Gefährliche Gewinnmaximierung

Wie Broadcom der Umwelt schadet

23.04.2024
Von 


Manfred Bremmer beschäftigt sich mit (fast) allem, was in die Bereiche Mobile Computing und Communications hineinfällt. Bevorzugt nimmt er dabei mobile Lösungen, Betriebssysteme, Apps und Endgeräte unter die Lupe und überprüft sie auf ihre Business-Tauglichkeit. Bremmer interessiert sich für Gadgets aller Art und testet diese auch.
Aus Sicht der Free ICT Europe Foundation (FIE) schadet Broadcom mit seinem Vorgehen bei Übernahmen wie zuletzt VMware nicht nur den Kunden, sondern auch der Kreislaufwirtschaft und der Wirtschaft als Ganzes.
Laut FIE hat Broadcom nach der Übernahme von Brocade durch ein vorzeitiges Support-Ende zahlreiche voll funktionsfähige Speicher-Switches in Elektroschrott verwandelt. Drohen mit dem VMware-Kauf ähnliche Konsequenzen?
Laut FIE hat Broadcom nach der Übernahme von Brocade durch ein vorzeitiges Support-Ende zahlreiche voll funktionsfähige Speicher-Switches in Elektroschrott verwandelt. Drohen mit dem VMware-Kauf ähnliche Konsequenzen?
Foto: panumas nikhomkhai - shutterstock.com

Obwohl Marktbeobachter bereits bei der Bekanntgabe des Deals vor den Folgen einer VMware-Übernahme durch Broadcom warnten, scheint nun das Schlimmste eingetreten zu sein. Das Unternehmen nutzt die Dominanz von VMware, um den Anwendern ungünstige Konditionen aufzuzwingen und abzukassieren. So zumindest lassen sich die Reaktionen von europäischen Anwenderverbänden auf die geänderten Lizenzpraktiken und andere Maßnahmen erklären, die letztendlich auch die EU-Kommission auf den Plan gerufen haben.

Dabei hätten es die Kartellbehörden, die dem Deal erst nach längerer Überprüfung stattgaben, besser wissen müssen. Die VMware-Nutzer würden gemolken, indem Broadcom versuche, die Bedeutung von VMware im Rechenzentrum zu nutzen, warnte etwa Dan Kirsch, Managing Director and Co-Founder von Techstrong Research, bereits im Mai 2022.

Broadcoms Vorgehen habe Methode, betont Tomás O'Leary, President der Free ICT Europe Foundation (FIE) in einem Blogbeitrag. Aber die Änderungen an den Lizenz- und Preismodellen von VMWare spiegelten nicht nur die Geschichte von Broadcom wider, anwenderunfreundliche Praktiken einzuführen, wenn es dem Unternehmen nützt. Sie hätten auch ein hohes Potenzial, die Umwelt unnötig mit einem Haufen Elektroschrott zu belasten.

Vorgehen mit Methode

Das Gewinnmaximierungsmotiv von Broadcom werde schnell deutlich, wenn man betrachtet, warum das Unternehmen neue Unternehmen übernimmt, so O'Leary. Schon nach der Übernahme von CA Technologies im Jahr 2018 habe Broadcom-CEO Hock Tan erklärt, er plane "die bestehenden Enterprise-Softwarelösungen neu aufzulegen [...], anstatt neue Produkte zu bringen und neue Kunden zu gewinnen".

Ziel sei, das Lizenzierungsmodell in ein vollständig anpassbares Abonnementmodell umzuwandeln, bei dem die Kunden eine "unternehmensweite All-you-can-eat-Lizenz" nutzen können, so Tan damals weiter. Mit dem Abo-Modell könnten die Kunden "Geld sparen, indem sie unser breites Mainframe-Portfolio nutzen, um mehr Umstellungen auf CA-Tools vorzunehmen". Gleichzeitig würde auch Broadcom von einem Modell profitieren, da es die Preise für Mainframes auf der Grundlage des Verbrauchs festlegt.

Weitreichendes Support-Ende

Bereits zuvor habe Broadcom bei der Übernahme von Brocade im Jahr 2017 nicht nur 1.100 Mitarbeiter vor die Tür gesetzt, sondern auch die Support-Richtlinien für Netzwerk-Hardware verändert, berichtet O'Leary. Der Haken dabei: Davon sind nicht nur Broadcom/Brocade-Produkte betroffen, sondern auch umgelabelte Produkte, wie sie unter anderem auch von IBM, Lenovo, EMC, HPE oder sogar Huawei angeboten werden.

