Ein Unternehmer und ein Professor

17.08.2005
Dreißig Jahre nach Gründung des Instituts für Wirtschaftsinformatik (IWi) an der Universität des Saarlands in Saarbrücken gibt Professor August-Wilhelm Scheer die Leitung des Instituts ab und beendet seine Tätigkeit als Hochschullehrer. Über die Gründe dafür, seine Erfahrungen als Hochschullehrer und Unternehmer sowie seine Zukunftspläne sprach er im Interview mit CW-Redakteur Uwe Küll.

Dreißig Jahre nach Gründung des Instituts für Wirtschaftsinformatik (IWi) an der Universität des Saarlands in Saarbrücken gibt Professor August-Wilhelm Scheer die Leitung des Instituts ab und beendet seine Tätigkeit als Hochschullehrer. Über die Gründe dafür, seine Erfahrungen als Hochschullehrer und Unternehmer sowie seine Zukunftspläne sprach er mit CW-Redakteur Uwe Küll.

CW: Herr Professor Scheer, wenn Sie zurückblicken auf 30 Jahre Doppelleben als Hochschullehrer und Unternehmer - welche Bedeutung hatte für Sie die Gründung des IWi vor 30 Jahren?

Prof. Scheer: Der Beruf des Professors war schon immer mein Wunschberuf. Durch die Mitarbeit an Forschungsprojekten als Student habe ich mich frühzeitig aktiv darauf vorbereitet. Und als ich dann 1975 den Ruf nach Saarbrücken erhalten hatte, war ich richtig stolz - schließlich hatte der Beruf damals in Deutschland noch eine hohe Reputation. Dass ich dann zehn Jahre später die IDS Scheer gegründet habe, war so nicht geplant. Ursprünglich wollte ich meine unternehmerischen Neigungen innerhalb der Universität ausüben. Dazu habe ich das IWi quasi als ein - drittmittelfinanziertes - Unternehmen organisiert.

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CW: Warum musste es dann später doch ein "eigenes" Unternehmen sein?

Prof. Scheer: Ich habe halt sehr bald gemerkt, dass man in der Forschung nur bis zur Entwicklung von Prototypen kommt. Und wenn man wirkliche Produkte machen und überprüfen will, ob sie am Markt funktionieren, braucht man eine entsprechende Infrastruktur. Deshalb habe ich IDS Scheer gegründet.

CW: Und wie haben Sie das Leben in diesen "parallelen Welten" empfunden?

Prof. Scheer: Für mich haben sich die beiden Tätigkeiten immer sehr gut ergänzt, weil es ja letztlich unterschiedliche Teilaufgaben in der Innovationswertschöpfungskette sind.

CW: Was verstehen Sie unter Innovation?

Prof. Scheer: Innovation ist die wirtschaftlich erfolgreiche Umsetzung einer neuen Idee. Dabei hat die Forschung die Aufgabe, Ideen zu entwickeln, die dann in technologienahen Unternehmen in Produkte umgesetzt und vermarktet werden. Durch meine Tätigkeit in beiden Bereichen habe ich die ganze Wertschöpfungskette abgedeckt. Das gab mir zum einen die Möglichkeit, die Erfahrungen aus jedem Bereich in den jeweils anderen mit einzubringen. Zum anderen hat es dazu geführt, dass ich die Teilbereiche meiner Tätigkeit differenzierter betrachtet habe. Und insbesondere das Bild von der Universität und der Forschungslandschaft in Deutschland hat sich dadurch verändert.

Hochschullehrer Scheer: Nicht nur die Studenten, auch die Bildungs-einrichtungen müssen lernen.

