Mitarbeiterbewertungen als Prüfsiegel

Wie Bewerber Arbeitgeber abstrafen

03.02.2022
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Fast drei Viertel aller Bewerber nutzen Arbeitgeberbewertungsportale. Was sie dort finden, passt so gar nicht zu dem, was Arbeitgeber über sich selbst auf ihren Karriereseiten behaupten.
Bei den Aussagen zu ihren Leistungen sollten Arbeitgeber schon bei der Wahrheit bleiben, denn Mitarbeiter und Bewerber können sich höchst kritisch in Bewertungsportalen äußern, wenn sie Widersprüche finden und erleben.
Bei den Aussagen zu ihren Leistungen sollten Arbeitgeber schon bei der Wahrheit bleiben, denn Mitarbeiter und Bewerber können sich höchst kritisch in Bewertungsportalen äußern, wenn sie Widersprüche finden und erleben.
Foto: New Africa - shutterstock.com

Immer mehr Bewerber und Bewerberinnen vergleichen während ihrer Jobsuche werbliche Aussagen von Arbeitgebern beispielsweise auf deren Karrierewebsites mit Einträgen auf Bewertungsplattformen wie kununu. Dabei finden sie regelmäßig Unstimmigkeiten in der Arbeitgeberkommunikation. Das ist ein Ergebnis einer aktuellen wissenschaftlichen Studie eines interuniversitären Forschungsteams, für die 1.647 Bewerber befragt wurden.

Glaubwürdigkeit verspielt

Demnach nutzen derzeit 73,6 Prozent der Kandidaten allgemein Arbeitgeberbewertungsplattformen. Von diesen geben mehr als ein Viertel an, dass ihnen immer oder oft eine Diskrepanz zwischen Arbeitgeberkommunikation und Mitarbeiterbewertungen auffällt, wenn sie sich auf Jobsuche begeben. Weitere 39,4 Prozent registrieren dies zumindest gelegentlich. Die Folgen für die ausschreibenden Arbeitgeber sind brisant. Denn mehr als die Hälfte dieser Kandidaten bewerben sich in einem solchen Fall nicht mehr, 26,7 Prozent sogar nie mehr bei dem jeweiligen Unternehmen.

"Ein Arbeitgeber, der in seinen Stellenanzeigen mit ausgewogener Work-Life-Balance wirbt, bei kununu & Co. aber kritische Beiträge zu diesem Thema erhält, verhagelt sich die Glaubwürdigkeit gegenüber einem Großteil potenzieller Bewerber", so Katharina Pernkopf von der Universität Innsbruck zu den Ergebnissen. Selbst Kandidaten, die den Bewerbungsprozess aufgrund der wahrgenommenen Diskrepanz nicht beenden, lassen das Thema nicht auf sich beruhen.

45,8 Prozent der Studienteilnehmer geben zwar an, sich ungeachtet der entdeckten Widersprüchlichkeiten trotzdem zu bewerben, den Arbeitgeber aber in jedem Fall im Vorstellungsgespräch mit diesen zu konfrontieren. Gerade einmal 14,9 Prozent der Bewerber ist es egal, wenn Bewertungen von Mitarbeitenden und Arbeitgeberwerbung nicht zueinander passen.

Bewertungsportale sind feste Größe

Insgesamt, so die wissenschaftliche Analyse, haben sich Arbeitgeberbewertungsportale zu festen Größen in der Jobsuche entwickelt. So nutzt bereits ein Fünftel der Kandidaten kununu & Co. immer um sich über Arbeitgeber zu informieren, weitere 32,8 Prozent häufig und 29,8 Prozent immerhin noch gelegentlich.

Nur die Karrierewebsite des Arbeitgebers wird noch öfter (38,3 Prozent immer und 36 Prozent häufig) herangezogen. "Auch an diesen Nutzungszahlen sehen wir, wie naheliegend es ist, dass die beiden am häufigsten genutzten Informationsquellen in der Jobsuche miteinander verglichen werden. Für Unternehmen wiederum erhöht das den Druck, authentisch in Richtung Kandidat zu kommunizieren", so Markus Latzke von der IMC Fachhochschule Krems.

Die meisten Nutzer von Bewertungsportalen tun dies, um sich generell über potenzielle Arbeitgeber zu informieren (77,7 Prozent). Hoch ist der Anteil derjenigen, die einen letzten Arbeitgeber-Check vornehmen, wenn ihnen bereits ein Jobangebot vorliegt. Das machen 30,1 Prozent immer, weitere 37,6 Prozent ziehen das immerhin in Erwägung. Auch während des Beschäftigungsverhältnisses überprüfen Mitarbeiter ihren aktuellen Arbeitgeber - 26,3 Prozent regelmäßig, weitere 36,7 Prozent tendenziell.

Auf keinen Fall weniger als 2,5 Sterne

Dabei sind die Ansprüche an die Arbeitgeber vergleichsweise hoch. Denn auf die im Internet übliche Bewertungsskala von fünf Sternen verzichten die Bewerber im Schnitt ab einem Score von 2,5 auf eine Bewerbung beim jeweiligen Unternehmen. Aber auch Erfahrungsberichte aus dem Bewerbungsverfahren stehen hoch im Kurs auf den Bewertungsportalen. Mehr als die Hälfte der Nutzer schauen sich immer oder oft an, wie Arbeitgeber diesen aus Sicht der Bewerber umsetzen - weitere 30,4 Prozent gelegentlich.

"Bewertungsportale sind zum Ort der Wahrheit für Kandidat geworden und zwar über die gesamte Prozesskette einer Bewerbung und Einstellung - begonnen bei der Arbeitgeberrecherche über das Vorstellungsgespräch bis hin zur Entscheidung, ob ein Arbeitsvertrag unterschrieben wird", so Professor Wolfgang Mayrhofer von der Wirtschaftsuniversität Wien zu den Ergebnissen der Studie.

Für die repräsentative Umfrage befragte das HR-Marktforschungsunternehmen Trendence im Auftrag eines interuniversitären Forscherteams unter der wissenschaftlichen Leitung von Katharina Pernkopf (Universität Innsbruck), Markus Latzke (IMC FH Krems) und Wolfgang Mayrhofer (WU Wien) 1.647 Menschen, die sich in den vergangenen zwölf Monaten in mindestens einem Bewerbungsprozess befanden.

Von diesen gaben 1.212 an, Arbeitgeberbewertungsportale bereits genutzt zu haben. 51,1 Prozent der Teilnehmenden waren männlich, 48,6 Prozent weiblich. 65,4 Prozent verfügten über einen (Fach)hochschulabschluss. 49,9 Prozent hatten zum Zeitpunkt der Online-Befragung weniger als acht Jahre Berufserfahrung, 50,1 Prozent mehr als acht Jahre. Die Umfrage wurde bundesweit im Oktober 2021 online durchgeführt.