IT braucht wieder mehr soziale Kompetenz

Hard Skills sind ohne Soft Skills nur die Hälfte wert

07.11.2016
Von 
Dennis Yang ist ehemaliger CEO der Online-Learning-Plattform Udemy.
Die Ausbildung ist heute sehr stark auf Technik und Hard Skills ausgerichtet. Auf Soft Skills wie Kommunikation, Führungsqualität oder Sensibilität wird an Universitäten und Unternehmen jedoch kaum ein Augenmerk gelegt. Das ist fatal, denn die moderne Arbeitswelt kommt ohne soziale Kompetenzen nicht aus.
  • Führungskräfte beklagen bei Mitarbeitern einen Mangel an sozialen Kompetenzen.
  • Soft Skills müssen bei der Einstellung stärker berücksichtigt werden.
  • Angestellte sollten mehr Möglichkeiten zum Erlernen von Soft Skills erhalten.

In der modernen Arbeitswelt geht es seit Langem fast ausschließlich um technisches Wissen und Können. Globalisierung und Automatisierung treiben eine immer rasanter wachsende Wirtschaft an, in der sich alles um Wissen und Informationen dreht und in der praktisch nur "Hard Skills" wie beispielsweise Programmierkenntnisse gefragt sind. In den Unternehmen zeichnet sich inzwischen allerdings eine neue Entwicklung ab: Führungskräfte beklagen bei ihren Mitarbeitern zunehmend einen gravierenden Mangel an sozialen Kompetenzen, den sogenannten Soft Skills. Für einen langfristigen Erfolg sind aber beide Kompetenzfelder unverzichtbar.

Mitarbeiter sollten durch Mentoren und Coaching aktiv bei der Entwicklung von Soft Skills unterstützt werden.
Mitarbeiter sollten durch Mentoren und Coaching aktiv bei der Entwicklung von Soft Skills unterstützt werden.
Foto: eenevski - shutterstock.com

Soft Skills sind von tragender Bedeutung

Der Name "Soft Skills" deutet das Problem schon in gewisser Weise an. Diese Fähigkeiten werden in der Gesellschaft viel zu wenig beachtet und vor allem auch viel zu wenig geschätzt. Das liegt vielleicht auch daran, dass der Terminus "soft" eher nach nettem Bonus als nach einer unverzichtbaren Kompetenz klingt.

Sicher ist es wichtig, Schüler möglichst früh in naturwissenschaftlichen Fächern auszubilden und an zukunftsträchtige Ausbildungsgänge heranzuführen. Trotzdem gilt: Soft Skills sind in jedem Berufsfeld die Grundlage einer erfolgreichen Karriere. Ingenieure sind zum Beispiel nicht gerade für gute Soft Skills bekannt, brauchen sie aber genauso wie alle anderen Berufsgruppen. Und im Gegensatz zu manchen Hard Skills, die in ein paar Jahren vielleicht schon wieder nutzlos sind, verlieren Soft Skills nie ihren Wert und ihre Bedeutung.

Fähigkeiten wie Kommunikation, Führungsqualitäten, Sensibilität gegenüber anderen Kulturen sowie der Aufbau und die Pflege von Beziehungen sind in der heutigen Arbeitswelt unverzichtbar. Diese Eigenschaften werden aber durch den Fokus auf die knappen und begehrten IT-Kompetenzen oft viel zu wenig beachtet. In der Personalabteilung werden Lebensläufe heutzutage mit Hilfe von Software gelesen, die Bewerbungen auf bestimmte Schlüsselwörter scannt. Kein Wunder, dass die Soft Skills dabei häufig durch den Rost fallen. Aber auch für Personaler sind diese Fähigkeiten nicht unbedingt leicht zu erkennen.

Vorbildcharakter geht in der Arbeitswelt verloren

Soft Skills haben in der modernen Arbeitswelt momentan also nur noch einen sehr untergeordneten Stellenwert, obwohl sich die Unternehmenswelt längst geändert hat. Inzwischen zeichnet sie sich durch flachere Hierarchien aus und ist das mittlere Management, sofern überhaupt noch vorhanden, nicht mehr für die "Erziehung" der nächsten Generation zuständig. Mit anderen Worten: Jüngere Mitarbeiter haben meist keine Vorbilder oder Mentoren mehr, an denen sie sich orientieren und von deren Erfahrungen sie lernen können. Die häufigen Arbeitsplatzwechsel verschärfen diese Situation noch.

Immer wieder ist unterem anderem auch im Schulungsbereich Online-Lernen zu hören, wie frustriert CEOs und andere Führungskräfte über die mangelhaften Soft Skills ihrer Mitarbeiter sind. Hier zeichnet sich ein großer Bedarf an Kursangeboten ab. Die Vernachlässigung von Soft Skills könnte jedenfalls in nicht allzu ferner Zukunft zu einer Arbeitssituation führen, in der Hard Skills immer mehr von Computern übernommen werden, die Mitarbeiter aber keine angemessenen Fähigkeiten wie zum Beispiel Teamarbeit, Gruppenleitung, Einfühlungsvermögen und Beziehungsaufbau für den Umgang mit diesen Ergebnissen entwickelt haben.

Maßnahmen zur Reaktivierung der Soft Skills

Aber wie kann dieser Fehlentwicklung begegnet werden? Hier einige Vorschläge:

  • Jeder sollte sich zunächst natürlich eigenständig um die Ausprägung seiner Soft Skills kümmern, sei es im Rahmen der Schulausbildung oder durch die individuelle Teilnahme an Kursen oder Programmen.

  • Soft Skills müssen in Unternehmen bei der Einstellung unbedingt stärker berücksichtigt werden.

  • Mitarbeiter sollten mehr Möglichkeiten zum Erlernen von Soft Skills erhalten.

  • Neue Mitarbeiter müssen durch Mentoren und Coaching aktiv bei der Entwicklung von Soft Skills unterstützt werden.

  • Soft Skills sollten endlich ganz allgemein als wichtige Kompetenzen anerkannt werden, ohne die niemand in der Arbeitswelt erfolgreich sein kann.

Hard und Soft Skills ergänzen sich

In einer von PwC betriebenen Befragung nannten CEOs "Neugier" und "Aufgeschlossenheit" als besonders wichtige Eigenschaften. Topmitarbeiter müssen also in jeder Hinsicht top sein: Neben erstklassigen technischen Hard Skills werden heutzutage auch angemessene Soft Skills und emotionale Intelligenz erwartet. Das früher gängige Kriterium, "gut mit Menschen umgehen zu können", reicht längst nicht mehr aus.

Wie kann es also gelingen, bei der Fokussierung auf technische Aus- und Weiterbildung auch den Soft Skills die notwendige Aufmerksamkeit zukommen zu lassen? Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik gibt es schon seit Ewigkeiten, mit dem Begriff MINT wurde diesen Fähigkeiten aber eine besondere Wichtigkeit zugeschrieben. So etwas brauchen die Gesellschaft und Arbeitswelt unbedingt auch für die Soft Skills. (pg)