Datenstrategie im Unternehmen

Wie Sie von Daten profitieren

23.12.2020
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Das Topmanagement vieler Unternehmen unterschätzt noch immer die Bedeutung der Firmendaten für Gesamtstrategie und Geschäftserfolg. Im Interview mit Datavard CEO Gregor Stöckler erfahren Sie warum - und wie Sie es besser machen.
Manager sollten sich darüber im Klaren sein, dass im Zeitalter der Digitalisierung eine agile Data Governance der Schlüssel für die Wertschöpfung aus Daten und den Unternehmenserfolg ist.
Manager sollten sich darüber im Klaren sein, dass im Zeitalter der Digitalisierung eine agile Data Governance der Schlüssel für die Wertschöpfung aus Daten und den Unternehmenserfolg ist.
Foto: PopTika - shutterstock.com

In vielen Betrieben ist sich die Unternehmensführung ihrer Verantwortung für das Thema Datenanalyse und Datenstrategie noch immer nicht richtig bewusst und behandelt es viel zu stiefmütterlich, kritisiert Gregor Stöckler, CEO und Mitgesellschafter der Datavard AG.

Im COMPUTERWOCHE-Interview erklärt der Manager unter anderem, wie eine sinnvolle Datenstrategie aussieht, wo die Stolpersteine auf dem Weg zu echtem Mehrwert liegen und welche Rolle die Unternehmenskultur dabei einnimmt.

"Agile Data Governance ist der Schlüssel"

Was heißt Datenstrategie, welche Bedeutung hat sie für ein Unternehmen und wer ist für sie verantwortlich?

Gregor Stöckler: Daten sind heute ein wichtiger Schlüsselfaktor sowohl für das Erreichen erfolgskritischer Unternehmensziele wie Prozesseffizienz, Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit als auch für Entscheidungsfindungen hinsichtlich der Unternehmensentwicklung. Sie haben als Rohstoff der digitalen Transformation das Potential, neben Arbeit, Boden und Kapital vierter Produktionsfaktor und für das Unternehmen zum Wettbewerbsvorteil zu werden. Neben dieser Chance sind Daten wie physische Vermögenswerte mit Anschaffungs- und Betriebskosten sowie Risiken verbunden. Um diese effektiv zu managen, müssen Betriebe eine Datenstrategie erarbeiten, die in die internen Prozesse, Richtlinien und Kultur eingebettet wird. Sie muss von den Unternehmenszielen abgeleitet und in die Unternehmensstrategie integriert werden. Ziel soll sein, die operativen und strategischen Ziele zu unterstützen. Die Zeit, in der Daten ein reines Technologie- und IT-Thema waren, ist längst vorbei.

Was muss von Beginn an berücksichtigt werden, damit Daten später sinnvoll verwertet werden können und sie der Unternehmensentwicklung Mehrwert bringen?

Stöckler: Die meisten Unternehmen schleppen einen mit organisatorischem und technischem Ballast gefüllten Rucksack mit sich herum, der es erschwert, aus Daten Mehrwert zu generieren. Dieser Ballast muss genau verstanden, ernst genommen und dem Impact entsprechend behandelt werden. Zudem schließen die derzeitigen Steuerungs- und Regelungssysteme, die auf die physischen Unternehmenswerte wie etwa Geld, Anlagen und Mitarbeiter angewendet werden, heute die Data Governance noch nicht ein. Das ist fatal, denn im Zeitalter der Digitalisierung ist eine agile Data Governance der Schlüssel für die Wertschöpfung aus Daten. Hierbei ist wichtig, ein ausbalanciertes Governance-System zu schaffen, dass sich dezentral an die Geschwindigkeit der Veränderung, die Datenmenge und Komplexität anpassen kann und dabei zentrale Standards vor allem für Ablage und Aufbewahrung, Datenschutz und -sicherheit nutzt.

Gregor Stöckler, CEO Datavard AG: "Die Schlüsselrolle in jedem Technologieprojekt nimmt immer der Mensch ein."
Gregor Stöckler, CEO Datavard AG: "Die Schlüsselrolle in jedem Technologieprojekt nimmt immer der Mensch ein."
Foto: Stöckler - Datavard AG

Vor allem in den 90er Jahren wurden viele IT-Kaufentscheidungen nach dem Ansatz Best-of-Breed getroffen. Unternehmen haben ihre Systemlandschaft beträchtlich erweitert und verkompliziert, um die Wertschöpfung optimal abzudecken und die beste Lösung für die internen Kunden zu erreichen. Was im Einzelnen geholfen hat, führte aus der übergeordneten Perspektive zu Datensilos, Technologievielfalt und unklaren Verantwortlichkeiten. Durch das Aufkommen von Cloud-basierten Lösungen vergrößerte sich dieses Problem nochmals signifikant. Die Notwendigkeit und Herausforderung der Integration wurde unterschätzt, was ein großer Fehler war und auch heute noch häufig ist.

Was sind typische Stolpersteine zu Beginn, die vermieden werden sollten?

