Wie hat die Corona-Pandemie Ihre Arbeit verändert?
Joachim Schreiner: Bei Salesforce steht seit Beginn der Pandemie die physische und psychische Gesundheit unserer Kolleginnen und Kollegen im Mittelpunkt sämtlicher Entscheidungen. So haben wir bereits Anfang März 2020 unsere mehr als 50.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weltweit ins Homeoffice geschickt. Unsere Büros waren seitdem weitgehend geschlossen. Damit leisten wir unseren Beitrag dazu, unsere Belegschaft zu schützen, Kontakte insgesamt zu reduzieren und die COVID-19-Pandemie schneller einzudämmen.
Was bedeutet Remote Work für die Arbeitsbedingungen?
Schreiner: Seitdem gibt es Unterstützung für die Ausstattung des Arbeitsplatzes und zahlreiche Programme, die die mentale Gesundheit unserer Mitarbeiter fördern. Dazu gehören Coachings und Trainings, aber auch die Option für Auszeiten. Das können Terminblocker für das Homeschooling sein oder auch bis zu sechs Wochen bezahlten Sonderurlaub für die Pflege und Betreuung von Angehörigen und Kindern.
Insgesamt ist vieles flexibler geworden. Unsere Angestellten können ihre Arbeit nun noch individueller gestalten und gewinnen so mehr Raum für ihre Lebensumstände. Das steigert Zufriedenheit und Produktivität, die Ergebnisse unserer regelmäßigen internen Umfragen belegen das. Der Anteil derjenigen, die im Homeoffice bewusste Pausenzeiten für Erholung und Ausgleich einlegen, ist demnach 20 Prozent höher als im Büro. Gleichzeitig geben fast 30 Prozent an, sich am heimischen Arbeitsplatz besser konzentrieren zu können.
Wie erhalten Sie Ihre Arbeitskultur ohne persönliche Begegnung?
Schreiner: Unsere Kultur basiert von jeher stark auf den Grundsätzen Vertrauen und Transparenz. Das hilft uns gerade jetzt in Zeiten des Arbeitens in physischer Distanz. Zwar können digitale Tools helfen, eine bedingte Nähe herzustellen. Eine offene Kommunikation und transparente Arbeitsweise sind jedoch die maßgeblichen Erfolgsfaktoren für eine Welt, in der wir von überall aus arbeiten können. Unser Credo lautet: Work from Anywhere. Teamgeist braucht kein Großraumbüro.
Wagen Sie einen Ausblick auf die Zukunft: Wie werden Sie post Corona arbeiten?
Schreiner: Bei Salesforce werden in Zukunft zirka 80 Prozent zu einem Flex Modell wechseln, das heißt, sie werden nur bis zu drei Tage pro Woche im Büro sein. Damit ermöglichen wir unseren Beschäftigten deutlich mehr Flexibilität, gerade wenn es darum geht, Job und Familie unter einen Hut zu bringen. Und stärken dadurch auch die Chancengleichheit, indem Lebensumstände kein Hindernis für ein erfülltes Berufsleben darstellen.
Wir erweitern so aber auch unseren Radius und können Talente abseits der Ballungsräume ansprechen, für die ein regelmäßiges Pendeln in eines unserer Büros nicht infrage kommen würde. Das ist eine Chance für alle Unternehmen, gerade in Zeiten, wo wir immer noch mit einem massiven Fachkräftemangel zu tun haben. Weitere Vorteile dieses hybriden Arbeitsmodells liegen auf der Hand: Innenstädte werden entlastet, Pendlerverkehr reduziert, Wohnraum auch außerhalb der Ballungsräume wird interessanter.
Great Place to Work in der ITK
93 ITK-Unternehmen hat Great Place to Work in dem Jahr auf Basis einer anonymen Mitarbeiterbefragung und einem Kulturaudit zu ausgezeichneten Arbeitgebern gekürt. So viele wie nie zuvor. Salesforce ist eines von ihnen.
