Effizienz vor echtem Mehrwert

Deutsche Unternehmen reizen Innovationspotenzial nicht aus

15.04.2019
Von 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Innovation ist für viele Firmen das Mittel der Wahl, um schnelleres Wachstum, höhere Umsätze oder entscheidende Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Eine aktuelle Accenture-Studie zeigt jedoch, dass Unternehmen beim Innovations-Management häufig den falschen Schwerpunkt setzen.

Aus Angst vor Fehlern und Risiken konzentrieren sich deutsche Unternehmen zu sehr darauf, bestehende Produkte und Services effizienter zu gestalten, anstatt neue Geschäftsfelder zu erschließen. Damit reagieren sie zwar auf kurzfristige Kunden- und Markterwartungen, lassen aber keine Veränderung auf technologischer, organisatorischer oder sozialer Ebene zu. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie "Aus Innovation Werte schaffen", für die das Marktanalyseunternehmen teknowlogy | PAC im Auftrag von Accenture rund 260 Führungskräfte aus dem verarbeitenden Gewerbe, der Dienstleistungsbranche sowie Handel und Verkehr befragt hat.

Deutsche Unternehmen konzentrieren sich zu sehr darauf, bestehende Produkte und Services effizienter zu gestalten.
Deutsche Unternehmen konzentrieren sich zu sehr darauf, bestehende Produkte und Services effizienter zu gestalten.
Foto: Jenson - shutterstock.com

Verbesserungen ja, aber nicht Änderung des Geschäftsmodells

So ergab die Umfrage, dass 82 Prozent der Entscheider in Innovationen primär die Möglichkeit sehen, bewährte Produkte und Dienstleistungen zu optimieren und effizienter zu gestalten. Für knapp drei Viertel der befragten Unternehmen steht die Sicherung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit im Fokus und nicht die Entwicklung neuer visionärer Produkte oder Dienstleistungen. Angesichts dieser Angaben verwundert es nicht weiter, dass nur zwölf Prozent der Umfrageteilnehmer ihr Unternehmen als Innovationsführer einstufen, während sich 55 Prozent als Innovationsfolger und weitere 33 Prozent als Nachzügler einschätzen.

Für Accenture-Manager Eric Schaeffer kommen die Ergebnisse wenig überraschend. "Viele - aber nicht alle - Unternehmen haben den Grad erreicht, dass sie KI, Connectivity oder Big Data nutzen, um ihre Produkte smarter zu machen und zu vernetzen", erklärt der Senior Managing Director und Product Industry X.0 Lead bei Accenture, im CW-Gespräch. Technologien in ein Produkt zu integrieren, dieses als Service anzubieten und ein Ökosystem darum zu schaffen, seien aber nur die Anfangsschritte in der Entwicklung. Ein weiterer Evolutionsschritt sei die Einführung einer ergebnisorientierten Wirtschaft. Diese bringe einen Wechsel des Geschäftsmodells und der Vermarktungsstrategie mit sich, weil man kein Produkt oder nicht einmal mehr einen Service verkauft, sondern ein Ergebnis. Dabei könne es sich im Endkundenumfeld um eine Erfahrung oder beim Geschäft mit Unternehmen um mehr Effizienz handeln, wenn es ein Produkt kauft.

Vom Produkt zum Service zum Ergebnis

Zur Verdeutlichung verweist Schaeffer auf die Lösung Effifuel von Michelin Solutions: Die Tochter des französischen Reifenherstellers verspricht Transportunternehmen durch einen auf den Fuhrpark abgestimmten Aktionsplan eine bestimmte Kraftstoffeinsparung pro Nutzfahrzeug, angegeben in Litern auf 100 Kilometer, zu erzielen. Die Franzosen tragen dabei das Risiko: Sparen sie mehr Sprit ein, erhalten sie mehr vom Gewinn. Wird weniger Sprit gespart als versprochen, kommen sie für die Differenz auf. Der entscheidende Vorteil, so der Accenture-Berater: Der Anbieter werde tief in den Betrieb des Kunden integriert und baue so eine starke Bindung zu ihm auf. Dabei spiele es keine Rolle, ob die Kunden Reifen von Michelin oder von einem Wettbewerber aufzögen.

Noch sind viele Unternehmen nicht so weit, doch für für die Zukunft schaut es nicht schlecht aus. Wie Schaeffer berichtet, haben in einer weltweiten Umfrage unter 1.300 Firmen aus der Fertigungsindustrie fast 60 Prozent der Befragten angegeben, sie rechneten damit, dass in den nächsten drei bis fünf Jahren 30 Prozent ihrer Umsätze von digitalen oder KI-unterstützten Produkten und Services kommen werden. "Drei bis fünf Jahre, das ist für die Fertigung morgen und 30 Prozent der Umsätze ist eine ganze Menge", frohlockt der Accenture-Berater.

Es gibt allerdings noch ein anderes Ergebnis derselben Studie, das - was die Nutzung neuer Technologien anbelangt - gerade die deutschen Unternehmen nicht unbedingt ins beste Licht rückt: Danach gefragt, ob KI und digitale Komponenten ihr Produkt- und Serviceportfolio in der Zukunft komplett verändern werden, antworteten nämlich 96 Prozent der Umfrageteilnehmer aus den USA mit Ja, von den Befragten aus China taten dies 91 Prozent. Doch während bei den japanischen Vertretern immerhin noch 68 Prozent zustimmten, waren lediglich 51 Prozent der Deutschen dieser Meinung.

Man könnte sich jetzt fragen, warum deutsche Fertigungsunternehmen so zögerlich bei der Adaption neuer Technologien sind, so Schaeffer. Er werde das nicht kommentieren. Aber: "Unsere Erkenntnisse gehen dahin, dass der Wert eines Produkts von der Hardware zur Elektronik, zur Software und zu digitaler Technologie wandert und mehr und mehr Wertschöpfung durch digitale Technologien beigesteuert wird als durch die Hardware selbst." Dies habe Auswirkungen auf die Fertigung, weil man ein smartes vernetztes Produkt nicht auf die gleiche Art und Weise wie ein herkömmliches Produkt entwickle, erklärt der Accenture-Mann: Es werde nicht auf die gleiche Art hergestellt und auch nicht auf die gleiche Art gewartet, denn man könne remote darauf zugreifen und mehr und mehr Daten sammeln.

Das sei der eine Punkt, so Schaeffer. Der andere sei, dass ein smartes vernetztes Produkt den Fertigern eine neue Wertschöpfung ermögliche: Sie könnten es als Service auf Transaktionsbasis anbieten, was ein komplett anderes Geschäftsmodell im Vergleich zu früher darstelle. Ist das Produkt dann noch Teil eines Ökosystems, könnten die Kunden eine Sammlung von Services kaufen, die über das Ökosystem von verschiedenen Anbietern bereitgestellt werden.