Schwieriges Jubiläum

12 Jahre iPhone: Wir gratulieren!

09.01.2019
Von 
Peter Müller ist der Ansicht, dass ein Apple täglich den Arzt erspart. Sei es iMac, Macbook, iPhone oder iPad, was anderes kommt nicht auf den Tisch oder in die Tasche. Seit 1998 beobachtet er die Szene rund um den Hersteller von hochwertigen IT-Produkten in Cupertino genau. Weil er schon so lange dabei ist, kennt er die Apple-Geschichte genau genug, um auch die Gegenwart des Mac-Herstellers kritisch und fair einordnen zu können. Ausgeschlafene Zeitgenossen kennen und schätzen seine Beiträge im Macwelt-Morgenmagazin, die die Leser werktags pünktlich um acht Uhr morgens in den nächsten Tag mit Apfel und ohne Doktor begleiten. Privat schlägt sein Herz für die Familie, den FC Bayern, sechs Saiten, Blues-Skalen und Triolen im Shuffle-Rhythmus.
San Francisco, 9. Januar 2007, 9.41 Uhr Ortszeit: Was Steve Jobs da aus seiner Hosentasche zieht, verändert die Welt.

Die Keynote zur Eröffnung der Macworld Expo, im Jahr 2007 noch eine Art Hochamt für Apple, seine Fans und Kunden, hatte etwas verspätet begonnen. Wie wir heute wissen, werkelten Steve Jobs und Konsorten noch bis zur buchstäblich letzten Minute daran, dass bei einer der wichtigsten Präsentationen der Firmengeschichte nichts schief gehen würde. Drei Prototypen hielt man bereit, der eine, den Jobs dann mit auf die Bühne nahm, erledigte klaglos all das, was er sollte. So begann die Show nicht wie angekündigt um 9 Uhr Ortszeit, sondern erst 25 Minuten später.

Am 9. Januar 2007 stellte Steve Jobs das erste iPhone vor.
Am 9. Januar 2007 stellte Steve Jobs das erste iPhone vor.
Foto: Apple

Lange mit Präliminarien hielt sich Jobs nicht auf, bis er zum Kern der Präsentation kam. Apple werde heute drei Geräte vorstellen. Einen iPod mit Breitbild-Touchscreen, ein Telefon und ein revolutionäres Internetgerät. Einen iPod, ein Telefon, ein Internet-Gerät. Jobs wiederholte den Dreiklang nochmals, bis das Publik wusste, was als nächstes kommen würde und beinahe hätte mitsprechen können: "Es sind drei Geräte in einem und wir nennen es iPhone". Noch ein Spaßbild auf die Leinwand geworfen, nämlich einen klassischen iPod mit Wählscheibe, dann wurde es Ernst: Exakt um 9.41 Uhr Ortszeit zog Steve Jobs das Wundergerät aus seiner Hosentasche. Das ist der Grund, warum seither die Sperrbildschirme von iPhone und iPad in Apples PR-Bildern die Zeit 9.41 Uhr anzeigen: Die Geburtsminute einer Legende.

Industrie und Gesellschaft auf den Kopf gestellt

Wenn man sich noch einmal klar machen will, wie sehr das Wunderding die IT-Welt - und nicht nur diese - verändert hat, sollte sich an damals dominierende Mobilfunkmarken erinnern und sich fragen, wo sie heute sind. Motorola: weg. Nokia: weg. Blackberry: weg. Nun gut, nicht wirklich komplett weg, aber spielen die einstigen Platzhirsche nach teilweise mehreren Besitzerwechseln praktisch keine Rolle mehr. Nokia hat zwischendrin mal zu Microsoft gehört und dann den Fitnessspezialisten Withings aufgekauft und wieder her geben müssen, Blackberry versteht sich heute als Lösungsanbieter für Unternehmen. Und Motorola? Ach, Motorola …

Das "3-im-1-Gerät" versprach so einiges und hielt noch viel mehr: Endlich Fotos und Videos zur Musik auf einem Breitbild-iPod anschauen. Das Internet in der Hosentasche mit sich herumtragen. Und vor allem bequem mobil telefonieren. Man erinnert sich heute noch mit Schaudern daran, dass man zwanzig unwichtige Mailboxansagen hintereinander abhören musste, um an die eine relevante zu gelangen. Heute ist die vor zwölf Jahren revolutionäre Visual Voicemail ein Standard, hinter den wir nicht mehr zurückfallen wollen. Oder erinnern sie sich an Zeiten, in denen sie Sportnachrichten per SMS bei Ihrem Provider bestellen konnten? Nach dem Ende eines Bundesligaspieltags, eines Rennens oder einer anderen Veranstaltung mussten Sie eine gute halbe Stunde warten, bis endlich die Nachricht mit den aktuellen Ergebnissen kam und die SMS nicht voller Resultate der Vorwoche war.

