Intelligente Fahrzeuglösungen von Accenture und Continental

Mit Edge-Computing wird das Auto zum rollenden Data Center

18.03.2019
Von 
Jürgen Hill ist Chefreporter Future Technologies bei der COMPUTERWOCHE. Thematisch befasst sich der studierte Diplom-Journalist und Informatiker derzeit mit aktuellen IT-Trendthemen wie KI, Quantencomputing, Digital Twins, IoT, Digitalisierung etc. Zudem verfügt er über einen langjährigen Background im Bereich Communications mit all seinen Facetten (TK, Mobile, LAN, WAN). 
Mit dem Siegeszug von IoT hält auch immer mehr IT-Technik im Auto Einzug. Wie die Beispiele von Accenture und Continental zeigen, wird das Fahrzeug immer mehr zum rollenden RZ mit Gigabit Ethernet, Hypervisor und Edge Computing.
Das Auto entwickelt sich immer mehr zum Rechenzentrum auf Rädern.
Das Auto entwickelt sich immer mehr zum Rechenzentrum auf Rädern.
Foto: Zapp2Photo - shutterstock.com

"Sorry, es dauert etwas länger, wir müssen noch die virtuelle Maschine neu starten und davor den Hypervisor neu booten." Solche oder ähnliche Erklärungen könnten uns demnächst öfters erwarten, wenn wir unser Fahrzeug vom Kundendienst abholen wollen. Daran, dass Steuergeräte ein Software-Update benötigen, haben wir uns bereits gewöhnt, aber dass komplette Rechenzentren mit virtuellen Maschinen im Auto arbeiten, dürfte für viele Fahrer noch digitales Neuland sein.

Doch genau an dieser Entwicklung arbeiten unter dem Blech Zulieferer wie Continental oder Molex (besser bekannt für ihre Molex-Stecker): Die einzelnen Steuergeräte werden durch Industriecomputer ersetzt, die untereinander mit Gigabit Ethernet oder demnächst 10 Gbit/s Ethernet vernetzt werden. Und auf ihnen selbst laufen virtuelle Maschinen, um etwa ein sicherheitsrelevantes System von einem Entertainmentsystem abzugrenzen. Ein Grund dafür, dass sich die Fahrzeuge immer mehr zum rollenden Rechenzentren entwickeln, liegt daran, dass sich endlich die Erkenntnis durchsetzt, dass man beim autonomen Fahren nicht auf eine lückenlose, hundertprozentig zuverlässige 5G-Verbindung vertrauen kann. Vielmehr müssen die Fahrzeuge in der Lage sein, autark auf Verkehrssituationen zu reagieren.

Mit der Computisierung wird in die Fahrzeuge auch Machine Learning Einzug halten. Schließlich sollen die Rechner Anomalien im Betriebsablauf erkennen und gerade autonome Fahrzeuge dann sicher am Straßenrand abstellen, bevor ein Unglück passiert. Ist den Rechnern an Bord die Anomalie unbekannt, und sie wissen nicht, wie sie darauf reagieren sollen, dann werden die Daten in die Cloud geschickt und dort von leistungsfähigeren Rechnern überprüft und mit den Daten anderer Fahrzeuge verglichen. Die im Data Center errechnete Lösung wird dann wiederum an alle Fahrzeuge verteilt, so dass die künftig auf diese Anomalie automatisch reagieren können.

Ein Antennmodul für alles

Moderne Kommunikationstechnologien wie 5G, Cellular Vehicle-to-Everything (C-V2X) und Mobile Edge Computing können dabei helfen, alle Verkehrsteilnehmer besser zu schützen.
Moderne Kommunikationstechnologien wie 5G, Cellular Vehicle-to-Everything (C-V2X) und Mobile Edge Computing können dabei helfen, alle Verkehrsteilnehmer besser zu schützen.
Foto: Continental

Allerdings dürft das nicht der einzige Fall sein, in dem Autos trotz Edge Computing künftig Bedarf haben, nach außen zu kommunizieren. So etwa, wenn sie um die Ecke sehen oder erfahren wollen, was sich hinter einem Hindernis befindet. Bislang wurden hierzu im Fahrzeug verstreute Einzelantennen verbaut. Hinzu kamen dann noch Antennen für das Öffnen/Schließen ohne Schlüssel, NFC, Bluetooth, GPS etc. Diese alle will Continental künftig durch das Intelligente Antennenmodul ersetzen, das für alle drahtlosen Dienste zuständig sein soll. Dank eines neuen platzsparenden Designs, bei dem die Antennenstrukturen in die Leiterplatte des Moduls integriert sind, soll es mit einer ultraflachen Bauweise punkten. Die Nutzung des Bauraums wird dadurch laut Continental optimiert, so dass bisher erforderliche Antennenformen wie beispielsweise Flossenformen auf dem Fahrzeugdach nicht mehr benötigt werden.

