Recruiting-Trend

Warum die Stellenanzeige ausgedient hat

25.06.2019
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Allen Unkenrufen zum Trotz bleiben Stellenanzeigen unverzichtbar – zumindest, was den Aufbau einer positiven Arbeitgebermarke betrifft. Für ein erfolgreiches Recruiting jedoch sollten die Unternehmen auf innovative Fachbereichsangebote setzen.
Die klassische Stellenanzeige hat (vermutlich) ausgedient.
Die klassische Stellenanzeige hat (vermutlich) ausgedient.
Foto: Shutterstock/Funtap

Wer kennt sie nicht, die schier endlosen Diskussionen über die Wirksamkeit von Jobinseraten? Tatsächlich sagen viele Personaler der klassischen Stellenanzeige den Tod voraus. Seit sich der Arbeitsmarkt zum Arbeitnehmermarkt gewandelt hat, eignet sich diese Methode zur Personalbeschaffung immer weniger, meint auch der Personalberater und Buchautor Frank Rechsteiner - und will mit seinem Plädoyer für Fachbereichsangebote die "Post-Stellenanzeigen-Ära" einläuten.

Wie die Arbeitgeber umdenken müssen

"In Stellenausschreibungen formulieren Arbeitgeber Forderungen an die Arbeitnehmer. Wer diese nicht erfüllen kann, bewirbt sich nicht, auch wenn er prinzipiell gut zum Unternehmen passen würde", beschreibt Rechsteiner das Problem. Doch können sich die Unternehmen ein solches "K.o.-Prinzip" künftig kaum mehr leisten, da es ihnen an qualifizierten Bewerbern mangelt. Statt für Vakanzen nach geeigneten Kandidaten zu suchen, sollten die Unternehmen ihre Personalanforderungen allgemeiner formulieren und auf ihren Karriere-Websites einem breiten Interessentenkreis zugänglich machen: Fachbereichsangebote sind die Antwort, ist Rechsteiner überzeugt.

Frank Rechsteiner empfiehlt Fachbereichsangebote. Diese bündeln Informationen aus den einzelnen Teams und Fachabteilungen, die für Bewerber interessant sind. Ganz oben stehen die fachlichen und geschäftlichen Ziele, die in einem definierten Zeitraum verfolgt werden sollen.
Frank Rechsteiner empfiehlt Fachbereichsangebote. Diese bündeln Informationen aus den einzelnen Teams und Fachabteilungen, die für Bewerber interessant sind. Ganz oben stehen die fachlichen und geschäftlichen Ziele, die in einem definierten Zeitraum verfolgt werden sollen.
Foto: Rechsteiner

Diese Angebote bündeln Informationen aus den einzelnen Teams und Fachabteilungen, die vor allem für Bewerber interessant sind. Ganz oben stehen die fachlichen und geschäftlichen Ziele, die in einem definierten Zeitraum verfolgt werden sollen. Ein Beispiel dafür bietet ein Fachbereich eines IT-Beratungshauses, der sich in den kommenden fünf Jahren zum führenden SAP S/4HANA-Experten für mittelständische Fertigungsbetriebe entwickeln will. Dazu listet das Bereichsangebot auch die erforderlichen Projekte und Maßnahmen auf. Die Bewerber erfahren auf diesem Weg, welche Kompetenzen und Erfahrungen der Fachbereich benötigt, um seine Ziele umsetzen zu können: Neben dem entsprechenden Technologie- und Prozess-Know-how sind Marktkenntnisse, Durchsetzungskraft und Stressresistenz gefragt. Zudem können die Interessenten abschätzen, welche Aufstiegsmöglichkeiten sich ihnen bieten, wenn der Fachbereich zum Marktführer in seinem Segment avanciert. Während in den meisten Stellenanzeigen stereotyp von "guten Entwicklungschancen" zu lesen ist, zeichnet das Bereichsangebot konkrete Karrierepfade vor.

Unternehmen müssen klare Aussagen treffen

Zudem fließen Informationen zur Arbeitskultur in dem SAP-spezialisierten Fachbereich ein: Wird trotz aller Wachstumspläne auf Work-Life-Balance geachtet oder müssen sich die Mitarbeiter auch auf Nacht- und Wochenendschichten einstellen? Welche Werte und Normen stehen im täglichen Umgang mit Mitarbeitern, Partnern und Kunden ganz oben? Herrscht ein familiäres Arbeitsklima oder eher professionelle Distanz? "Nur wer klare Aussagen dazu macht, kann neben der fachlichen Eignung von Kandidaten auch die kulturelle Passung - den Cultural Fit also - sicherstellen", erklärt Personalprofi Rechsteiner. Ansonsten drohen den Unternehmen kostspielige Fehlbesetzungen und eine hohe Personalfluktuation, da viele Arbeitnehmer eine nicht passende Arbeitskultur zum Anlass für einen Jobwechsel nehmen.