Laut Sebastian Diefenbach, der als Projektleiter bei Great Place to Work den ITK-Wettbewerb verantwortet, zeigt die hohe Teilnahmequote, dass sich die ITK-Branche konstant mit den Themen Arbeitsplatzkultur und Personalarbeit auseinandersetzt. Schon vor der Corona-Krise waren die IT-Unternehmen gut auf mobiles Arbeiten vorbereitet, etwa was die Ausstattung der Beschäftigten mit Laptops und mobilen Endgeräten betraf.
In vielen Unternehmen, die im Wettbewerb als Great Place to Work in der ITK ausgezeichnet wurden, war es zudem schon vor Corona egal, wann und wo jemand arbeitet. Entscheidend sei hier die Vertrauenskultur, so Diefenbach, die sich nun während der Pandemie auszahlte.
- Tipps zur virtuellen Mitarbeiterführung
Seit der Pandemie gehört virtuelle Mitarbeiterführung zu den Standartaufgaben für jeden Vorgesetzten. Wir haben die wichtigsten Learnings aus dieser Zeit zusammengefasst. - Unterschiedliche Arbeits- und Lebensumstände anerkennen
Zu den größten Herausforderungen zählen die unterschiedlichen Voraussetzungen, womit Teammitglieder bei der Heimarbeit konfrontiert sind. Nicht jeder hat ausreichenden Raum für ein separates Home-Office. Dazu kommen Ablenkungen wie Kinder, Haustiere oder bei Singles ein Gefühl der Isolation. All das hat Einfluss darauf, wie und zu welchen Zeiten Mitarbeiter ihre Aufgaben am besten erledigen können. Vorgesetzte, die offen Verständnis für individuelle Situationen zeigen, schaffen die Grundlage einer vertrauensvollen Zusammenarbeit. - Stress-Level steuern
Permanenter Stress im Home-Office ist keine gute Voraussetzung, um kontinuierlich gute Arbeit zu leisten. Wer als Führungskraft vermittelt, dass es okay ist, nicht immer perfekt zu funktionieren, nimmt Mitarbeitern etwas den Druck in der Gewöhnung an die neue Normalität. Vielen fällt es mit dieser Gewissheit leichter, Deadlines einzuhalten und den Erwartungen zu entsprechen. - Regelmäßigen Kontakt pflegen
Ein tägliches Gespräch mit Chefin oder Chef - ist das nicht zu viel der Kommunikation? Nein, denn insbesondere bei der digitalen Mitarbeiterführung ist die Regelmäßigkeit des Austauschs entscheidend. Nur so lässt sich einschätzen, ob alles wie besprochen läuft und sich alle im Team den Anforderungen gewachsen fühlen. Missverständnisse und Fehler passieren - ähnlich wie im Büro - vor allem, wenn zu wenig kommuniziert wird. - Neue Technologien nutzen
Nur mit Personen, zu denen man regelmäßigen Kontakt pflegt, können Beziehungen entstehen. Das funktioniert im Zeitalter des digitalen Austauschs über zahlreiche Kommunikationskanäle. Moderne Videokonferenz-Tools wie Zoom, Teams, Google Meet etc. ermöglichen eine Kommunikation von Angesicht zu Angesicht und machen sichtbar, wie es allen Teammitgliedern geht. - Kommunikationsregeln festlegen
Dezentral organisierte Teamarbeit funktioniert am effektivsten, wenn sich alle über die Grundregeln der Kommunikation einig sind. Vorgesetzte können für klare Verhältnisse sorgen, indem sie Häufigkeit, Zweck und Timing des Austauschs und die dafür priorisierten Kanäle festlegen. Videokonferenzen sind in der Regel die erste Wahl für die tägliche Gruppenbesprechung. Gerade größere Gesprächsrunden lassen sich durch simple Tricks so strukturieren, dass auch Meetings mit hoher Teilnehmerzahl geordnet und effektiv ablaufen. Wenn es um dringliche Angelegenheiten oder Nachfragen geht, sind andere Kanäle wie Instant Messaging der bessere Weg. Unified-Communications-Plattformen ermöglichen eine Vielzahl von Anwendungen und Kommunikationskanälen. - Erwartungen definieren