Stöckler: Ich sehe vor allem drei Stolpersteine, von denen ich auf zwei näher eingehen möchte:

  1. Weg-Ignorieren - damit ist alles gesagt

  2. Jagd nach der Fata Morgana der digitalen Helden

  3. Übertriebene Technologie-Gläubigkeit

Die Fata Morgana der digitalen Helden, die wir täglich auf den medialen Bühnen sehen, lenkt zu sehr vom Machbaren und Pragmatischen ab. Die Erfolgsgeschichten von Amazon, Facebook, Google & Co. basieren im Kern darauf, dass sie den bereits erwähnten Datenballast nicht haben und auch nie hatten. Jeder Mitarbeiter dort konnte und wollte von Beginn an die neuen Paradigmen leben. Für die meisten Organisationen weltweit sind das schlichtweg die falschen und sogar schädliche Vorbilder. Der Fokus muss auf Machbarkeit, Adaption und schnellen Erfolgen liegen. Hier bieten sich vor allem Analytics, Big Data, Anwendungsfälle oder eine sinnvolle Optimierung bestehender Prozesse an. Diese Optimierung lässt sich beispielsweise gut bei Planung und Forecasting oder After Sales durchführen, da sich hier erfahrungsgemäß durch Anreicherung der Datenbasis große Effektivitätsgewinne erzielen lassen und die Erfolgsquote hoch und schnell sichtbar ist.

Die Digitalisierung eröffnet uns dabei herausragende Möglichkeiten - jedoch nur dann, wenn wir die Menschen motivieren, sie anzunehmen. Denn eine wichtige und kaum erwähnte Tatsache ist, dass der Mensch es in der Hand hat, Technologie zum Erfolg oder Misserfolg zu führen. Seit Jahrhunderten erzeugt Technologie die unterschiedlichsten Reaktionen - sie reichen von Ohnmacht über Angst bis zur Begeisterung. Unabhängig von der Unternehmensgröße und Branche erlebe ich täglich Mitarbeiter, die durch die Macht der Verweigerung jede Innovation aushebeln und zunichte machen können und das teilweise auch tun.

VUCA-Welt bereitet Unbehagen

Welche Rolle spielt die Unternehmenskultur für den Erfolg der Datenstrategie?

Stöckler: Die Arbeitskultur der meisten Unternehmen ist aus der Notwendigkeit erwachsen, Ergebnisse in einer förderlichen und vertrauten Umgebung zu liefern. Vorhersagbarkeit und Verlässlichkeit waren Schlüsselqualitäten, die sich daraus ergaben. Die VUCA-Welt mit neuen, agilen und experimentellen Ansätzen bereitet vielen Organisationen hingegen großes Unbehagen, denn die Erfolgsrezepte der Vergangenheit funktionieren nicht mehr. Erfolg in der Digitalisierung kann nur erreicht werden, wenn es Raum gibt, sich spielerisch und unbelastet mit Innovationen zu beschäftigen, mit ungewissem Ausgang zu experimentieren und es erlaubt ist, ein schnelles und frühzeitiges Scheitern in Kauf zu nehmen, anstatt den Erfolg zu erzwingen.

Zahlreiche Umfragen der Marktforschungsunternehmen von Gartner bis McKinsey bekräftigten die Wichtigkeit der Kultur oder der Ways of Working. Durch eine aktive und bewusste Investition in Veränderungsmanagement und Kulturarbeit muss sich jedes Unternehmen mit der eigenen DNA auseinandersetzen und entscheiden, wo alte Bausteine noch Bestand haben müssen und wo Veränderung in einer für die Organisation angemessenen Geschwindigkeit angestoßen werden muss. Auch hier gilt es, spielerisch und unvoreingenommen vorzugehen, denn Brechstange und Erfolgsdruck sind für den Veränderungsprozess ein Hemmschuh. Die Schlüsselrolle in jedem Technologieprojekt nimmt immer der Mensch ein.

Was sind die Risiken während der Umsetzung der Datenstrategie?

Stöckler: Ein großes Risiko ist, dass die Schere zwischen strategischer und operativer Ebene zu weit auseinandergeht und unterschiedliche Zielsetzungen verfolgt werden. Oft mangels Abstimmung oder unterstützender Transferleistung zwischen den Ebenen. Auf Strategieebene werden häufig nur die Benefits betont beziehungsweise überbetont und darauf basierend große Ziele ausgegeben.

Auf der operativen Ebene beziehungsweise bei der technischen Umsetzung steckt der Traktor gewissermaßen oft im Sumpf - technische Komplexität, mangelnde Integration der Daten/Systeme, Datenwachstum, schlechte Datenqualität, mangelnde Ressourcen oder unzureichende Ausbildung hindern ein Fortkommen - und es besteht die Gefahr, dass verstärktes Gas geben, den Traktor immer tiefer eingräbt. Ein weiteres Risiko ist, dass nicht nur die beiden Ebenen isoliert denken, sondern auch die unterschiedlichen Länder oder Geschäftsbereiche. Der hochintegrative Aspekt ist beim Datenmanagement jedoch Kern des Erfolgs.