Zentrale E/E-Architektur

Zu den Trends in der Automobilindustrie gehört auch die Zentralisierung der Fahrzeugarchitektur. Hierfür hat beispielsweise Continental den In-Vehicle-Server als Eckpfeiler moderner E/E-Architekturen (elektrisch-elektronische Architektur im Automotive-Umfeld) entwickelt. Dieser Rechner beinhaltet Applikationssoftware für vordefinierte Funktionen und agiert als Plattform für Software und Services von Drittanbietern. Im Zusammenspiel mit dem Intelligenten Antennenmodul als Kommunikationsschnittstelle dient der In-Vehicle-Server zudem als Netzwerk-Manager und ist zentrales Architekturelement für drahtlose Software-Updates, Fahrzeugferndiagnose sowie ein Baustein für die Cyber-Sicherheit von Fahrzeugen. Das entsprechende Know-how hierzu steuern der 2015 von Conti übernommene Automotive- Bereich von Elektrobit sowie die 2017 erworbene israelische IT-Sicherheitsfirma Argus Cyber Security bei (mittlerweile in die Elektrobit Automotive GmbH eingegliedert).

Continental setzt sich dafür ein, dass alle Funktionen im Auto kontinuierlich überwacht werden und Sicherheits-Updates erhalten. Zudem fordert das Unternehmen eine schnelle Umsetzung des neuen Industriestandards für Cybersecurity (ISO/SAE 21434 „Road Vehicles – Cybersecurity Engineering“).
Continental setzt sich dafür ein, dass alle Funktionen im Auto kontinuierlich überwacht werden und Sicherheits-Updates erhalten. Zudem fordert das Unternehmen eine schnelle Umsetzung des neuen Industriestandards für Cybersecurity (ISO/SAE 21434 „Road Vehicles – Cybersecurity Engineering“).
Foto: Continental

Das Konzept soll zudem den steigenden Ansprüchen von Fahrer und Passagieren an die Integration von Applikationen und Infotainment-Funktionen ins Auto Rechnung tragen. Ebenso benötigen Cloud-Services oder Fahrfunktionen wie automatisiertes Fahren hohe Rechenkapazitäten und geringe Latenzen, was mit Hilfe des Servers im Fahrzeug gewährleistet werden soll.

Edge Computing im Auto

Autonome Fahrzeugleistung und Kommunikationsfunktionen stehen auch bei den digitalen Verbesserungen des Zulieferers Molex im Vordergrund. In Zusammenarbeit mit Accenture und Amazon Web Services (AWS) erweitert Molex seine Automotive Ethernet Network Platform um Funktionen für Edge Computing und Voice Assistant. Die Molex-Plattform ist ein Ethernet-basiertes Fahrzeugnetz mit einer Mehrzonenarchitektur für Hardware-, Software- und Verbindungskabelsysteme. Um die entsprechende Flexibilität zu erhalten, können ältere Fahrzeugprotokolle integriert werden.

Darüber hinaus wartet es laut Molex mit einer Hochleistungs-Computing-Lösung auf, die die Machine-Learning-Funktionen von AWS IoT Greengrass nutzt, um Funktionen wie Diagnose und Sicherheit zu verbessern und mehr Benutzerfreundlichkeit zu bieten. Ferner arbeitet Molex mit automobiltauglichen Gateways als zentralen Knotenpunkten. Diese sollen sichere und zuverlässige Verbindungen und Datenverarbeitung über das Fahrzeugnetz zu Funktionsbereichen wie ADAS (Fahrerassistenzsysteme) oder Autonomous Driving ermöglichen.

Gemeinsam wollen Molex, Accenture und AWS zudem dieGateway-Lösung von Molex um eine On-Board-Diagnose mit Edge-Analytik erweitern. Diese soll hinsichtlich der Funktionalität, Rechenleistung und Leistung wachsen und sich weiterentwickeln können - etwa in Sachen vorausschauender Wartung, Erfüllung kritischer Sicherheitsanforderungen oder Aufrechterhaltung der Netzintegrität.