CW: Aus dieser Erfahrung heraus sind Sie mit dem Hochschulsystem in Deutschland teilweise hart ins Gericht gegangen. Kritiker werfen ihnen vor, dass Sie mit Ihren Äußerungen häufig das System angegriffen hätten, von dem Sie und Ihr Unternehmen IDS Scheer mehr profitiert hätten als andere. Schließlich haben Sie eine ganze Reihe von Mitarbeitern aus der Universität heraus akquiriert. War es nicht wirklich manchmal etwas unfair, auf diesen Apparat verbal einzuprügeln?

Prof. Scheer: Ich "prügele" ja nicht, um wehzutun. Wenn man diese Metapher überhaupt verwenden kann, dann geht es dabei ausschließlich darum, Wege zu positiven Entwicklungen auf zu zeigen. Und das ist letztlich im Interesse aller, insbesondere auch der Bildungseinrichtungen selbst. Außerdem möchte ich klarstellen, dass wir nie Studenten "zwangsverpflichtet" haben. Im Saarland gibt es nun mal relativ wenige Arbeitsplätze für Akademiker und insofern war es sicher zum Vorteil der Region, dass wir jungen kreativen Köpfen hier ein attraktives Angebot machen konnten. Im Übrigen standen und stehen die Absolventen ja auch allen anderen Unternehmen zur Verfügung. Und alles, was wir an Forschungsergebnissen liefern, wird veröffentlicht und kommt jedem zugute, der es zu nutzen weiß.

CW: Noch eine Frage zu Ihrem "Doppelleben": Welche Rolle spielt heute die IDS Scheer AG in Ihrem Leben?

Prof. Scheer: Ich bin Vorsitzender des Aufsichtsrats und habe einen Beratervertrag. Das war von Anfang an so, denn als Professor konnte ich ja nicht Geschäftsführer oder Vorstandsvorsitzender werden. Im ersten halben Jahr habe ich das probiert, aber dann wurde mir vom Kultusministerium nahe gelegt, dieses Amt niederzulegen, da sich das nicht mit meiner Professorentätigkeit vertragen würde.

CW: Und wie sieht Ihre unternehmerische Tätigkeit heute konkret aus?

Prof. Scheer: Ich bin maßgeblich an der strategischen Entwicklung von IDS Scheer beteiligt, halte Vorträge auf Kundenveranstaltungen und Tagungen und bin viel im Ausland bei unseren über 20 Tochtergesellschaften unterwegs. Die Entwicklung des Unternehmens bewegt mich stark! Schließlich bin ich Gründer, Namensgeber und Hauptaktionär. Wenn ich schlaflose Nächte habe, dann wegen IDS Scheer.

CW: Zum Beispiel dann, wenn es wieder mal einen Personalwechsel im Vorstand gibt?

Prof. Scheer: Auch dann. Änderungen an der Führungsspitze sind ja nichts Negatives. Gerade in schnell wachsenden, sich schnell verändernden Unternehmen muss sich auch die Führungsspitze ändern. Weil sich Gewichte verlagern und sich die Unternehmen organisatorisch weiterentwickeln.

CW: Was meinen Sie hier zum Beispiel?

Prof. Scheer: Wenn Sie etwa ins Ausland gehen und eine neue Filiale aufbauen mit drei Mitarbeitern, können Sie keinen Manager einstellen, der es gewohnt ist, mindestens hundert oder 200 Mitarbeiter zu führen. Der würde nicht passen - und wahrscheinlich würde er auch gar nicht kommen. Das ist überhaupt ein wesentliches Erfolgskriterium für Unternehmer: Zu erkennen, dass ihr Unternehmen in unterschiedlichen Wachstumsphasen unterschiedliche Anforderungen an das Management stellt und das Management daran anzupassen. Das bedeutet natürlich auch, dass der Gründer eines Unternehmens selbst in der Lage sein muss, sich auf diese unterschiedlichen Anforderungen einzustellen. Wenn er das nicht ist, wird sich die Firma nur bis zu einer gewissen Größe entwickeln. Das erleben wir heute bei vielen Gründungen im Hochschulumfeld, wenn die Gründer es nicht schaffen, sich auf die strategischen Dinge zu konzentrieren und das operative

Geschäft zu delegieren. Dann wird die oberste Führung schnell zum Flaschenhals, der viele Prozesse behindert und damit letztlich das Wachstum des ganzen Unternehmens beeinträchtigt. Das kann schon bei Organisationen mit 20 Mitarbeitern der Fall sein.

