Mitarbeiter von repetitiven Arbeitsabläufen und Eingabeprozessen zu entlasten, ist durch Automatisierung schon lange möglich. Mit Ausnahme der großen Unternehmen, die die klassischen Use-Cases bereits umgesetzt und mit Robotic Process Automation (RPA) teilweise sogar schon die Grenze der Möglichkeiten erreicht haben, stehen aber viele Anwenderunternehmen noch immer am Anfang, was den Grad ihrer Automation angeht - vor allem der Mittelstand. Dabei steckt hier allein schon deshalb großes Potenzial, weil die Verlagerung der Fertigung zurück nach Europa ein immer wichtigeres Thema wird, das es trotz Fachkräftemangel und höheren Lohnkosten zu bewältigen gilt.
Informationen zu den Partner-Paketen der Studie 'Intelligent Automation 2023'
Welche Automation darf es denn sein?
Was sich der spürbaren Aufbruchstimmung in Richtung Automatisierung dem Mittelstand in den Weg stellt, sind zum einen die Frage nach der finanziellen Machbarkeit, zum anderen der fehlende Überblick. Automatisierung hat viele Facetten - unterschiedliche Begrifflichkeiten und Disziplinen wie Robotic Process Automation, Hyper Automation oder Intelligent Automation verwirren viele Anwender. Den Unternehmen genau dafür das Verständnis zu vermitteln, darin liegt im Grunde genommen die größte Herausforderung. Denn: Automation á la RPA beschränkt sich nicht nur auf die IT, sondern betrifft auch das Business. Und deshalb bedarf es viel Beratung und Unterstützung, um den Unternehmen zu vermitteln, was genau damit gemeint ist und wie die Technik ihnen helfen kann.
Von einer kompletten Automatisierung, die alle Bereiche des Unternehmens erfasst hat, ist man - zumindest in Deutschland - aktuell noch weit entfernt. Ein Grund hierfür ist, dass vielen Betrieben die Skalierung schwerfällt. Man hat erkannt, dass hinter dem Thema Automation viel mehr steckt, als nur eine Technologie einzuführen. So steht nicht nur die Wirtschaftlichkeit der Cases auf dem Prüfstand. Es geht auch darum, wie man es schafft, dass Mitarbeiter der Technik vertrauen. Tun sie das nämlich nicht, bleiben Workarounds nicht aus.
Es gibt viele Aspekte zu beachten, damit eine Automatisierung von Prozessen erfolgreich wird. Unterstützen können hier weitere Technologien wie Process Mining oder Process Discovery. Weil oft die Dokumentation von Prozessen fehlt, lässt sich mit dieser Methode feststellen, welche Prozesse im Unternehmen noch manuell abgewickelt werden und nach welchen Schemata sie laufen. Wenn es darum geht, Ausnahmefälle in den Prozessen zu identifizieren und dafür zu sorgen, dass Prozessketten nicht abreißen, braucht es zusätzliche Werkzeuge - beispielweise passende KI-Tools.
- Markoss Martina, ABBYY
„Oftmals wurde durch Automatisierung ein zu erwirtschaftender Wert versprochen. Weil die Umsetzung nicht konsequent erfolgte, wurde das Ergebnis aber nicht erreicht. Darunter hat die Automatisierung ein wenig gelitten. Man muss durch Process Discovery die richtigen Use-Cases finden, durch Fachkräfte und die Einbindung unterschiedlicher Fachbereiche die Lösung aufbauen und implementieren und dann durch eine starke Ausnutzung der Vorteile sicherstellen, dass die vereinbarten Ziele auch realisiert werden. Das wäre ein kritischer Erfolgsfaktor für eine intelligente Automatisierung.“ - Gerd Plewka, Blue Prism
„Es geht nicht nur darum, mit Automatisierung bestehende Prozesse zu optimieren. Firmen müssen mittelfristig einen Baukasten von Werkzeugen haben, mit dem sie neue Prozesse umsetzen können. Sei es mit intelligenter Automatisierung (gerne als „as-a-Service“) oder auch, dass Teile der Prozesse outgesourced werden. In dem Moment, wo neue Prozesse angedacht werden oder Prozesse neu gestaltet werden, sollte Automatisierung ein Baustein sein, der selbstverständlich bei der Neugestaltung hilft. Diese Sichtweise muss weiter nach oben getragen werden.“ - Dr. Marie-Luise Menzel, Lufthansa Industry Solutions
„Im Change-Management wird Automatisierung gerne so dargestellt, als müsse man nur einmal auf den Berg klettern und dann hat man es geschafft. Das ist leider nicht so: Automatisierung ist ein Marathonlauf, ein kontinuierliches Thema, welches jedes Unternehmen bis in die ferne Zukunft begleiten wird. Häufig werden in Unternehmen momentan auch sehr komplexe Prozesse mit einem großen Anteil von mündlich vereinbarten Regeln gelebt. Für eine Automatisierung muss man dann aber stark in eine etablierte Struktur eingreifen: standardisieren und formalisieren. Wenn einzelne kleine Automatisierungs-Piloten schon loslaufen, um informale Prozesse für sich zu schärfen und sich auf Standards einigen, dann ist das ein ziemlich guter Input, um auf der großen Unternehmensebene eine Automatisierungsstrategie erfolgreicher zu machen.“ - Dr. Gregor Scheithauer, metafinanz
