Workday-Studie

Die Digitalisierungs-Euphorie ist vorbei

03.05.2022
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Nachdem viele Betriebe zu Beginn der Corona-Krise ihre Digitalstrategien forcierten, stellen sie nun fest, dass ihnen das dafür qualifizierte Personal fehlt. Und auch in Sachen Firmenkultur ist viel zu tun.
Corona hat der Digitalisierung in vielen Betrieben Vorschub geleistet. Nun stellt sich zum Teil Ernüchterung ein - und einige treten bereits wieder auf die Bremse.
Corona hat der Digitalisierung in vielen Betrieben Vorschub geleistet. Nun stellt sich zum Teil Ernüchterung ein - und einige treten bereits wieder auf die Bremse.
Foto: Nor Gal - shutterstock.com

"Die Pandemie beschleunigt die digitale Transformation von Unternehmen" - nach nunmehr zwei Jahren sind diese und ähnliche Aussagen beinahe zum Mantra geworden. Dass sie nicht unbedingt der Realität entsprechen, zeigt eine aktuelle Studie von Longitude im Auftrag von Workday. Bereits das dritte Jahr in Folge ließ der Softwareanbieter mehr als 1.000 Führungskräfte weltweit zu ihren Fortschritten, Hürden und Prioritäten in Sachen Digitalisierung befragen.

Wie aus dem Report "Closing the Acceleration Gap - Toward sustainable Digital Transformation" hervorgeht, folgt auf die große Aufbruchsstimmung, die 2020 in vielen Unternehmen Einzug hielt, eine Phase der digitalen Entschleunigung. Waren damals noch 36 Prozent der Befragten überzeugt davon, innerhalb der nächsten drei Jahre einen Großteil ihrer Umsätze über digitale Kanäle zu erwirtschaften, sind heute nur noch 13 Prozent derselben Meinung. Ein Wert, der in etwa dem Niveau vor der Pandemie entspricht. Ein genauerer Blick auf die Zahlen offenbart jedoch, dass die deutlich bescheideneren Prognosen weniger auf Ermüdungserscheinungen als auf veränderte Prioritäten zurückzuführen sind.

"Digital Acceleration Gap" wächst

Der Soll-Ist-Vergleich beim Thema digitale Transformation fällt noch immer in einem Großteil der Unternehmen negativ aus. Mehr als die Hälfte der Studienteilnehmenden berichtet, dass ihre aktuellen Digitalisierungsbemühungen den Anforderungen des Marktes hinterherhinken. Gleichzeitig vermelden 58 Prozent, dass sich die Geschwindigkeit des Wandels in ihrem Unternehmen reduziert hat oder dass dies in Zukunft der Fall sein wird. Die Kluft zwischen Digitalisierungsambitionen und Realität, die sogenannte "Digital Acceleration Gap", wird so zunehmend größer.

Was im ersten Moment paradox klingt, ist das Ergebnis eines neuen Bewusstseins für die Notwendigkeit klarer Strategien: "Nach dem anfänglichen Aktionismus, beginnen nun viele Unternehmen ihre Fahrpläne neu auszurichten und konzentrieren sich vermehrt auf nachhaltige Digitalisierungsansätze", sagt Clare Hickie, Chief Technology Officer, EMEA bei Workday. Dazu gehöre auch, dass viele Betriebe nun stärker auf die Digitalisierung interner Abläufe setzen, anstatt sich wie bisher auf externe Schnittstellen zu konzentrieren. Derzeit geben nur 18 Prozent zu Protokoll, einen Großteil ihrer internen Prozesse bereits digital abzuwickeln.

Kultur und Skills sind größte Hürden

Dass mehr und mehr Unternehmen den Blick nach innen richten, mag auch daran liegen, dass es vor allem kulturelle Faktoren und mangelnde Qualifikationen sind, die dem Fortschritt im Wege stehen. Für 35 respektive 38 Prozent der Befragten besteht hier das größte Optimierungspotenzial. Zu den Kompetenzen, die bei Mitarbeitenden derzeit besonders gefragt sind, zählen Datenanalyse- und -visualisierung (34 Prozent), die Fähigkeit, neue Umsatzquellen zu erschließen (29 Prozent) sowie Compliance-Kenntnisse (28 Prozent).

Interessanterweise wird aber nur selten direkt in Weiterbildung und die Unternehmenskultur investiert. Denn für mehr als die Hälfte haben Technologien im Zweifelsfall Vorrang. Laut Clare Hickie aus folgendem Grund: "Unsere Studie zeigt sehr deutlich, dass es einen Zusammenhang zwischen der Verfügbarkeit und Qualität von Daten und einem agilen, digitalen Mindset gibt. Geeignete technologische Infrastrukturen schaffen also häufig erst die Basis, um den entsprechenden Wandel in der Kultur und der Belegschaft eines Unternehmens anzustoßen."

C-Level kämpft mit Datensilos

Wie stark eine integrierte Systemlandschaft auf die Geschwindigkeit und Effektivität der digitalen Transformation einzahlt, verdeutlicht der Unternehmensvergleich: Insgesamt sind nur 46 Prozent der Befragten der Meinung, dass sie über die nötigen Mittel verfügen, um ihr Business auch in Krisenzeiten zuverlässig am Laufen zu halten. Unter Betrieben, die angaben, nicht durch Datensilos ausgebremst zu werden, vertrauen dagegen drei Viertel der Befragten auf ihre Wettbewerbsfähigkeit.

Umso bezeichnender ist, dass sich momentan nur zwölf Prozent in der Lage sehen, allen Mitarbeitenden einen schnellen und unkomplizierten Zugriff auf Daten zu ermöglichen. Hinzu kommt, dass deren Verfügbarkeit und Qualität offenbar bereits zwischen den einzelnen Unternehmensfunktionen stark variiert. Während CIOs und IT-Abteilungen mit rund 21 Prozent am ehesten vollen Zugriff haben, sinkt der Anteil im HR-Bereich auf zehn Prozent. Am schlechtesten stehen CFOs da. Laut Studie haben nur sieben Prozent der Finanzleiter die Möglichkeit, sich auf Basis von Daten ein klares und aktuelles Bild über die Lage des Unternehmens zu machen.

Das Fazit der Studienautoren: Um langfristig mit den Veränderungen am Markt Schritt halten zu können, sollten Betriebe beim Thema Datendemokratisierung ansetzen. Auf diese Weise könne nicht nur das Tempo des digitalen Wandels wieder erhöht werden, sondern es ließen sich auch nachhaltigere Effekte als bislang erzielen. Der vollständige Report mit weiteren Einblicken ist hier verfügbar.