Dabei war das erste iPhone noch gar nicht einmal so schlau und so schnell, wie wir es heute in der Retrospektive sehen. Denn Apple hatte sich aufgrund der wenig befriedigenden Energieeffizienz der verfügbaren Chips dazu entschieden, auf UMTS und GPS vorerst zu verzichten - erst das iPhone 3G hatte selbiges an Bord. Das Wort Apps war noch eine kaum gebrauchte Kurzform für "Applikation", also "Anwendung", von Programmen hatte man sich nicht sprechen trauen. Denn nativ auf das iPhone und sein System zugreifen durften nur Apple und Google mit Maps und Youtube. Alle anderen, die das iPhone für sich entdecken wollten, sollten doch bitteschön im Web ausgeführte Anwendungen in XML und JavaScript programmieren.

Dafür hatte es mehrere Gründe, aber vor allem den einen: Das iPhone war bei seiner Premiere einfach noch nicht ausgereift. Erst in letzter Minute waren überhaupt erst die Demo-Geräte für die Macworld Expo im Januar fertig geworden, das halbe Jahr bis zum Erstverkaufstag musste Apple noch emsig an Hardware und vor allem Software werkeln. Klar sollten auch Entwickler von Dritten auf das iPhone zugreifen können, Apple befürchtete aber wohl nicht ganz zu Unrecht, dass vieles einfach noch nicht richtig funktionieren würde und Apps sogar die Kernfunktionen des iPhone stören oder gar außer Kraft setzen könnten. Apple hatte schließlich seine Existenz auf das iPhone verwettet, hätte es gefloppt, sprächen wir heute womöglich von der einst großen Marke Apple, deren Stern vor zwölf Jahren rapide zu sinken begann. Wie wir aber heute wissen, hat Apple in Sachen iPhone alles richtig gemacht und auf das richtige Pferd gesetzt.

Heute geht das iPhone also in sein 13tes Lebensjahr und hat keineswegs die besten Zeiten hinter sich. Gewiss, das scheinbar ungebremste Wachstum ist Geschichte, Apple hat das schon vor zwei bis drei Jahren gewusst und die Preise für das iPhone erhöht, bei gleichzeitiger Verbesserung und Vergrößerung des Angebotes. So konnte Cupertino aus eher flach verlaufenden Wachstumskurven noch bedeutendes Umsatz- und Gewinnwachstum holen, das dürfte nun aber auch vorbei sein. Verkaufszahlen wird Apple ab der Bilanz für das erste Quartal 2018/19 nicht mehr nennen, nur noch Umsätze. Vieles deutet aber darauf hin, dass auch diese zurück gehen, aber auf einem hohen Niveau bleiben.

Die Prognose ist nicht zu gewagt, dass Apple auch in den nächsten Jahren um die 200 Millionen Geräte pro Jahr verkaufen wird, die Neukunden werden nur weniger. Und Bestandskunden greifen seltener zum Upgrade, denn mittlerweile ist die Technik so ausgereift, dass Apple nur noch evolutionär weiter entwickeln kann, aber nicht mehr spektakulär. Das muss aber keine Schaden sein, wachsende Umsätze generiert Apple fürderhin aus seinen Services. Insbesondere den lukrativen Gesundheitsmarkt hat Cupertino hier für sich ausgemacht. Das wäre ohne iPhone - dem Computer, der uns so nahe kommt wie keiner seiner Vorgänger, gar nicht denkbar gewesen. Die Revolution des Gesundheitswesens braucht noch eine Weile, doch auch sie nahm ihren Anfang am 9. Januar 2007 in San Francisco.