„Wir beobachten, dass Standardprozesse zum großen Teil bereits automatisiert sind. Für den nächsten Automatisierungssprung müssen wir zwei Herausforderungen angehen: Prozessautomatisierungen müssen resilienter werden. Die Maschinen sollen auch auf ungenaue, unerwartete oder unvollständige Eingaben reagieren, um Unterbrechungen zu vermeiden. Zweitens: Unternehmen sollten ihre Prozesse grundsätzlich neu und anders denken. Ganz im Sinne einer schöpferischen Zerstörung. Intelligente Automatisierung heißt, Prozesse aus der Perspektive der Kund:innen zu denken und auf völlig neue Möglichkeiten zu setzen.“ - Frank Steinhoff, Microsoft
„Technologie ist Mittel zum Zweck, um Unternehmen standhafter zu machen und die Menschen besser arbeiten zu lassen. Neben Produktivität und Effizienz hat das auch mit der Fähigkeit der Menschen zu tun, also Ausbildung und Training. Oft wird vergessen, Menschen bei Veränderungen zu begleiten. Aus meiner Sicht ist es enorm wichtig, sich mit Menschen, Kulturen und Organisationen intensiv zu beschäftigen, bevor man neue technologische Ansätze nutzt.“ - Chris Karagiannis, NICE
„Sobald ein neues System kommt, ist die Automatisierung mit RPA obsolet und muss, im besten Fall, grundlegend angepasst werden. Von daher ist RPA als Werkzeug eigentlich das letzte Mittel, das man einsetzen sollte. Vor allem wenn man die Möglichkeit hat, ein bestehendes System für die eigenen Zwecke zu optimieren, und damit die Automation in erster Linie als Assistenz für den Mitarbeiter, über alle Prozesse einsetzen zu können. Das ist für mich der Königsweg. Von daher sollte die Zuständigkeit für die Automation auch beim CDO liegen. Er hat den Überblick darüber, was in den nächsten Jahren passieren wird, und weiß, für welche Lücken tatsächlich, eine Automation vor allem aber welche Art der Automation sinnvoll wäre.“ - Cosima von Kries, Nintex
„Viele machen Automatisierung, damit automatisiert ist. Das ist aber nicht die Lösung, denn Mitarbeitende machen ein und denselben Prozess ja nicht gleich. Für mich liegt die Intelligenz einer Intelligent Automation bereits in der Ermittlung von automatisierbaren Prozessen. Eine KI kann sehr gut erkennen, nach welchem Schema Prozesse ablaufen, bis zu welchem Grad sie sich automatisieren lassen und welche Zeitersparnis eine Automatisierung bringen würde. Da aber auch DSGVO, Security, Compliance und Dokumentation eine Rolle spielen, reden wir bei Intelligent Automation nie von heut auf morgen.“ - Christian Heinrichs, UiPath
„Gerade in Deutschland müssen wir aufpassen, dass wir Digitalisierung und Automatisierung nicht mit Dokumentation und Compliance-Diskussionen ersticken. Beides sind wichtige Komponenten, aber viele Unternehmen und der öffentliche Sektor tendieren dazu, zu lange zu diskutieren, statt konkrete Abläufe zu optimieren und zu automatisieren. Digitalisierungsziele bringen den größten Nutzen, wenn sie von der Führungsebene gesetzt und auch gemessen werden. Sonst automatisieren IT-affine Mitarbeiter in Fachbereichen Arbeitsschritte ohne Berücksichtigung von Compliance und Sicherheit und ohne Skalierungseffekte. Es gilt eine gesunde Balance zwischen den Zielen, Anforderungen und der Umsetzung von Digitalisierungen zu finden, die sich mit Hilfe einer unternehmensweiten Business Automation Plattform erreichen lässt.“
Automatisierung muss konsumierbarer werden
Zusätzliche Technologien erhöhen jedoch Komplexität, Beratung und Kosten. Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Situation steigen mit den Argumenten pro Intelligent Automation auch die Anforderungen. Eine davon lautet: Automatisierung muss konsumierbarer werden. Das heißt, ähnlich wie beim iPhone müssen die Komplexität der Technologie unter der Oberfläche verschwinden und Fachbereich-gerechte Schnittstellen entstehen, um Automatisierung ganz normal ins Tagesgeschäft miteinbeziehen zu können. Momentan glauben die Fachbereiche nämlich immer noch, sie bräuchten einen Mathematiker, um KI auf ihre Prozesse zu trainieren. Der Umgang mit Automatisierung muss also deutlich zugänglicher gemacht werden - und zwar so einfach wie nur möglich.