CW: Wie viele Mitarbeiter hat IDS Scheer derzeit?

Prof. Scheer: Über 2300.

CW: Was machen Sie heute außerhalb von IDS Scheer?

Prof. Scheer: Ich denke, es ist an der Zeit, dass ich dem Staat und der Gesellschaft, die es mir ermöglicht haben, diese Karrieren zu machen, etwas zurückzugeben. Ich möchte das tun, indem ich mich für den Technologiestandort Deutschland und für die innovativen Unternehmen in diesem Land einsetze. Darüber hinaus betreibe ich auch Kultursponsoring.

CW: Und wie sieht das in der Praxis aus?

Prof. Scheer: Beispielsweise so, dass ich im Senat der Fraunhofer-Gesellschaft meine Erfahrungen mit der Verbindung von Forschung und Umsetzung einbringe. Außerdem gebe ich mein Praxiswissen weiter auf Veranstaltungen zum Thema Venture Capital - das in Deutschland immer noch zu wenig genutzt wird. Und schließlich halte ich Vorträge über Unternehmertum und Entrepreneure im Rahmen der Aktion "Entrepreneure von morgen", mit der ich in Schulen und Hochschulen unterwegs bin. An der Musikhochschule des Saarlandes finanziere ich die Jazz-Ausbildung.

Auch nach seiner Universitäts-laufbahn engagiert sich Scheer für den Unternehmernachwuchs

CW: Darüber hinaus sind Sie in diversen Organisationen ehrenamtlich tätig - was versprechen Sie sich davon?

Prof. Scheer: Als Präsidiumsmitglied des Bitkom kann ich beispielsweise meine Meinung einbringen, was die Förderung der IT-Industrie betrifft. Dazu gehört auch die Mitarbeit in politischen Gremien. Wenn man selbst bewiesen hat, dass es möglich ist, nur mit einer Idee ein international tätiges, wirtschaftlich gesundes Unternehmen mit mehr als 2000 Arbeitsplätzen aufzubauen, findet man durchaus Gehör.

CW: Stichwort Bitkom: Vor der Wiederwahl von Willi Berchtold im Juni galten Sie als ein aussichtsreicher Kandidat für den Posten des Bitkom Präsidenten. Was halten Sie davon, dass der IT-Branchenverband nun von jemand geleitet wird, der selbst keinem IT-Unternehmen angehört?

Prof. Scheer: Zunächst einmal: Ich habe nicht kandidiert. Willi Berchtold hat den Bitkom in den vergangenen drei Jahren mit Unterstützung des gesamten Präsidiums geführt, insofern steht seine Qualifikation wohl außer Frage. Ich gehe davon aus, dass der Bitkom in politisch stürmischen Zeiten bewusst erst einmal auf Bewährtes setzt, um sich dann zu einem gegebenen Zeitpunkt, wenn alle klarer sehen, wohin der Weg in Deutschland geht, neu aufzustellen. Ich denke, dass auch hier spannende Entwicklungen auf uns zu kommen.

CW: Wo haben deutsche Unternehmen heute überhaupt noch die Möglichkeit, international aufzuholen?

Prof. Scheer: In den Bereichen Hardware, Betriebssysteme, Datenbanken, CAD waren wir mal stark, aber da haben wir den Anschluss verpasst. Stark sind wir heute im Bereich betriebswirtschaftlicher Software und wenn es darum geht, die "Old Economy" mit IT zu unterstützen, beispielsweise in Form von "Embedded Systems". Hier gibt es derzeit einige interessante Spin-Offs von Universitäten in Zusammenarbeit mit der Automobilindustrie. Dafür interessiert sich bereits die Venture-Capital-Szene, und vielleicht sind da bald wieder Börsengänge möglich.In der Telekommunikation sind wir ebenfalls weiterhin gut. Und da die Entwicklung immer weitergeht, gibt es natürlich auch immer neue Einstiegspunkte. Einer ist etwa das Thema RFID.

