Heute schon die Zukunft der Arbeit gestalten

Unternehmen benötigen eine digitale Strategie, die ihren Mitarbeitern die Arbeit wesentlich erleichtert. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Digitalisierung von Workflows. Lernen Sie hier Konzepte kennen, die den Menschen in den Fokus nehmen.

Digital-Strategie

So treiben CIOs die Workflow-Digitalisierung voran

19.12.2019
Die Digitalisierung von Workflows ist der Schlüssel für einen nachhaltigen Unternehmenserfolg. Ganz gleich in welcher Branche. Lernen Sie, wie Marktführer von der Digitalisierung profitieren Lesen Sie hier, wie Sie in vier Schritten eine erfolgreiche Strategie zur Prozessdigitalisierung entwickeln und.
Jim Fowler, CIO, Nationwide (David Kasnic für Workflow Quarterly)
Jim Fowler, CIO, Nationwide (David Kasnic für Workflow Quarterly)
Foto: David Kasnic

Bevor Jim Fowler im Juni 2018 als CIO zu Nationwide kam, sprach er ausführlich mit dem CEO des Unternehmens über die Herausforderungen, denen sich der 100 Jahre alte Versicherungsriese stellen musste. Beide waren sich sicher, dass ihre Branche bis dato noch wenig von disruptiven Technologien angegriffen worden war. Sie wollten die ersten sein, die dies taten.

Dazu fragte sich Fowler: "Wie können wir die neuen Möglichkeiten nutzen, um die Bedürfnisse unserer Kunden auf neue Weise zu bedienen?"Um das zu erreichen, musste er die geschäftlichen Ziele besser mit den IT-Zielen verbinden. Zudem wollte er auch die Effizienz steigern und Prozesse identifizieren, die sich automatisieren ließen. Daher setzte Fowler eine digitale Workflow-Strategie um.

Herausforderungen an die Strategien zur Workflow-Digitalisierung
Herausforderungen an die Strategien zur Workflow-Digitalisierung

Nach einem Jahr hatte Nationwide die Zeit, um eine neue Lebensversicherungspolice auszustellen, von einem Monat auf teilweise wenige Minuten reduziert.

Prozesse sind das neue Öl

CIOs werden von Vorständen, Investoren und Geschäftsführern beauftragt, Workflows zu digitalisieren. Also jene wechselseitigen Geschäftsprozesse, die ein Ergebnis nach sich ziehen sollen, wie beispielsweise beim Mitarbeiter-Onboarding oder der Lösung eines Kundenproblems.

Neun von zehn CIOs erwarten, dass sie in den kommenden drei Jahren mindestens 60 Prozent der Arbeitsabläufe ihres Unternehmens digitalisieren. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage von Oxford Economics im Auftrag von ServiceNow. Die CIOs erhoffen sich dadurch einen schnelleren Markteintritt, eine bessere Gewinnung und Bindung von Kunden und Mitarbeitern sowie mehr operative Effizienz.

Die Umfrage unter 516 CIOs weltweit bietet einen Überblick darüber, wie sich Unternehmen der Digitalisierung von Workflows nähern, mit welchen Geschäftsfeldern sie beginnen, wie standardisiert ihr Ansatz ist und auf welche Kollegen sie sich am meisten verlassen.

Die Daten verraten auch die größten Herausforderungen, denen CIOs gegenüberstehen. So versteht beispielsweise ein beachtlicher Teil der IT-Abteilungen den Nutzen einzelner Geschäftsbereiche nicht richtig oder kommuniziert die Ziele von Technologieinvestitionen unklar.

In ergänzenden Interviews beschreiben führende CIOs, unter anderem von Nationwide, Siemens AG und JPMorgan Chase & Co., wie eine Workflow-Strategie aussehen kann. Hier sind vier Schritte für solch eine Strategie.

Schritt 1: Verbinden Sie Digitalisierungsziele mit Unternehmenszielen

Eine digitale Workflow-Strategie muss die Prioritäten und Ziele des gesamten Unternehmens widerspiegeln. Doch hier tun sich viele CIOs schwer: Nur 18 Prozent geben an, dass ihr Unternehmen die Wertschöpfung der verschiedenen Unternehmensfunktionen sehr gut versteht. Derselbe Prozentsatz sagt, dass sie sehr effektiv bei der Festlegung von Unternehmenszielen sind, die alle Bereiche des Unternehmens durchdringen. 17 Prozent sagen, dass sie ihre Vorhaben sehr effektiv an Geschäftsergebnisse binden.

Bei Nationwide unternimmt Fowler keine Digitalisierungsanstrengungen, ohne diesen Zusammenhang zu klären.

