Oracle Deutschland GmbH

Lautsprecher Ellison kaum leiser

24.09.2004
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Gerhard Holzwart begann 1990 als Redakteur der COMPUTERWOCHE und leitete dort ab 1996 das Ressort Unternehmen & Märkte.  Ab 2005 verantwortete er den Bereich Kongresse und Fachveranstaltungen der IDG Business Media GmbH und baute „IDG Events“ mit jährlich rund 80 Konferenzen zu einem der führenden Anbieter von ITK-Fachveranstaltungen in Deutschland aus. Seit 2010 ist Gerhard Holzwart geschäftsführender Gesellschafter der h&g Editors GmbH und ist in dieser Funktion als Event Producer, Direktmarketingspezialist und ITK-Fachredakteur tätig.        

Jahrelang war Oracle unangefochtener Branchenprimus im Geschäft mit relationalen Datenbanken. Die sehr selbstbewussten öffentlichen Auftritte von Konzernchef Lawrence Ellison passten dazu.

Das hat sich mittlerweile geändert. IBM, SAP und Microsoft nehmen die Ellison-Company immer mehr in die Zange. Auch in Deutschland backt Geschäftsführer Rolf Schwirz inzwischen kleinere Brötchen. Der nach Microsoft zweitgrößte Softwareanbieter muss dringend und nachhaltig in neue Märkte diversifizieren. Böse Zungen behaupten, dass Lawrence Ellison eine "gute" Außen- beziehungsweise Selbstdarstellung im Zweifel sogar wichtiger sei als ein erfolgreicher Geschäftsabschluss. Jedenfalls hat der charismatische Oracle-Chef lange Zeit durch arrogant wirkende öffentliche Auftritte, die er meist mit saftiger Wettbewerberschelte verband, alles getan, um seinem Ruf als Lautsprecher der Branche gerecht zu werden. Eine Rolle, die ihm nur gelegentlich von anderen CEOs der Softwareindustrie - etwa Steve Ballmer, Hasso Plattner

und Thomas Siebel - streitig gemacht wurde.

Die Company erzielte in ihrem Ende Mai abgeschlossenen Fiskaljahr 2004 einen Umsatz von 10,2 Milliarden Dollar, sieben Prozent mehr als im Vorjahr. Der Nettogewinn stieg um 16 Prozent auf 2,7 Milliarden Dollar. Mit einem operativen Profit von 3,9 Milliarden Dollar und einer Gewinnmarge von 38 Prozent wurden ebenfalls neue Rekorde aufgestellt. Viel besser wirtschaftet auch Microsoft nicht; SAP begnügt sich mit einer deutlich geringeren Umsatzrendite von 25 Prozent. So weit zur Habenseite der Kalifornier, die über Jahre hinweg in ihrem Kerngeschäft relationale Datenbanken unangefochten agieren konnten. Eine im Mai für dieses Segment veröffentlichte Gartner-Statistik verdeutlichte aber, dass Oracle zumindest hier ein Problem hat: Der Anteil des Unternehmens am Weltmarkt ging im vergangenen Jahr gegenüber 2002 von 33,4 auf 32,6 Prozent zurück, während der Markt insgesamt um 5,1 Prozent zulegen konnte.

Lichtblick Linux

Fast noch schlimmer war eine andere Botschaft: Zum zweiten Mal in Folge belegte Oracle hinter dem großen Konkurrenten IBM (Marktanteil: 35,7 Prozent) nur Rang zwei. Gleichzeitig gaben die Auguren jedoch auch Entwarnung. Der mit Abstand am schnellsten wachsende Bereich seien Datenbanken für die Linux-Plattform, hieß es. Hier konnte Oracle seine Umsätze im vergangenen Jahr um 360 Prozent steigern und erreichte damit einen Marktanteil von knapp 70 Prozent, lediglich 28,5 Prozent entfielen auf Big Blue.

Doch das strategische Dilemma der Ellison-Company ist unübersehbar: Die Bastion relationale Datenbanken, die immer noch den Löwenanteil zum Lizenzumsatz beisteuert, bröckelt. Und das nach wie vor sehr schwache Applikationsgeschäft sowie eine im Wettbewerb nur bedingt konkurrenzfähige Consulting-Division tun zur Misere ihr Übriges. Auch im hiesigen Markt spiegelt sich diese Situation wider. Rolf Schwirz, Geschäftsführer der Oracle Deutschland GmbH, konnte für das Geschäftsjahr 2004 nur einen Umsatz von 430 Millionen Euro an die Konzernzentrale melden, 16 Millionen Euro weniger als im Vorjahr. Nach Darstellung des deutschen Country-Managers war dies vor allem auf die Entscheidung zurückzuführen, den Consulting-Bereich herunterzufahren und das Geschäft an Partnerunternehmen auszulagern. Durch diese

Maßnahme sei der Beratungsumsatz deutlich gesunken, während die Einnahmen in allen Softwaresegmenten gestiegen seien. Letzteres hat Oracle aber auch dringend nötig, denn die Position der Company war und ist hierzulande nicht mit der konzernweiten Performance vergleichbar.

Beratungsumsatz sinkt

So dominiert laut Gartner IBM in Deutschland den Markt für relationale Datenbanken mit einem Anteil von zuletzt über 46 Prozent deutlich, während Oracle mit 21 Prozent abgeschlagen auf Platz zwei rangiert. Bekanntermaßen noch schwieriger ist für die deutsche Oracle-Dependance seit jeher das ERP-Geschäft, wo man gegen den Platzhirschen SAP antreten muss.

Die Konsequenzen, die sich daraus insgesamt für Oracle-Chef Ellison ergeben, sind klar: Das nach Microsoft zweitgrößte Softwareunternehmen der Welt muss endlich erfolgreich (und dies möglichst schnell) diversifizieren. Dies um so mehr, als IBM im Highend-Sektor beziehungsweise Microsoft im Lowend-Segment Oracle im Datenbankgeschäft zunehmend das Wasser abgraben und dabei mit einem Pfund wuchern, das die Kalifornier so nicht einsetzen können: Das Bundling ihrer eigenen Datenbanken mit anderen eigenen Produkten - etwa bei den IBM-Mainframes Z-Series und I-Series, auf denen DB2 vorkonfiguriert ist, oder Microsofts Windows-Plattform, in die "SQL-Server" oder die "Access"-Datenbank integriert sind. Legt man diese Fakten zugrunde, wird deutlich, wie wichtig für Oracle die geglückte Übernahme des ERP-Spezialisten Peoplesoft wäre. Signifikantes Wachstum beziehungsweise weitreichende Synergieeffekte rechnen sich die Kalifornier auf Dauer nur im Geschäft mit

Business-Applikationen aus. Dort aber wartet Branchenprimus SAP.

Das soll sich jetzt ändern - mit oder ohne Peoplesoft. Erst in den letzten Wochen haben Ellison und Oracle-Finanzvorstand Jeffrey Henley im Zusammenhang mit einem optimistischen Ausblick auf das erste Quartal des Geschäftsjahres 2005 bekräftigt, dass die Übernahme des ERP-Spezialisten nur ein erster Schritt für das Unternehmen sein solle, um sich neben dem Datenbankgeschäft ein zweites stabiles Standbein zu schaffen. Weitere milliardenschwere Zukäufe sind geplant. Die Konsolidierung der Softwarebranche, gab Ellison erneut zum Besten, werde nur vier Anbieter übrig lassen: Oracle, Microsoft, IBM und SAP. Man darf gespannt sein.

* Der Autor Gerhard Holzwart ist Redakteur bei der Computerwoche. [gholzwart@computerwoche.de]