CW: Ist nicht gerade die Automobilbranche ein Beweis dafür, dass die Umsetzung der Innovationen in Produkte nicht funktioniert? Weil die Software hauptsächlich dadurch auffällt, dass sie komplizierte Fehler verursacht, deren Behebung langwieriger ist als ein Platten oder ein gebrochener Auspuff?

Prof. Scheer: Ich kenne diese Probleme natürlich auch. Aber das sind Kinderkrankheiten. Gerade beim Thema Sicherheit haben intelligente Systeme in den letzten Jahren neue Standards geschaffen - und das weitere Potenzial ist groß. Wir Deutschen mit unserem Hang zur Gründlichkeit und Sorgfalt haben hier beste Chancen, neue Technologien zur Marktreife zu führen.

CW: Also ist Rückbesinnung auf die deutschen Ingenieurstugenden gefragt?

Prof. Scheer: Sicher nicht nur. Das Beispiel Dell zeigt uns ja, dass man auch im Hardware-Markt großen Erfolg haben kann ohne echte Produktinnovation, nur über innovative Prozesse im Marketing und Vertrieb.

CW: Unternehmen wie Red Bull haben vorgemacht, dass man dabei sogar noch einen Schritt weitergehen kann und sich völlig auf das Marketing beschränken. Funktioniert das auch in der IT?

Prof. Scheer: Das kann ich mir nicht vorstellen. Ein Unternehmen, das nur noch Spezifikationen entwickelt und vermarktet, die Umsetzung aber in Indien machen lässt, wird irgendwann auch die Entwicklung in Indien machen. Damit lässt sich der Standort Deutschland sicher nicht retten.

CW: Apropos retten: Das klingt ja ziemlich dramatisch. Dabei gibt es bundes- und europaweit zahlreiche Förderprogramme für die IT und Sie selbst haben gerade von den hoffnungsvollen Spin-Offs vieler Unis gesprochen - wo liegt denn eigentlich das Problem, das die Situation so dramatisch macht?

Prof. Scheer: Beklagenswert ist vor allem der Umstand, dass so viele dieser jungen Unternehmen entweder wieder verschwinden, oder - wenn sie einigermaßen erfolgreich sind - von größeren aufgekauft werden. Ein Beispiel dafür ist etwa Ixos, aber es gibt eine ganze Reihe weiterer, die es nicht geschafft haben, sich mit guten Produkten aus Deutschland heraus auf dem Weltmarkt durchzusetzen. Das ist der schwierigste Teil einer Unternehmung: das Wachstum und die Internationalisierung sind allein schwer zu stemmen.

CW: Wie wichtig ist und war SAP in diesem Zusammenhang für Sie?

Prof. Scheer: Ausgangspunkt der Zusammenarbeit war die gemeinsame Entwicklung eines Fertigungsleitstandes auf UNIX-Basis, noch bevor R/3 auf den Markt kam. Und wenn man sich heute Netweaver ansieht, die strategische Plattform der SAP-Software, findet man darin Komponenten und Know-how aus unserem Modellierungstool "Aris". Dazwischen liegt eine lange Zeit, in der ich beispielsweise auf den Sapphire-Konferenzen mit Vorträgen eine große Öffentlichkeit erreicht habe. Aber auch ganz praktisch hat SAP uns geholfen, indem wir beispielsweise in deren Firmengebäuden im Ausland zeitweise Räumlichkeiten nutzen konnten beim Aufbau unseres Auslandsgeschäfts.