Seine Frage an das Team lautet: "Welche Dinge müssen technisch zutreffen, damit das Unternehmen diese Ziele bis 2021 erreichen kann?" Die Antwort darauf ist dann sein Digitalisierungsziel.

in Beispiel: Um Kundenbindung und -zufriedenheit zu verbessern, arbeitet sein Team daran, alle Produkte und Dienstleistungen von Nationwide mithilft von APIs auf verschiedenen Kanälen wie sozialen Netzwerken und der Unternehmens-App verfügbar zu machen. "Wir können uns in jedes Ökosystem einklinken, das unser Kunde nutzen möchte, um mit uns zu interagieren", sagt Fowler.

Darüber hinaus überprüft Fowlers Team regelmäßig, ob die Projektziele erreicht werden und passt die Strategie entsprechend an. Der Fortschritt wird mit Business-Impact-Metriken gemessen, nicht mit IT-Metriken wie Uptime. Wenn es etwa darum geht, Transaktionen zu beschleunigen, misst das Team die KPIs der Versicherungsbranche wie Angebotszeit, Bindungszeit und Bearbeitungszeit für Serviceanfragen.

Das Digitalisierungsziel "bestimmt die Technologiestrategie, die wiederum die taktische Planung unserer Maßnahmen in den nächsten drei Jahren beeinflusst", sagt Fowler.

Das Team von Fowler überprüft regelmäßig, ob die Projekte die Ziele erreichen, und passt die Strategie entsprechend an.
Das Team von Fowler überprüft regelmäßig, ob die Projekte die Ziele erreichen, und passt die Strategie entsprechend an.
Foto: David Kasnic

Schritt 2: Entwickeln Sie einen Standardprozess zur Digitalisierung von Workflows

Fast acht von zehn CIOs verfügen über einen Standardprozess, um Workflows funktionsübergreifend zu digitalisieren. Angesichts des Umfangs der Prozesse haben viele immer noch Schwierigkeiten, die Verbesserungsmöglichkeiten zu identifizieren. Nur 14 Prozent der von Oxford Economics befragten Entscheider geben an, dass sie sehr effektiv darin sind, einen Katalog aller Prozesse zu erstellen und zu beurteilen, was digitalisiert werden kann.

Erfolgreiche CIOs haben Tricks entwickelt, um jene Workflows zu priorisieren, die am Anfang stehen sollten.

Bei ServiceNow hat beispielsweise jede Unternehmensfunktion drei Hauptprioritäten - Vorgänge wie die Beschleunigung von Finanzabschlüssen, von Produkteinführungen oder des Mitarbeiter-Onboardings. CIO Chris Bedi untersucht diese Prioritäten auf mögliche Technologiebezüge. Sein Fazit: Bei über 70 Prozent gab es diese Bezüge. Diese Methode brachte "die großen Brocken zum Vorschein, die wir als Organisation unbedingt angehen sollten", sagt er.

Prozessuale Heatmap für einen detaillierten Blick

Bedis Gruppe entwickelte eine digitale Bewertung, um den Prozess für jede Geschäftseinheit zu standardisieren. Dann erstellte er eine digitale Heatmap, die alle kleineren Prozesse visualisierte, bei denen Reibungsverluste diese großen Prioritäten beeinträchtigen könnten. "Wenn wir uns jetzt auf einer sehr kleinen Ebene fragen, wie digital unser Rückstellungsprozess ist, dann haben wir eine Antwort", sagt er.

Die Heatmap ermöglicht auch einen erweiterten Blick. Auf Fragen wie "Wie digital ist unser Financial Close?" hat er die Antwort. Die Heatmap ermöglicht den Verantwortlichen für die Geschäftsprozesse, mehrere Funktionen gleichzeitig zu betrachten. So können sie fehlende Verbindungen identifizieren.

Anhand der Heatmap kann Bedi auch eine Digitalisierungs-Scorecard für jeden Geschäftsbereich erstellen. Dies trägt nicht nur dazu bei, die IT besser auf das Unternehmen abzustimmen, sondern vermittelt auch Erfolgserlebnisse und sorgt für Schwung im Team.

Um Prioritäten zu identifizieren und die Entscheidungsfindung bei JPMorgan Chase zu steuern, hat Global CIO Lori Beer eine "Business Capability Taxonomie" erstellt. Die Taxonomie hilft, die wichtigsten Prozesse zu isolieren - Echtzeitzahlungen werden allgemeinen Zahlungen gegenübergestellt. Anstatt den gesamten Zahlungsverkehrsprozess auf einmal in Angriff zu nehmen, erkannte JPMorgan Chase so, dass Echtzeit-Zahlungen die wirklich relevante strategische Priorität sein sollten. Dies führte zu der Entscheidung, sie auf einer modernen technologischen Infrastruktur anstelle der bestehenden aufzubauen.

