Die Inder kommen

11.08.2004
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Gerhard Holzwart begann 1990 als Redakteur der COMPUTERWOCHE und leitete dort ab 1996 das Ressort Unternehmen & Märkte.  Ab 2005 verantwortete er den Bereich Kongresse und Fachveranstaltungen der IDG Business Media GmbH und baute „IDG Events“ mit jährlich rund 80 Konferenzen zu einem der führenden Anbieter von ITK-Fachveranstaltungen in Deutschland aus. Seit 2010 ist Gerhard Holzwart geschäftsführender Gesellschafter der h&g Editors GmbH und ist in dieser Funktion als Event Producer, Direktmarketingspezialist und ITK-Fachredakteur tätig.        

Seit geraumer Zeit setzt die IT-Branche auf Softwareentwicklung an preisgünstigen Standorten wie Indien, China oder Osteuropa. Während Softwareanbieter und Dienstleister aber noch dabei sind, etwa in Indien eigene Kapazitäten aufzubauen, haben indische Offshore-Spezialisten ihrerseits längst zum Sprung auf den nordamerikanischen und europäischen Kontinent angesetzt.

Glaubt man aktuellen Prognosen, werden vom indischen Backoffice aus künftig auch höherwertige IT-Services koordiniert.

WIE NAHE Erfolg und Misserfolg oft beieinander liegen, wurde erst vor kurzem wieder deutlich. Während das Management der Internet-Suchmaschine Google um den geplanten Börsengang an die Nasdaq wegen unerlaubt ausgegebener Aktien und Optionsscheine zittern musste, war das Initial Public Offering (IPO) des indischen IT-Dienstleister Tata Consultancy Services an der Börse in Bombay mehr als zehnfach überzeichnet. Das Unternehmen wurde damit auf einen Schlag zu Indiens größter börsennotierter IT-Company; das Going Public spülte umgerechnet rund 1,17 Milliarden Dollar in Tatas Kasse. Neben Geld gab es reichlich Publicity, was nicht weiter wundert in einer Zeit, in der es der IT-Industrie allgemein an Erfolgsstorys mangelt.

Die jüngsten Schlagzeilen über Tatas Börsengang lenken aber auch den Blick auf eine Entwicklung, die sich im IT-Servicemarkt schon länger abzeichnet. Zwar bauen viele westliche Softwareanbieter und auch Anwenderunternehmen unverändert ihre eigenen Offshore-Kapazitäten in Indien aus. Doch die dortigen Offshore-Spezialisten wie eben Tata, Satyam Computer Services, Wipro Technologys oder Infosys Technologies rüsten ihrerseits längst zur zweiten Phase der Eroberung der IT-Märkte Europas und Nordamerikas. Im Zuge von Tatas Börsengang hieß es noch zurückhaltend, man wolle als "public company" den eigenen Markennamen stärken. In Wahrheit geht es aber darum, sich ein weitaus größeres Stück als bisher vom Kuchen des weltweiten IT-Servicegeschäfts abzuschneiden.

Die Strategie von Tata, Wipro&Co. ist dabei identisch: Fast alle indischen Software-Dienstleister haben in den vergangenen beiden Jahren den Sprung zur Milliarden-Dollar-Company geschafft, glänzen mit einem jährlichen Wachstum von durchschnittlich 30 Prozent und Gewinnmargen von deutlich mehr als 20 Prozent. Jetzt wollen sie ihre ausländischen Kunden quasi vor deren eigener Haustür abholen, investieren entsprechend in den Ausbau lokaler Dependancen in Europa und den USA. Ein Schritt, der von einem deutlichen Wandel im Serviceportfolio begleitet wird: Groß und außerhalb des eigenen Subkontinents vor allem bekannt geworden mit klassischer Offshore-Programmierung, Application Maintenance oder teilweise profanem Body-Leasing, bieten die Inder jetzt auch immer häufiger Dienstleistungen wie aufwändiges Infrastruktur-Management, Product Design Services sowie zum Teil strategisches IT-Consulting an.