Das Resultat lasse sich unter anderem in einem Support-Dokument von HPE zu verschiedenen Speicher-Switches ablesen, so der FIE-Mann: Wenn ein Switch den von Brocade/Broadcom gesetzten End-of-Support-Life-Status (EOSL) erreicht, könne die Hardware demnach zwar weiter verwaltet werden und unterstütze auch Funktionen wie Zoning, MAPS, Aktivierung von Ports oder Konfiguration von Einstellungen. Der Nutzer ist aber nicht in der Lage, Support-bezogene Befehle wie firmwareDownload und supportSave auszuführen, sondern erhält eine Fehlermeldung. Als Konsequenz werde ein Austausch erforderlich, um nicht die Infrastruktur der Nutzer zu gefährden, erklärt O'Leary. Gut funktionierende Produkte würden zu Elektroschrott.

Zahlreiche Brocade/Broadcom FC-Switches werden auch von anderen Herstellern verkauft - und sind ebenso vom EOSL betroffen.
Zahlreiche Brocade/Broadcom FC-Switches werden auch von anderen Herstellern verkauft - und sind ebenso vom EOSL betroffen.
Foto: Free ICT Europe Foundation

Lizenzen nicht übertragbar

Außerdem beklagt die FIE, dass die Firmware-Verfügbarkeit mit einem Servicevertrag gekoppelt sei: Werde ein Switch an einen anderen Kunden oder einen Broker verkauft, könne niemand die Firmware aktualisieren/ Lizenzen erwerben, da der Switch an den ersten Besitzer gekoppelt bleibe und Brocade einem nicht registrierten Kunden keinen Lizenzschlüssel zur Verfügung stelle. Auf dem freien Markt erhältliche Systeme könnten somit nicht wiederverwendet werden, so die Stiftung, was bedeute, dass funktionierende, gebrauchte Produkte zu Elektroschrott werden.

Hier muss man allerdings anmerken, dass Brocade/Broadcom diesen Trick nicht allein einsetzt - es handelt sich um eine Kopie von Ciscos Dashboard Policy ("Smart Licensing System").

VMware-Kauf hat auch Hardware-Konsequenzen

Die FIE befürchtet, dass auch die Übernahme von VMware durch Broadcom nicht ohne Konsequenzen für die Zukunft der eingesetzten Hardware bleibt. So kündigte VMware by Broadcom im Januar 2024 an, dass das Unternehmen keine unbefristeten Lizenzen mehr anbieten und das Produkt auf ein reines Abonnementmodell umstellen würde. Im selben Posting wurden Pläne vorgestellt, Produkte wie vSphere und vSAN in einem von zwei Ersatzpaketen (VCF, VVF) zu bündeln und damit die Möglichkeit zu beseitigen, Lizenzen à la carte zu kaufen. Da in vielen Fällen "unbefristet lizenziert" gleichbedeutend mit "On-Premises" ist, geht die FIE davon aus, dass viele Nutzer als Konsequenz auf die steigenden Kosten in die Cloud wechseln und die Hardware zurücklassen. Diese würden dann häufig - obwohl noch voll einsatzfähig - im Schrott landen.

Insgesamt vertritt der Verband die Ansicht, dass es sich bei Broadcoms aggressiven Gewinnoptimierungspraktiken um eine Anhäufung von Maßnahmen handelt, die der Kreislaufwirtschaft, den verschiedenen Kunden und der Wirtschaft insgesamt schaden. Als Konsequenz hat die gemeinnützige Stiftung für gebrauchte ICT-Devices die EU-Kommission über Broadcoms nicht-nachhaltige Praktiken bei Netzwerkgeräten informiert und drängt auf eine Anpassung der Ökodesign-Verordnung für nachhaltige Produkte (ESPR) für Netzwerk-Equipment.

"Die Untersuchung der Möglichkeiten zur Überprüfung des Lizenzsystems für die Wiederverwendung von Produkten und die Aufarbeitung von Netzwerkausrüstung" sei als ein entsprechender Punkt in die Überarbeitung der Rechtsvorschriften für Server und Speicher (PDF; siehe Seite 21) aufgenommen worden, so der FIE.