HR-Report 2020

Lernstudie: Nach wie vor verteilt der Chef das Geld

23.01.2020
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Mitarbeiter lernen lieber analog als digital, sollen für ihre Weiterbildung verantwortlich sein, erhalten aber keine Budgets dafür – das sind nur zwei der Ergebnisse des neuen HR-Reports, den Hays-Sprecher Frank Schabel im CW-Gespräch erläutert.

Weshalb ist lebenslanges Lernen der Schwerpunkt des diesjährigen HR-Reports?

Schabel: In den letzten Jahren ist die Beschäftigungsfähigkeit der Mitarbeiter in der Agenda der wichtigsten Personalthemen immer weiter nach oben gerückt. Das ist nicht überraschend. Die Verfallszeit von Wissen verkürzt sich ständig. Daher müssen sich Mitarbeiter ständig auf den neuesten Stand bringen. Genau dies geschieht durch lebenslanges Lernen.

Frank Schabel, Hays: "Neue Lernformate wie Gamification, Virtual und Blended Learning spielen aktuell nur eine marginale Rolle."
Frank Schabel, Hays: "Neue Lernformate wie Gamification, Virtual und Blended Learning spielen aktuell nur eine marginale Rolle."
Foto: Hays

Ist das Thema in Unternehmen wirklich angekommen?

Schabel: Auf jeden Fall. Die Befragten sprechen dem lebenslangen Lernen eine sehr hohe Bedeutung zu. Interessanterweise wird sein Stellenwert auf der Geschäftsführer-Ebene noch am höchsten eingestuft vor den Mitarbeitern oder den sonstigen Führungskräften.

Wer ist für das Thema Lernen verantwortlich?

Schabel: Die überraschende Erkenntnis in der Studie: in erster Linie der Mitarbeiter selbst. Die direkte Führungskraft spielt nur eine untergeordnete Rolle. Aber Verantwortung heißt nicht automatisch, dass die Mitarbeiter auch entsprechend lernbereit sind. Das sind sie im Vergleich zum hohen Stellenwert des Themas in weit geringerem Maße.

Woran liegt das?

Schabel: Die Verantwortung für das Thema liegt zwar bei den Mitarbeitern. Nur reicht sie nicht so weit, dass sie selbst Maßnahmen planen und buchen können. Hier schlägt die Hierarchie zurück: Das Budget für Fort- und Weiterbildung liegt nach wie vor direkt bei der Geschäftsleitung oder der Führungskraft. In aller Regel haben Mitarbeiter keine eigenen finanziellen Mittel. Das wirkt sich nicht positiv auf ihre Lernbereitschaft aus. Meine zweite Erklärung jenseits der Daten lautet: Viele Mitarbeiter sind ob des Dauer-Change müde geworden. Sie wollen nicht ständig Neues lernen müssen.

Mitarbeiter sind selbst für Lernverhalten und Lernbereitschaft verantwortlich, doch die Buchung und Einplanung von Weiterbildungsmaßnahmen übernimmt immer noch die Führungskraft.
Mitarbeiter sind selbst für Lernverhalten und Lernbereitschaft verantwortlich, doch die Buchung und Einplanung von Weiterbildungsmaßnahmen übernimmt immer noch die Führungskraft.
Foto: Gustavo Frazao - shutterstock.com

Ist geregelt, was Lernzeit beinhaltet?

Schabel: Nicht wirklich. Über ein Drittel der befragten Unternehmen hat nicht geklärt, was sie unter Lernzeit verstehen. Zudem wird die Lernzeit in Unternehmen zum Teil sehr unterschiedlich gehandhabt. Jeweils ein Viertel sagt, Mitarbeiter hätten ein eigenes Lernzeitbudget zur freien Verfügung beziehungsweise es würde mit der Führungskraft ausgehandelt. Wenn wir die Daten der befragten Mitarbeiter analysieren, dann bezweifeln diese jedoch, dass diese Regelungen wirklich gelebt werden.

Wie wird gelernt, digital oder noch analog?

Schabel: Gegenwärtig noch eher klassisch - off the job über den Besuch von Seminaren. Das ist immer noch die wichtigste Maßnahme, während neue Lernformate wie Gamification, Virtual und Blended Learning aktuell nur eine marginale Rolle spielen. Künftig wird Lernen aber deutlich digitaler: Vor allem Webinare und Lernvideos lösen die Präsenzseminare zunehmend ab.

Unterscheiden sich die Antworten je nach Alter der Befragten?

Schabel: In der Altersstruktur gibt es teilweise signifikante Unterschiede bei den Antworten. Für die Mitarbeiter jenseits von 50 Jahren ist lebenslanges Lernen ungleich wichtiger und sie betonen die eigene Verantwortung deutlich stärker. Aufgrund ihrer jahrelangen Berufserfahrung wissen die Älteren, wie wichtig es ist, sich durch Lernen immer wieder auf Bedingungen einzustellen und nicht auf Dritte zu warten, sondern selbst loszulegen.

Wie fällt Ihr Fazit aus und was sollten Unternehmen angehen?

Schabel: Etwas ernüchternd: Dass die Bedeutung des lebenslangen Lernens hoch bewertet wird, heißt nicht, dass sie gelebt wird. Vielmehr befinden sich viele Unternehmen noch nicht auf der Höhe der Zeit. Wenn wir von selbstbestimmten Teams reden, sollte dies auch für das Lernen gelten. Mitarbeiter benötigen hier mehr Freiraum. Und wie wir Lernen und Arbeiten noch enger verbinden, dazu ist es noch ein langer Weg.

HR-Report 2020

Das Institut für Beschäftigung und Employability (IBE) hat im Auftrag des Personaldienstleisters Hays 997 Fach-, Führungskräfte und Personaler zum Thema "Lebenslanges Lernen" befragt. Knapp die Hälfte der Befragten kam aus dem Dienstleistungsbereich, etwas weniger als ein Drittel aus der Industrie und ein Fünftel aus dem öffentlichen Sektor. 19 Prozent der Befragten sind Vertreter der Unternehmensleitung, 42 Prozent Führungskräfte aus Fachabteilungen 16 Prozent Führungskräfte aus dem HR-Bereich und 24 Prozent Mitarbeiter ohne Führungsverantwortung.