Erster Test

iPadOS 14 bringt endlich Handschriftenerkennung

26.06.2020
Von 
Peter Müller ist der Ansicht, dass ein Apple täglich den Arzt erspart. Sei es iMac, Macbook, iPhone oder iPad, was anderes kommt nicht auf den Tisch oder in die Tasche. Seit 1998 beobachtet er die Szene rund um den Hersteller von hochwertigen IT-Produkten in Cupertino genau. Weil er schon so lange dabei ist, kennt er die Apple-Geschichte genau genug, um auch die Gegenwart des Mac-Herstellers kritisch und fair einordnen zu können. Ausgeschlafene Zeitgenossen kennen und schätzen seine Beiträge im Macwelt-Morgenmagazin, die die Leser werktags pünktlich um acht Uhr morgens in den nächsten Tag mit Apfel und ohne Doktor begleiten. Privat schlägt sein Herz für die Familie, den FC Bayern, sechs Saiten, Blues-Skalen und Triolen im Shuffle-Rhythmus.
Über 20 Jahren nachdem Apple den Newton eingestellt hat, kommt die Handschriftenerkennung mit iPadOS 14 zurück. Sie funktioniert zwar bisher nur in Englisch und Chinesisch, aber erstaunlich gut. Unser erster Blick.

Das Killer-Feature des Newton hat Apples legendäres Notepad schlussendlich selbst gekillt: Die Handschriftenerkennung hat nicht die Erwartungen erfüllt, die Apple letztlich selbst geschürt hatte. Von Anfang an war der Spott groß, auch wenn nicht jeder Testsatz zu Eierflecken verballhort wurde. Die Konkurrenz ging Mitte der neunziger Kompromisse ein und zog an Apple vorbei: Palm etwa mit seiner Kurzschrift Graffiti. Dabei musste man das Schreiben im Prinzip völlig neu lernen, da die Technik nur aus den vordefinierten Formen editierbaren, getippten Text machen konnte. Handschriftenerkennung war das nicht, funktionierte aber erstaunlich gut.

iPadOS 14 erkennt Handschriften und Gekrakel
iPadOS 14 erkennt Handschriften und Gekrakel
Foto: Apple

Palm ist Geschichte, vom iPod, iPhone und iPad überrollt. Apple packt nun erneut den Versuch an, ein Tablet Handschriften erkennen zu lassen. Und in iPadOS mit dem Apple Pencil funktioniert das nun erstaunlich gut, selbst für Leute, deren Sauklaue vermuten lässt, sie hätten den Beruf verfehlt und wären besser Arzt geworden.

In unserem ersten Blick erkennen wir schon jetzt einen begabten Apotheker, um beim Bild der nur schwer entzifferbaren Schrift zu bleiben – dabei ist die Public Beta noch nicht einmal veröffentlicht, geschweige denn eine finale Version, an die Apple wieder hohe Ansprüche stellen wird.

Noch ist es notwendig, die Sprache auf Englisch umzustellen, um alle Vorteile zu genießen, auf Deutsch funktioniert es aber auch schon heute, URLs handschriftlich in das Adressfenster von Safari zu krakeln, unter den Suchvorschlägen tauchen dann auch die beabsichtigten Seiten auf. Ähnliches funktioniert auch in Karten (siehe Aufmacherbild) und anderen Apple Apps, mit Erscheinen der finalen Version im Herbst dann sicher auch in den Apps von Dritten. Nur den Apple Pencil braucht es eben.

Doch kann Scribble – wie Apple seine Technologie nun nennt – weit mehr. In Notizen schreiben wir etwa unseren Testsatz, wechseln den Apple Pencil zum Auswahlwerkzeug und markieren das Gekrakel. Nach einem Doppeltipp können wir den Schrieb als Text kopieren und in ein anderes Dokument oder ein Textfeld im gleichen einsetzen – mit erstaunlich korrektem Ergebnis. Der Apple Pencil bekommt aber unter iPadOS 14 noch ein neues Werkzeug, ein "A" auf dem Symbol der Stiftspitze lässt deren Zweck vermuten. Schon bei der handschriftlichen Eingabe des Textes wandelt dieser sich nun Wort für Wort in getippten Text – mit ebenso gutem Ergebnis.

Was aber Leute besonders begeistert, die nicht nur schlecht in Kalligraphie sind, sondern generell im Zeichnen: Scribble macht aus schlechten Kreisen oder schiefen Dreiecken korrekte Formen. Dazu zeichnet man das gewünschte Objekt und lässt den Pencil noch ein wenig ruhen – schon korrigiert das iPad die Zeichnung.

Testsatz also erfolgreich geschrieben und erkannt, dann können wir ja Ovale krakeln und auf die von der Technik perfekt geformten Eier mit Flecken verzieren. Fehlt eigentlich nur, dass man in einer App fünf Linien, einen Notenschlüssel und Taktstriche zeichnet, Noten setzt und die App das dann als Musik umsetzt. Aber da draußen mag der ein oder andere Entwickler sein, der diese Idee bereits verfolgt. (Macwelt)