HR-Studie

Benefits und Mitarbeiterwünsche nicht kompatibel

05.04.2022
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Unternehmen setzen auf Zusatzleistungen wie Altersvorsorge und Betriebskantine, die allerdings am Bedarf ihrer Mitarbeiter vorbeigehen.
Während Arbeitgeber stolz auf ihre Betriebsrente oder -kantine sind, wünschen sich Mitarbeiter eher Zusatzleistungen für Familien und Work-Life-Balance.
Während Arbeitgeber stolz auf ihre Betriebsrente oder -kantine sind, wünschen sich Mitarbeiter eher Zusatzleistungen für Familien und Work-Life-Balance.
Foto: altafulla - shutterstock.com

Die betriebliche Altersvorsorge ist derzeit die gängigste Zusatzleistung in deutschen Unternehmen. 50,6 Prozent der befragten Beschäftigten geben an, diese zu erhalten. Auf dem zweiten Platz folgen Impfangebote an die Mitarbeiter (38,5 Prozent), vor der betrieblichen Kantine (33,7 Prozent) Rabatte für Mitarbeitende (27,5 Prozent), Jobtickets (27,2 Prozent) sowie kostenloses Obst (26,7 Prozent). Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie, für die das HR-Startup voiio gemeinsam mit dem Arbeitgeberbewertungsportal kununu 1.500 Beschäftigte sowie 109 Arbeitgeber befragte.

Mitarbeiter haben andere Prioritäten

Dieses konventionelle Angebot stößt allerdings auf wenig Gegenliebe. Denn statt klassischer Benefits wünschen sich Mitarbeiter andere Unterstützung. In einem Ranking, inwieweit welche Benefits sich auf ihre Arbeitgeberzufriedenheit auswirken, setzen 46 Prozent von ihnen Zusatzleistungen für Familie und Work-Life-Balance auf Platz eins - mit Abstand das höchste Votum. Das Problem daran: Gerade solche Angebote sind in den wenigsten Unternehmen Standard. Denn gerade einmal 11,8 Prozent der Mitarbeiter profitieren von Zusatzleistungen zur familiären Freizeitgestaltung. Nur jeder Zehnte wird bei der Pflege von Angehörigen unterstützt und in den Genuß sogenannter Concierge-Serviceleistungen (Umzugshilfe oder Haushaltsdienstleistungen) kommen gerade einmal 3,4 Prozent.

Statistische Erhebungen besagen, dass deutsche Unternehmen derzeit im Schnitt ein jährliches Benefit-Budget von etwas mehr als 1.000 Euro pro Mitarbeiter veranschlagen. Im Rahmen der Studie wurden die Befragten daher gebeten, diesen finanziellen Spielraum selbst für ihr gewünschtes Mitarbeiterprogramm einzusetzen.

Das Ergebnis: Den Löwenanteil von 293 Euro (29,3 Prozent) würden sie für die Kategorie "Familie und Work-Life-Balance" ausgeben, knapp 15 Prozent für Gesundheitsprogramme sowie 13 Prozent für Angebote zur Mobilität. Für den Bereich "Finanzen und Recht", dem zum Beispiel betriebliche Altersvorsorge oder vermögenswirksame Leistungen zugeordnet werden, würden die Befragten dagegen nur neun Prozent des Budgets locker machen. Die parallele Unternehmensbefragung ergab indes eine tatsächliche Praxis, die dem Wunschbild der Belegschaften entgegensteht. Denn mehr als die Hälfte der Unternehmen investiert tatsächlich weniger als fünf Prozent des Budgets in familienfreundliche Zusatzleistungen. Am meisten geben Arbeitgeber stattdessen für Benefits in den Kategorien Gesundheit, Mobilität und Sport aus.

Eine exklusive Erhebung des Arbeitgeberbewertungsportals kununu zeigt, dass Mitarbeiter-Benefits in der Jobsuche von Bewerbern eine immer größere Rolle spielen. "Bei der Analyse unserer mehr als fünf Millionen Bewertungen sehen wir, dass die Thematisierung von Zusatzleistungen in den letzten drei Jahren um 62 Prozent anstieg. Das zeigt: Mitarbeitende befassen sich intensiv mit arbeitgeberseitigen Zusatzleistungen und ziehen sie in Betracht, wenn sie eine neue berufliche Herausforderung suchen", so Chesran Glidden von kununu.

Standardisierte Benefits helfen nicht weiter

Wenn es darum geht, was die Beschäftigten unter familienfreundlichen Zusatzleistungen verstehen, haben sie eine klare Vorstellung. Von den genannten 293 Euro, die sie in diese Benefit-Kategorie investieren würden, gingen 41 Prozent in die Unterstützung von familienfreundlicher Freizeitgestaltung wie Ausflüge oder spezielle Events - fast dreimal mehr als Unternehmen eigenen Angaben zufolge gegenwärtig dafür investieren.

Für die direkte Kinderbetreuung würden sie genau ein Viertel des Familien-Benefit-Budgets veranschlagen. Der Pflege von Angehörigen würden 14 Prozent zugeordnet und der Unterstützung in besonderen Lebenslagen etwa durch psychologische Betreuung 12 Prozent. "Obstkörbe oder vermögenswirksame Leistungen sind keine Attraktivitätsmerkmale, sondern leider nur ein arbeitgeberseitiges Alibi", stellt Björn Wind, CEO und voiio-Mitgründer fest.

Wer aber über die vielbeschworene New Work speche, müsse auch Zusatzleistungen neu denken und zwar so, dass diese den Nerv von umworbenen Arbeitskräften treffen. Denn nur wer sich von standardisierten Benefits verabschiedet, könne gefragte Kandidaten als Arbeitgeber überzeugen, so Wind weiter.

Für die repräsentative Benefit-Studie befragte das Marktforschungsunternehmen respondi im Auftrag von voiio 1.500 Arbeitnehmende in Deutschland. Der Befragungszeitraum lag im Januar 2022. 51 Prozent der Teilnehmenden waren männlich, 49 Prozent weiblich. Das Durchschnittsalter betrug zum Zeitraum der Befragung 43 Jahre. In einer gespiegelten Umfrage befragte voiio 109 Arbeitgeber, um so die Sicht der Unternehmen abzudecken.