusammengelegt werden. Auf derartige Einspareffekte können Dienstleister, die Beratungsleistungen auf Honorarbasis an ihrer Kunden verkaufen, nicht hoffen. Hohe Kapazität im Bereich der Consulting-Anbieter ist dagegen nicht zwangsläufig vorteilhaft. Daher wundert es nicht, dass acht der von Gartner gekürten zehn größten deutschen

IT-Dienstleister bedeutende Outsourcing-Anbieter sind. Ausnahmen bilden nur SAP und Accenture.

An der Rolle der SAP im Servicemarkt erhitzen sich immer wieder die Gemüter. Gebetsmühlenartig betonen die Verantwortlichen aus Walldorf zwar, dass man sich als Softwareanbieter und nicht als Beratungs- und Systemintegrationshaus positioniere. Den Beteuerungen zum Trotz übernahmen die Walldorfer kürzlich den IT-Dienstleister SAP SI vollständig.

SAP war in Deutschland schon etabliert, bevor es andere Länder buchstabieren konnten.

Unterm Strich wächst das Servicegeschäft der SAP kontinuierlich, während SAP-Partner wie Syskoplan, Novasoft, Realtech und Itelligence seit Jahren unter Einnahmenschwund leiden. Allerdings gibt es in Deutschland auch einen besonders ausgeprägten SAP-Servicemarkt. "Das Ökosystem der SAP hat sich in Deutschland schon herausgebildet, als andere Länder SAP noch nicht buchstabieren konnten", spöttelt Dück. Trotz der mittlerweile drei Jahre andauernden Flaute ist eine Marktbereinigung bislang kaum zu erkennen. Übernahmen wie die von Avinci durch Unilog, Novasoft durch Ciber und Axentiv durch Softlab blieben Ausnahmeerscheiungen.

Das liegt daran, dass es in einem Markt, der an einem Überangebot an SAP-Beratern krankt, keinen Sinn hat, Servicehäuser mit einer Vielzahl von unterbeschäftigten Mitarbeitern zu übernehmen. Für die projektabhängigen IT-Dienstleister heißt das Gebot des flauen Geschäfts stattdessen: klein, aber fein. Die Spezialisierung auf gefragte Themen wie Business Intelligence und Compliances verspricht auch kleinen Häusern ein gutes Auskommen.

Das gilt jedoch nicht für die Großen der Branche, sie müssen als Generalisten auftreten. IT-Beratungs- und -Systemintegrationsanbieter wie Accenture, SAP, Capgemini und Bearingpoint werden sich dem Trend stellen müssen, der die Anwender zunehmend zur Auslagerung ganzer Geschäftsprozesse bewegt. Je häufiger die Enterprise-Resource-Planning-(ERP-)Applikationen konfigurierbare, aber letztlich standardisierte Geschäftsabläufe abbilden, desto geringer ist die Differenzierung, die Unternehmen auf Anwendungsebene erzielen können. Mit abnehmender Bedeutung der ERP-Lösungen sinkt aber auch die Bereitschaft, insbesondere die Back-Office-Funktionen selbst zu betreiben. "Ich sehen Anbieter von Applikationsservices immer häufiger in der Rolle, gleich ganze Geschäftsprozesse zu übernehmen", meint Dück.

Geschäftsprozess-Outsourcing legt zu

Accenture hat diesen Trend früh erkannt und konsequent darauf reagiert. Der US-amerikanische Dienstleister ergänzt sein traditionelles Branchen-Know-how und seine Erfahrung in der Prozessberatung mit dem Angebot, komplette Geschäftsabläufe der Kunden zu übernehmen und zu betreiben. Schon ziehen die anderen Anbieter nach. IBM kann mit der Übernahme der Berater von Pricewaterhouse Coopers Outsourcing-Erfahrung mit Prozess- und Branchen-Know-how verknüpfen. Seit geraumer Zeit bemühen sich auch Capgemini und Bearingpoint um Outsourcing-Aufträge. Die Aktivitäten der deutschen Marktführer T-Systems und SBS fallen dagegen noch dürftig aus. SBS eröffnet demnächst eine eigens auf das BPO-Thema eingerichtete Geschäftseinheit. Und die Telekom-Tochter bietet derzeit im nennenswerten Umfang lediglich

Geschäftsprozessdienste für die Telekom-Branche an. Ob beide mit diesem Engagement ihren Spitzenplatz in Deutschland behaupten können, ist fraglich. Die bislang dürftige Präsenz der internationalen Dienstleister in Deutschland bedeutet keinesfalls, dass man sie nicht beobachten sollte.

* Der Autor Joachim Hackmann ist Redakteur bei der Computerwoche. [jhackmann@computerwoche.de]