CW: Wie weit ging die Partnerschaft? Hatten Sie nie Sorge, vom "großen Bruder" vereinnahmt zu werden?

Prof. Scheer: Wie Sie wissen, war die SAP sogar kurzfristig an der IDS Scheer AG finanziell beteiligt - bis zu 25 Prozent. Heute ist sie es nicht mehr, aber natürlich haben wir immer eng zusammen gearbeitet und tun das bis heute. Unabhängig von finanziellem Engagement haben wir große fachliche Gemeinsamkeiten. Wir sehen die SAP als einen Glücksfall für die deutsche und europäische IT-Szene und freuen uns, dass sie unsere fachliche Kompetenz schätzt. Diese müssen wir uns immer wieder erarbeiten. Die Partnerschaft wäre sicher längst beendet, wenn SAP nicht von uns profitieren würde. Übrigens leistet IDS Scheer heute selbst auch praktische Hilfestellung dieser Art für andere Unternehmen: Für das Unternehmen IMC AG, das ich ebenfalls gegründet habe, und das erfolgreich im Markt für E-Learning unterwegs ist. Wenn die heute ein Angebot abgeben

für ein Projekt in Jordanien, können sie dabei einen Partner der IDS Scheer vor Ort mit einbeziehen und gewinnen so natürlich viel schneller das Vertrauen potenzieller Kunden. Einfach, weil sie einen starken Partner haben, dem man vertraut.

CW: Warum nutzen nicht mehr kleine Unternehmen diese Möglichkeiten?

Prof. Scheer: Da wir in Deutschland nur wenige große IT-Unternehmen haben, ist es für kleinere Unternehmen schwer, Partner zu finden, die ihnen über die Schwelle in andere Märkte hinein helfen. Das ist in Amerika natürlich anders.

CW: Aber haben daran nicht auch viele Gründer ihren Anteil, die in der Zeit des Internet-Hypes ihre Firmen nur gegründet haben, um sie mit einer hohen Cash-burn-Rate rasch wieder verkaufen zu können und Kasse zu machen?

Prof. Scheer: Das mag schon sein. Aber ich verstehe unter einem Unternehmer jemanden, der ein Interesse hat, sein Unternehmen langfristig im Markt zu etablieren. Hätten Robert Bosch, Werner von Siemens oder Gottlieb Daimler nur im Sinn gehabt, kurzfristig Kasse zu machen, würde heute kein Mensch mehr von ihnen reden. Der Ehrgeiz sollte sein, Ideen und Strategien zu entwickeln, die das Unternehmen im Markt festigen. Das bedeutet ja nicht, das man kein Venture Capital in Anspruch nehmen kann. Und dass der Venture-Capital-Geber bei einem IPO auf seine Kosten kommen will, ist auch legitim. Trotzdem sollte der Unternehmer selbst die strategische Ausrichtung in der Hand behalten.

CW: Dabei stellt sich ja nun irgendwann auch die Frage der Nachfolgeregelung. Haben Sie selbst schon konkrete Pläne in dieser Richtung?

Prof. Scheer: Es wäre ja sträflich, wenn ich darüber noch nicht nachgedacht hätte! Das ist ein hochkomplexes Thema, bei dem man die eigenen Vorstellungen und Ziele nicht nur mit konkreten Personen abstimmen muss - das wäre vielleicht noch relativ einfach. Aber es gibt auch steuerliche und erbrechtliche Komponenten zu beachten, und das macht die Sache ausgesprochen schwierig. Da muss man sich beraten lassen und eine Konzeption entwickeln - und das habe ich getan. Für den Notfall ist gesorgt.

CW: In welcher Form?

Prof. Scheer: Beispielsweise habe ich bereits eine Stiftung gegründet und bin dabei, eine weitere zu gründen. Konkretes dazu möchte ich nicht sagen, weil es da unterschiedliche Möglichkeiten gibt und ich mich noch nicht festgelegt habe. Prinzipiell aber ist es so, dass man als Unternehmer in Deutschland letztlich nur über Stiftungen Vermögen langfristig erhalten kann.