Oft werden beim Übergang von der klassischen Büroarbeit ins Home-Office Aufgaben innerhalb eines Teams neu verteilt oder kommen neue hinzu. Damit Mitarbeiter diese erfüllen können, muss klar sein, was genau von ihnen erwartet wird. Manchen mag es außerhalb der gewohnten Büroatmosphäre anfangs schwerfallen, Aufträge zu priorisieren. Gemeinsam kann geklärt werden, welche Aufgaben Priorität haben und zu schaffen ist. Einfach davon auszugehen, dass jeder weiß, was zu tun ist, ist kontraproduktiv. Besser ist, von Anfang an eine Feedback-Schleife zu vereinbaren, um Erwartungen anzupassen und in den bekannten Applikationen zu dokumentieren. - Ein gemeinsames Ziel verfolgen
Teams funktionieren vor allem dann, wenn alle Mitglieder eine gemeinsame Mission verfolgen. Das dabei entstehende Gemeinschaftsgefühl hilft auch, Unsicherheiten zu überwinden und mit ungewohnten Arbeitssituationen umzugehen. Wenn jeder weiß, was er zum gemeinsamen Erfolg beiträgt, ist das die beste Motivation, Höchstleistungen zu erbringen. Erfolge sollten außerdem gewürdigt werden. - Auf die Ergebnisse konzentrieren
Wie lassen sich Engagement und Selbstverantwortung fördern? Indem Führungskräfte sich auf die gewünschten Ergebnisse konzentrieren und Teammitgliedern den Freiraum lassen, selbst einzuteilen, wie sie zum Ziel kommen wollen. Voraussetzung dafür ist ausreichend Zeit und zuvor aufgebautes Vertrauen. Ist das der Fall, lässt sich auf diesem Weg nicht nur die Kreativität der Mitarbeiter fördern, sondern auch kräftezehrendes Mikromanagement vermeiden. Virtuelle Brainstorms lassen sich beispielsweise in Breakout-Räume aufteilen. Kleinere Teams können dadurch in separaten Sitzungen arbeiten und ihre Ideen sammeln, die anschließend in der größeren Runde präsentiert werden. - Strikte Kontrollmechanismen vermeiden
Regelmäßige Kommunikation und klare Zielvorgaben sind wichtig. Sie dürfen aber nicht dazu führen, dass Mitarbeiter das Gefühl bekommen, im Home-Office überwacht zu werden. Vorgesetzte, die mehrmals täglich penible Rückmeldungen zu erledigten Arbeitsschritten einfordern, signalisieren damit fehlendes Vertrauen. Sie riskieren zudem, dass Teams den Fokus verlieren. Beratung und Betreuung sind besser als strikte Kontrolle. - Neue Team-Mitglieder integrieren
Als neues Mitglied in ein dezentral arbeitendes Team zu kommen, kann zur Herausforderung werden, weil sich die Dynamik einer Gruppe anfangs schwerer erspüren lässt. Umso wichtiger ist es, Neulingen zu Beginn ihrer Tätigkeit das Gefühl zu geben, Teil der Gruppe zu sein. Unternehmen, die bereits über längere Erfahrung in dezentralem Arbeiten verfügen, haben dies zum festen Bestandteil ihres Onboardings gemacht. - Das Wir-Gefühl stärken
Selbst in gut funktionierenden Arbeitsumfeldern kann es gelegentlich zu Unsicherheiten, Unzufriedenheit oder Ängsten der Mitarbeiter kommen. Die Aufgabe von Führungskräften besteht darin, Teams davor zu schützen. Das gelingt am besten, wenn auch die sozialen Aspekte der gemeinsamen Arbeit berücksichtigt werden. Dafür braucht es keine verpflichtenden gemeinsamen Kaffeepausen, aber von Zeit zu Zeit die Gelegenheit für einen lockeren Austausch, der Mitarbeitern das Gefühl gibt, trotz der Distanz wahrgenommen zu werden. Virtuell lässt sich der Teamgeist auch fördern, wenn zur Abwechslung mal eine Happy Hour, ein virtuelles Quizzen oder ein gemeinsames Essen per Videochat organisiert wird.