"Wir wollten wirklich modernisieren und einen neuen Ansatz verfolgen", sagt Beer.

Schritt 3: Arbeiten Sie über die C-Ebene hinweg und integrieren SIe die IT in das Geschäft

Unabhängig von den strategischen Initiativen eines CIOs kann natürlich keine dieser Arbeiten ohne das Einverständnis der Unternehmer und Mitarbeiter durchgeführt werden, deren Prozesse von der Digitalisierung betroffen sind. Doch die Zusammenarbeit ist für viele CIOs ein Kampf.

61 Prozent der CIOs arbeiten mit dem COO ihres Unternehmens zusammen, um Arbeitsabläufe durch Digitalisierung zu standardisieren, und 50 Prozent der CIOs stimmen sich mit ihren CEOs ab. Doch die deutlich schwächer ist die Kooperation mit anderen Führungskräften. Tatsächlich geben 21 Prozent an, sie seien allein für die Workflow-Digitalisierung verantwortlich. Und nur 15 Prozent der CIOs stimmen zu, dass ihr Unternehmen sehr effektiv die Führungskräfte identifiziert, die die digitale Transformation unterstützen.

Ebenfalls nur 15 Prozent sagen, dass ihre Organisation sehr effektiv darin ist, bereichsübergreifende Teams für die digitale Transformation aufzubauen. Etwa ein Viertel aller Befragten gibt an, dass ihr Unternehmen die IT in alle Geschäftsfunktionen hochwirksam integriert.

Ein Weg, über den erfolgreiche CIOs die genannten Herausforderungen gemeistert haben, ist die Integration von Technologie-Teams, welche die Digitalisierung eines Workflows direkt im Unternehmensbereich verantworten. Dieser Ansatz schafft naturgemäß ein Gefühl von "Zusammenarbeit und gemeinsamen Zielen", sagt Shamim Mohammad, CITO von CarMax. Und das führt zu Ergebnissen.

Manche Prozesse werden millionenfach ausgeführt

CarMax begutachtet mehr als zwei Millionen Autos pro Jahr. Früher war dies ein manueller Prozess, bei dem die Gutachter die Fahrzeuge bei Wind und Wetter überprüften, manchmal sogar im Dunkeln. Ausgestattet mit Klemmbrettern und Kameras mussten sie eine Papier-Checkliste ausfüllen und die Beurteilung in einer Filiale abschließen.

Ein Team von technischen Mitarbeitern und Außendienstlern entwarf gemeinsam einen digitalen Workflow. Hierbei nutzen Mitarbeiter eine App auf einem mobilen Endgerät, um die Fahrzeugbewertung zu erfassen, Bilder aufzunehmen und die Fahrgestellnummer einzugeben. Ein System füllt dann einen Großteil der Daten, die zuvor manuell im Geschäft eingegeben worden wären, vorab aus und greift dabei auf die umfangreiche CarMax-Autodatenbank sowie auf Quellen von Drittanbietern zurück. Mitarbeiter können so in Echtzeit auf Informationen zugreifen und die Bewertung direkt am Fahrzeug vornehmen.

Der neue Workflow schafft ein besseres Kundenerlebnis und die erfassten Informationen sind genauer. "Das hat zu hoher Effizienz und Kostensenkung geführt", sagt Mohammad.

Mit mehr als zwei Millionen Gutachten pro Jahr summiert sich das Einsparen weniger Minuten pro Gutachten schnell. Und da CarMax oft von denselben Kunden kauft und an diese wieder verkauft, verbessert diese Optimierung die Kundenbeziehung. Darüber hinaus kann CarMax nun Fahrzeuge aus der Ferne bewerten, so dass Kunden ein Angebot für ihr aktuelles Fahrzeug erhalten und den Kauf- und Verkaufsprozess von zu Hause aus abschließen können.

Die IT in die Geschäftsfelder einbringen

Der globale Industriekonzern Siemens hat den Gedanken, IT-Teams in die Geschäftsfelder einzubetten, einen Schritt weitergedacht. Das Unternehmen hat sich restrukturiert und die neuen Einheiten konzentrieren sich auf ihre jeweiligen Zielmärkte wie intelligente Infrastruktur, Gas und Strom.