Persönliche Erfahrungen schlagen die klassischen Stellenanzeigen

Noch mehr Wirkung entfalten Bereichsangebote, wenn sie Content- und Influencer-Recruiting-Elemente integrieren. Beide Personalgewinnungs-Strategien haben in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen. So nutzen immer mehr Arbeitgeber Blog-Posts, Infografiken, Videos, Studien, Experteninterviews und Gewinnspiele, um die Bewerber mit informierendem, beratendem und unterhaltendem Content auf sich aufmerksam zu machen. Beim Influencer Recruiting wirken die eigenen Mitarbeiter als Markenbotschafter und sprechen im Rahmen von Bildmotiven, Interviews oder Videos Empfehlungen für ihren Arbeitgeber aus. Werden auf diese Weise zum Beispiel positive Statements zur Familienfreundlichkeit eines Arbeitgebers abgegeben, wirkt dies glaubwürdiger als sämtliche Argumente beim Vorstellungsgespräch. So sind sich die HR-Experten einig, dass auch die beste geschriebene und designte Stellenanzeige nie mit einer persönlichen Story oder lobenden Beurteilung eines Arbeitnehmers mithalten kann.

Visueller Content steigert die Online-Auffindbarkeit

Doch lassen sich die Bereichsangebote nicht nur inhaltlich mit Content- und Influencer-Recruiting aufwerten. Wie aktuelle Studien belegen, beachten Jobsuchende Informationen von Unternehmen generell dann stärker, wenn sie neben dem reinen Text auch Videos, Bilder, animierte Boxen, Grafiken und weitere interaktive Elemente einbinden. So nehmen 65 Prozent der Menschen Informationen deutlich stärker über die Augen als mit ihren anderen Sinnen auf. Arbeitgeber tun also gut daran, die Attraktivität ihrer Bereichsangebote mit visuellen Inhalten aus dem Content- und Influencer-Recruiting zu steigern. Sie vergrößern damit die Chance, dass mehr Kandidaten ihre Beiträge lesen, länger auf ihren Karriere-Webseiten verweilen und diese regelmäßig anklicken. Zudem vergrößert visueller Content die Online-Auffindbarkeit der Bereichsangebote.

"Google for jobs" - die neuen Jobbörsen

Und genau dort müssen die Unternehmen nach Ansicht von Personalberater Frank Rechsteiner einen weiteren Hebel ansetzen: So sollten Firmen ihre Bereichsangebote so breit wie möglich streuen, allen voran in Social-Media-Netzwerken wie Xing, LinkedIn, Facebook oder Twitter. Hinzu kommen einschlägige Jobbörsen und Jobsuchmaschinen, von denen es allein in Deutschland bereits mehr als 2.000 gibt. In Deutschland ganz neu am Start ist das Portal "Google for Jobs", das seit 22. Mai flächendeckend verfügbar ist und eine optimierte Jobsuche im Rahmen der Google-Suche bietet. Dabei sollten die Bereichsangebote entweder in vollem Umfang auf den einzelnen Kanälen erscheinen oder dort entsprechende Hinweise auf die Karriere-Websites der Unternehmen gegeben werden. Statt über einzelne Vakanzen informieren Arbeitgeber Kandidaten über potenzielle Einsatzgebiete in einem Team oder Fachbereich.

Mit Talent Pools den Austausch fördern

"Mit Bereichsangeboten bauen die Arbeitgeber langfristige Beziehungen zu möglichst vielen Kandidaten auf, die fachlich und kulturell in die eigene Karrierelandschaft passen und sich bei Bedarf gezielt ansprechen lassen", ist Rechsteiner überzeugt. Um die Kontakte systematisch zu sammeln, biete sich der Aufbau von Talent Pools an. Werden diese Pools zu regelrechten Talent Communities ausgebaut, sei es möglich, die vorhandenen Kontakte zu intensivieren und den gegenseitigen Austausch zu interessanten branchen- und karrierebezogenen Themen zu fördern.