Chefs von Microsoft und Daimler im Dialog

Zetsche: „Wenn wir so weitermachen, sind wir erledigt“

27.02.2019
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Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Auf dem MWC19 in Barcelona tauschten die Chefs von Microsoft und Daimler in einer Keynote ihre Erfahrungen mit der Transformation ihrer Unternehmen aus. Zudem diskutierten sie über Partnerschaften und die Suche nach neuen Geschäftsmodellen.
Gipfeltreffen auf dem MWC: Dieter Zetsche und Satya Nadella beim "Fireside-Chat"
Gipfeltreffen auf dem MWC: Dieter Zetsche und Satya Nadella beim "Fireside-Chat"
Foto: GSMA

"Microsofts fundamentales Geschäftsmodell war einst in Gefahr, in der gleichen Situation sind wir heute bei Daimler. Wir können viel voneinander lernen", sagte der scheidende Daimler-Chef Dieter Zetsche bei einem Talk mit Microsoft-CEO Satya Nadella auf der Messe in Barcelona. Anders als Microsoft befinde sich die Automobilindustrie aber immer noch im Wandel, da Konnektivität, Autonomes Fahren, die Einführung elektrischer Antriebe und das Wachstum von Mobilitäts-Sharing-Plattformen das Automobilgeschäft neu definieren.

"Wir wissen, dass diese Branche in zehn Jahren völlig anders sein wird: Wir werden einige der gleichen Wettbewerber sehen, und wir werden eine Reihe völlig neuer Wettbewerber erleben. Wenn wir aber weiterhin das tun, was wir so gut gemacht haben, sind wir erledigt", so Zetsche.

"Es reicht nicht, besser als Audi oder BMW zu sein"

Dem Daimler-Chef zufolge ist es daher wichtig, Mitarbeiter vor komplett neue Herausforderungen zu stellen, denn "es reicht nicht mehr, besser als Audi oder BMW zu sein." Man brauche auch die Kunden und hierzu sei es nötig, den Rahmen zu erweitern, die Mitarbeiter zu sensibilisieren und mit dem Wandel zu beginnen, konkretisierte Zetsche die Herausforderungen. Sein Unternehmen habe dazu schon früh das Projekt Leadership 2020 aufgelegt, denn eine solche Veränderung müsse durch alle Ebenen gehen und "die besten Ideen funktionieren nicht top-down". "Gerade was das Beispiel Software angeht, sind wir in der Führungsetage die Dümmsten", so Zetsche.

Daimler-Chef Dieter Zetsche: "Die besten Ideen funktionieren nicht top-down."
Daimler-Chef Dieter Zetsche: "Die besten Ideen funktionieren nicht top-down."
Foto: GSMA

Den Wandel von Daimler zu einem reinen Softwareanbieter sieht Zetsche aber (noch) nicht kommen: "Solange wir nicht mit Code beamen können, benötigen wir noch eine physikalische Verpackung", so der 65-Jährige. Daimler werde aber Mitarbeiter zu Softwareentwickler ausbilden, denn "die Software, die wir benötigen, erhalten wir nicht von den Zulieferern".

Zusätzlich setze der schwäbische Autohersteller auch auf Open Source, so Zetsche: "Früher war das Wichtigste, die Entwicklungsabteilung so abzuriegeln, dass niemand etwas kopieren konnte. Wenn wir heute über diese Systeme sprechen, sind wir überzeugt, dass wir es mit Open Source machen müssen, denn wir brauchen die Fähigkeiten der gesamten Community", sagte der Daimler-Chef. "Und selbst, wenn wir damit Wettbewerber unterstützen, sind wir doch im Vorteil, denn wir haben einen Vorsprung."

Auf die Transformation angesprochen, die Microsoft in den letzten Jahren durchlaufen hat, als die Company ihr Geschäft neu aufstellte, sagte Nadella, dass "dabei unbedingt die Aufgabe und die Identität, die die Marke transportiert, bewahrt werden muss". Gleichzeitig müsse man aber in der Lage sein, den Status quo in Frage zu stellen. Der Kern jeder Transformation sollte darin liegen, den Bedarf der Kunden zu erkennen und sich danach auszurichten.

Microsoft-CEO Satya Nadella: "Technische Veränderungen sind einfach, der schwere Teil ist der Wechsel des Geschäftsmodells."
Microsoft-CEO Satya Nadella: "Technische Veränderungen sind einfach, der schwere Teil ist der Wechsel des Geschäftsmodells."
Foto: GSMA

Um im Unternehmen die ideale Umgebung für einen Wandel zu erhalten, müssten mehrere Faktoren zusammenspielen, so der Microsoft-Chef: Man benötigt neue Technologien wie Cloud oder AI-Algorithmen - plus die Kultur im Unternehmen, um den Bedarf an diesen Möglichkeiten erkennen. Bill Gates sei in dieser Hinsicht brillant gewesen, zog Nadella vor dem Firmengründer den Hut. Das Problem: Es habe 30 Menschen gegeben, die glaubten, sie seien ebenfalls ein Bill Gates.

"Der schwere Teil ist der Wechsel des Geschäftsmodells"

"Ich denke, technische Veränderungen sind einfach vorzunehmen", so der Microsoft-Chef, "der schwere Teil ist der Wechsel des Geschäftsmodells, diese herzzerreißende Erfahrung, wenn Du spürst, dass Dir langsam das Benzin ausgeht und Du etwas Neues erfinden musst, das nicht nur stark sein soll, sondern auch den Umsatzrückgang auffangen muss - das ist der Moment, wo Du wirklich Muskeln aufbaust."

Der Microsoft-Chef verwies hierzu etwa auf den Wechsel vom klassischen Office zu Office 365, der (zunächst) mit einen Übergang von sehr hohen zu sehr kleinen Umsätzen verbunden war. Letztendlich sei der Abo-Service aber gut angekommen und verkaufe sich auch gut in Märkten wie Indien und diversen Schwellenländern, wo man mit dem hochpreisigen Office nie landen habe können. Manchmal zahle es sich aus, wenn man den Markt anders betrachte und nicht nur an die kurzfristige Marge denke, so Nadella.

Eine äußerst schlechte Bilanz weist auch der Bereich Mobility Services auf, wo Daimler und BMW unlängst ihre Dienste bündelten und ankündigten, mehr als eine Milliarde in ein Joint-Venture zu investieren. Wie Zetsche erklärte, machten Mobility Services heute gerade mal 0,2 Prozent des Marktes aus und alle Marktteilnehmer würden Geld verlieren. Da jedoch prognostiziert wird, dass sich hier ein neuer vielversprechender Markt entwickelt, der bis 2030 25 Prozent ausmachen soll, habe man sich gesagt: Augen zu und durch.