Pandemie hat Defizite offengelegt

Auch künftige Chefs müssen gut geschult werden

29.03.2022
Von 
Hans Königes war bis Dezember 2023 Ressortleiter Jobs & Karriere und damit zuständig für alle Themen rund um Arbeitsmarkt, Jobs, Berufe, Gehälter, Personalmanagement, Recruiting sowie Social Media im Berufsleben.
Nach zwei Jahren Corona kehren andere Menschen ins Büro zurück, und darauf müssen Chefs reagieren können, ist die Buchautorin und Führungskräftetrainerin Andrea Grudda überzeugt.
Die Pandemie hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig es ist, dass Führungskräfte zumindest die Grundlagen des Führens beherrschen.
Die Pandemie hat einmal mehr gezeigt, wie wichtig es ist, dass Führungskräfte zumindest die Grundlagen des Führens beherrschen.
Foto: Africa Studio - shutterstock.com

So aufregend die Corona-Anfangszeit war mit den technischen, psychosozialen und organisatorischen Herausforderungen, um im Home-Office zu arbeiten, so ermüdend und nervtötend können heute stundenlange Online-Sitzungen sein, beobachtet die langjährige Dozentin und Coachin Andrea Grudda. In einer sehr gutbesuchten Online-Konferenz zog sie eine zum Teil ernüchternde Bilanz dieser zwei Pandemie-Jahre und sagte: "Corona hat die Menschen verändert."

So zitierte sie eine Studie, in der es heißt, dass 72 Prozent der Beschäftigten nicht mehr so leben und arbeiten wollen wie vor der Pandemie. Bester Beweis sei "The Great Resignation" in den USA, wo Millionen Arbeitskräfte ihre Firma gewechselt hätten; aber auch hierzulande, das bestätigen aktuelle Untersuchungen, habe die Fluktuation überdurchschnittlich zugenommen.

Nicht bei jedem Arbeitgeber lässt sich die Welt verbessern

Grudda stellt fest, dass sich Mitarbeiter in diesen zwei Jahren immer öfters radikale Fragen gestellt haben, wie: Arbeite ich in der richtigen Firma, mit den richtigen Kollegen, Chefs? Bin ich am richtigen Ort? Wie will ich künftig leben? Was ist mir wichtig? Natürlich sei vielen Beschäftigten klar, dass man "nicht in jeder Firma die Welt verbessern kann".

Genau deshalb wünschten sie sich mindestens flexible und am besten auch noch reduzierte Arbeitszeiten, um so mehr Zeit für Dinge zu haben, die ihnen wichtig sind, wenn es erst recht im Job nicht so gut klappt: Freunde, Familie, Hobbies.

Arbeitgeber versuchen gegenzusteuern, berichtet Grudda, sie hätten sehr wohl erkannt, dass vor allem in der jungen Generation Themen wie Purpose, also sinnhaftes Arbeiten, aber auch nachhaltiges, ökologisches Wirtschaften und soziales Engagement von Bewerbern stark nachgefragt wird. Die Gefahr bestehe allerdings, dass sich Unternehmen in Floskeln flüchteten und dass vor allem Führungskräfte nicht glaubwürdig auftreten.

Andrea Grudda, Dozentin und Coachin: "Führungskräfte müssen lernen zuzuhören und achtsam zu werden."
Andrea Grudda, Dozentin und Coachin: "Führungskräfte müssen lernen zuzuhören und achtsam zu werden."
Foto: Judith Wagner

Bewerber und Mitarbeiter sind kritischer als noch vor Corona, so Grudda, die Erwartungshaltung sei eine andere. Sie schauen sich genau an, mit wem sie arbeiten, wie Führungskräfte auftreten. Früher habe man seltener die eigenen Vorgesetzten in Frage gestellt, heute fragten sich die Mitarbeiter sehr wohl, warum hat jemand, nur weil er Anzug und Krawatte trägt, eine dreimal längere Redezeit als die Kollegen aus dem Team. Umgekehrt aber sei es auch richtig, dass es damit nicht getan sei, wenn die Führungskraft Krawatte weglegt, Turnschuh anzieht und Duzkultur einführt, weiterhin aber die alte Führungskraft spiele.

Aus ihrer Arbeit als Trainerin von Veränderungsprozessen weiß sie, dass es Mitarbeitern wichtig ist, dass sie mit ihrer Arbeit und ihrem Engagement gesehen und wahrgenommen werden wollen. Und gerade deshalb sei es in solchen Zeiten von Home-Office und hybridem Arbeiten wichtig, in denen die physische Präsenz zu kurz kommt, dass das Management empathisch und sensibel auftritt. "Chefs müssen lernen zuzuhören und achtsam zu werden", lautet Gruddas Forderung.

Chefs sollten zumindest eine Management-Grundausbildung haben

Der Fachkräftemangel existiert nicht nur unter den "normalen" Beschäftigten. Auch Führungskräfte werden händeringend gesucht, mit der Konsequenz, dass es immer wieder Menschen auf der Karriereleiter "hochspült", die auf Managementpositionen eher weniger gut geeignet sind, oder denen jedwede Grundausbildung in Sachen Führung fehle, wie Coachin Grudda berichtet.

Es wäre auf jeden Fall sehr hilfreich, erzählt sie weiter, wenn das Management zumindest eine Grundausbildung rund um Führungsthemen erhielte; und eine vernünftige Einarbeitungszeit finde auch oft genug nicht statt - "das würde man in einem anderen Job nicht tun". Da wollen Arbeitgeber die interessante, inspirierende, charismatische Führungskraft, und im beruflichen Alltag soll es dann doch der Erfüllungsgehilfe sein. Gruddas Anforderungsprofil für eine Führungskraft: Sie solle Menschen mögen, einen guten Humor und viel Geduld mitbringen.