Wir blicken auf die Geschichte und die Vorgeschichte des iPhone zurück:

Oktober 2001: Der iPod

Am 23. Oktober werde Apple ein "elektronisches Gerät" vorstellen, das "kein Mac" sei, erging kurz nach der 9/11-Katastrophe die Einladung an die Presse. Spekulationen um eine Neuauflage des Personal Digital Assistent Newton lösten sich in Schall auf, denn der iPod war die Lösung für das digitale Zeitalter der Musik.

iPod, 2001
iPod, 2001
Foto: Apple

Auf dem eleganten Gerät ließen sich nicht nur im Handumdrehen bis zu 1000 Titel speichern, sondern sie auch einfach wieder auffinden und abspielen. Zunächst nur für die Nische der Apple-Nutzer gedacht, nahm der iPod erst so richtig Fahrt auf, als Apple ihm für die Windows-Welt noch eine USB-Schnittstelle spendierte und mit iPod Mini und später mit iPod Nano und iPod Shuffle auch noch bezahlbare Geräte herausbrachte. Der digitale Musikladen iTunes (Music) Store tat sein Übriges, um all die Konkurrenz alt aussehen zu lassen. Der iPod war das "Must have"-Gerät des frühen dritten Jahrtausends. Von einer Neuauflage des Newton sprach bald keiner mehr.

2002 bis 2006: Der Nabel der digitalen Welt

Wozu auch ein neuer Newton, wer denn unbedingt einen PDA herumschleppen musste und sich nicht mit dem Notebook zufrieden gab, der konnte ja eines von einem Dritten kaufen. Anschließen und abgleichen mit dem Mac ließen sich diese Palms und Tungstens ohne Weiteres, ebenso wie die immer populärer werdenden Digitalkameras, Audiogeräte wie der iPod und weitere Gadgets. Der Mac sollte als Zentrale für den Fuhrpark gelten, als "digital hub". Apple verstand sich auch als Softwarehersteller, im Sommer 2002 gönnte man bei einer Macworld Expo gar Sony Ericsson einen Teil der Show, um zu zeigen, dass der Mac auch mit Handys kann. Wer braucht da schon ein eigenes Apple-Telefon? Apple selbst, denn mit der von Motorola im Herbst 2005 bereit gestellten Lösung des "iTunes-Handys" Rokr konnte nun wirklich niemand zufrieden sein. Angeblich gab dieser Flop den letzten Ausschlag für Apple, die Entwicklung des Smartphones voran zu treiben. Schon seit etwa 2003 hatte Apple an einem Tablet-Computer gebaut, die dafür entwickelten Lösungen sollten sich als ideal für ein Telefon erweisen. Und für einen iPod mit Touchscreen. Und ein revolutionäres Internetgerät. All in auf das iPhone.

9. Januar 2007: Bescheidene Ziele

Das erste iPhone konnte noch gar nicht viel. Die Kamera war lächerlich schlecht und zeichnete keine Videos auf. GPS- und UMTS-Chips fehlten, Apple fürchtete womöglich zurecht, dass die damals verfügbaren Prozessoren den Akku zu schnell leer saugen würden - einen Tag lang sollte die Batterie schon halten. Eine weitere Einschränkung begründete Apple mit der Sicherheit des Systems: Dritthersteller mussten auf Web-Apps zurückgreifen, um ihre Lösungen auf das iPhone zu bekommen. Native Apps durften nur Apple und ausgewählte Partner wie Google bereit stellen. Man könne nur so das beste Nutzererlebnis garantieren, wenn keine Dritten dazwischen pfuschen.

Das originale iPhone von 2007
Das originale iPhone von 2007
Foto: Apple

Apple hatte dabei aber die Rechnung ohne die "Pfuscher" gemacht und musste schon bald feststellen, dass mithilfe von Knacksoftware, die den vielsagenden Kategorienamen "Jailbreak" erhielt, sich sehr wohl allerlei Programm auf das iPhone installieren ließen. Apple reagierte bereits im März 2008 mit der Ankündigung, man werde ein SDK (Software Development Kit) vorstellen, mit iPhone-OS 2 werde man über den iTunes Store künftig Programme auf die Smartphones der Nutzer verteilen können. Das am 9. Januar 2007 formulierte Ziel, man wolle etwa zehn Prozent des Mobilfunkmarktes erobern und gut zehn Millionen Geräte im Jahr verkaufen, verfehlte Apple noch. Der Grund dafür war unter anderem, dass das iPhone ab Juni 2007 nur in den USA erhältlich war, Deutschland, Frankreich und Großbritannien kamen erst im November hinzu. 10 Millionen iPhones im Jahr... Heute verkauft Apple selbst in schlechten Quartalen mehr als 10 Millionen Stück im Monat.