Scheer anno 1984 - heute sieht er seine Entwicklung als "Glücksfall"

CW: Kommen wir noch mal zum Vergleich mit der SAP - wie erklären Sie sich eigentlich, dass die Walldorfer noch viel erfolgreicher waren als Sie mit der IDS Scheer AG?

Prof. Scheer: Das ist doch ganz klar: Die SAP ist zehn Jahre älter. Warten Sie erst mal noch ein Jahrzehnt mit dieser Frage. - (lacht) - Tatsächlich haben die SAP-Gründer, wie auch Microsoft, einfach den perfekten Zeitpunkt erwischt, als durch die Entkopplung von Hardware und Software sowie die Standardisierung der Betriebssysteme die Marktchancen für Softwareunternehmen rapide stiegen. Wenn wir zehn Jahre früher angefangen hätten, wäre die IDS vermutlich auch noch schneller gewachsen.

CW: War es also ein Fehler, zunächst das IWi zu gründen und nicht gleich den radikaleren Schritt zu tun und ein Unternehmen aufzubauen?

Prof. Scheer: Glauben Sie mir, ich bin auch so mit der Entwicklung sehr zufrieden. Es hat sich ganz wunderbar das eine aus dem anderen entwickelt. Das war für mich ein großer Glücksfall.

CW: Aber wenn man so lange im Geschäft ist, macht man ja auch Fehler. Was würden Sie heute anders machen?

Prof. Scheer: "Fehler" gehören dazu. Und natürlich gab es Krisensituationen, die vielleicht daraus entstanden, dass wir zu viele neue Dinge auf einmal angepackt haben. Aber ich habe diese Dinge immer aus voller Überzeugung und auf der Basis gründlicher Überlegung getan. Ich bin kein Hazardeur, sondern eher vorsichtig - das gehört auch zum Unternehmertum. Warum sollte ich das im Nachhinein schelten und als Fehler geißeln? Es war ein Teil meiner eigenen Entwicklung. Es ist doch so: Als Unternehmer fällt man täglich Entscheidungen. Und wenn eine Entscheidung negative Folgen hat, dann reagiert man entsprechend.

CW: Anders gefragt: Wovor warnen Sie heute junge Unternehmer?

Prof. Scheer: Beispielsweise davor, die Eigentumsverhältnisse am Unternehmen nicht zu klären. Das ist ein schwerer Fehler. Ich habe ihn selbst nie begangen, aber ich habe andere Unternehmen gesehen, die daran gescheitert sind. Deshalb rate ich Gründern heute immer: Klärt die Eigentumsverhältnisse und Verantwortlichkeiten. Die Musketier-Mentalität - einer für alle und alle für einen - das hält meist nicht lange, weil sich die Lebenswege junger Leute zu oft auseinander entwickeln. Da braucht man klare Regelungen nach dem Prinzip: wer sich am meisten engagiert, der muss auch das Sagen haben.

CW: Zum Schluss noch eine Frage an Sie als Präsidiumsmitglied des Bitkom: Wo sehen Sie die Zukunft des deutschen IT-Mittelstands?

Prof. Scheer: Ich finde es ganz wichtig, dass sich die kleinen und mittelständischen Unternehmen nicht ausschließlich zum Erfüllungsgehilfen internationaler Großunternehmen machen. Sie dürfen sich nicht damit zufrieden geben, eine fertige Infrastruktur zu implementieren und eine Standardsoftware ein bisschen anzupassen. Sie sollten ihre mittelständische Struktur als eine Durchgangsstation begreifen auf dem Weg zur Weltmarktführerschaft. So wie der Mittelstand in der Automobilindustrie ja auch nicht nur Autos repariert oder umbaut, sondern als Zulieferer weltweit erfolgreich ist.