Bisher war die IT-Abteilung stark zentralisiert. Mittlerweile arbeiten 60 Prozent der IT-Mitarbeiter direkt für eine dieser Einheiten. Die technischen Spezialisten sind "sehr, sehr nah am Geschäft", sagt Helmuth Ludwig, CIO bei Siemens.

Siemens arbeitet mit der inzwischen kleineren zentralen IT-Abteilung an unternehmensübergreifenden Projekten. Dazu gehört auch das Deployment neuer Plattformen. Durch die Arbeit in den einzelnen Units können die IT-Experten ihre Kollegen nun besser unterstützen, sagt Ludwig.

Bei Nationwide sind alle Personen, die die neuen Prozesse nutzen (Kunden oder Mitarbeiter) durchgehend involviert.
Bei Nationwide sind alle Personen, die die neuen Prozesse nutzen (Kunden oder Mitarbeiter) durchgehend involviert.
Foto: David Kasnic

Schritt 4: Entwickeln Sie eine Test- und Lernmentalität

Bei der Online-Finanzierung begann das CarMax zunächst mit einer kleinen Kundengruppe, um deren Reaktion zu testen. Im Laufe eines halben Jahres und viele Iterationen später hat das Unternehmen das Produkt weiterentwickelt und verfeinert, bevor es landesweit eingeführt wurde.

"Wir vermuteten lediglich, dass es den Kunden gefallen würde, aber darüber hinaus wussten wir nicht wirklich viel ", sagt Mohammad. "Doch eines war uns klar: Wenn wir das Produkt anbieten, würden wir etwas lernen."

Bei Nationwide sind alle Personen, die die neuen Prozesse nutzen (Kunden oder Mitarbeiter) durchgehend involviert. Das stellt sich sicher, dass neue Workflows wirklich ins Schwarze treffen. Dies beinhaltet Design Thinking, Journey Mapping und einen iterativen Minimum-Viable-Product-Ansatz für die Entwicklung.

Eine digitalisierbare Zukunft

Mit solchen Konzepten konnten CIOs Ergebnisse erzielen, die sich überdurchschnittlich auf ihr Geschäft ausgewirkt haben. Bis vor kurzem schickte Nationwide beispielsweise Kunden einen Papierantrag, wenn sie sich für eine Lebensversicherung bewarben. Der Kunde musste ihn ausfüllen und dann zurückschicken. Daran schlossen sich ein medizinischer Test und eine Blutuntersuchung an. Bis der Kunde seine Police in den Händen hielt, konnte so ein Monat oder mehr vergehen.

Heute füllen Nationwides Kunden ein Online-Formular aus. Antworten auf bestimmte Fragen können eventuell ein Telefongespräch mit einem Vertreter des Unternehmens nach sich ziehen. Abgesehen davon erfolgen viele Entscheidungen über die Policen automatisiert. Sie basieren auf den Antworten des Kunden und den Daten, die Nationwide bereits über den Interessenten besitzt oder aus Drittquellen bezieht. Ob ein Kunde einen medizinischen Test absolvieren muss, wird heute durch Vorhersagemodelle beantwortet.

Dadurch kann Nationwide für bis zu 30 Prozent der Antragsteller die gesamte Genehmigung und Zeichnung einer Lebensversicherung innerhalb eines Tages durchführen - zuvor war es in der Regel einen Monat. Dies reduziert auch die Bearbeitungskosten pro Antrag um etwa 75 Prozent.

Die Verbesserung war so drastisch, dass der erste Sachbearbeiter, der den Prozess mit einem Kunden durchging, dachte, es hätte ein Problem mit dem System gegeben. "Er hat unser Call Center angerufen, weil die Richtlinie so schnell zurückkam", sagt Fowler. "Er konnte es nicht glauben, dass alles stimmte."

CIOs und ihre Geschäftspartner gestalten die Zukunft durch Workflow-Digitalisierung. Diejenigen, die den Prozess effektiv steuern, werden die besten Voraussetzungen haben, um in den kommenden Jahren an der Spitze ihrer Branche zu stehen.

ÜBER DIE AUTORIN

Abbie Lundberg ist Business Technology-Analystin, Autorin und professionelle Referentin mit über 30 Jahren Erfahrung in der Entwicklung von Lösungen für Unternehmenstransformationen. Sie ist Co-Redakteurin bei Harvard Business Review Analytic Services und dem CIO-Magazin, wo sie Teil des Gründungsteams war und 13 Jahre lang als Editor in Chief tätig war. Lundberg hat am MIT Center for Information Systems Research (CISR) und am MIT Jameel World Education Lab (JWEL) geforscht. Weitere Informationen finden Sie auf ihrer Website lundbergmedia.com.