Ob es allerdings sinnvoll ist, dass sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter per Low Code oder No Code durch einfaches 'Zusammenklicken' ihre eigene Automatisierung bauen, muss jedes Unternehmen für sich selbst beantworten. Die Gefahr dabei ist, dass die so erstellten Prozess-Automationen irgendwan nicht mehr zu warten sind, zum Beispiel wenn die Urheber nicht mehr im Unternehmen sind. Damit also die Maintenance nicht nur in den Fachabteilungen, sondern auch in der IT im Griff bleibt, muss es eine Form von Governance über die Automatisierung geben. Nur so kann verhindert werden, dass Schatten-IT sich verselbständigt.
Studie "Intelligent Automation 2023": Sie können sich noch beteiligen! |
Zum Thema Intelligent Automation führt die COMPUTERWOCHE derzeit eine Multi-Client-Studie unter IT-Entscheidern durch. Haben Sie Fragen zu dieser Studie oder wollen Sie Partner werden, helfen Ihnen Regina Hermann (rhermann@idg.de, Telefon: 089 36086 161) und Manuela Rädler (mraedler@idg.de, Telefon: 089 36086 271) gerne weiter. Informationen zur Studie finden Sie auch hier zum Download (PDF). |
Weg vom Silo, hin zur Struktur
Die simplen Automatisierungen, deren Mehrwert der Fachbereich sofort sehen kann, sind bereits in den meisten Fällen bereits umgesetzt und deren Potenzial ausgeschöpft. Was es jetzt braucht sind Strukturen und ein entsprechendes COE, das über Governance und Werkzeuge verfügt, um zu identifizieren und zu ratifizieren, an welchen Stellen eine weitere Automation sinnvoll ist und in welcher Form.
Und es gilt, das Business in die Lage zu versetzen, Automatisierung eher zu konsumieren als zu bauen. Warum? Zum einen steigt die Komplexität hinter den Schnittstellen. Genau deshalb braucht es jemanden mit dem nötigen Vorwissen beziehungsweise der notwendigen Ausbildung, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Zum anderen wird dadurch auch die Effizienz verbessert. Schließlich sollen Mitarbeiter ihre Zeit nicht damit verschwenden, effizientere Prozesse zu bauen, sondern sich auf ihre eigentliche Aufgaben konzentrieren.
Und nicht zuletzt werden so auch Silos vermieden. Denn eine selbstgebaute Automatisierung aus Sicht eines Mitarbeiters bleibt am Ende eine begrenzte lokale Lösung, die im schlimmsten Fall keiner mehr kontrollieren kann. Eine IT-Landschaft ist jedoch geprägt von vielen Verantwortlichkeiten, die ineinander greifen müssen. Wenn man es schafft, eine Art Marketplace aufzubauen, der von den Fachbereichen genutzt werden kann, dann kann das Business Automatisierung quasi selbst aus- und einschalten. Ohne Schatten-IT und ohne Silos, mit der notwendigen Governance.
Automatisierung ist Teil der Digitalen Transformation
Im Zuge der digitalen Transformation arbeiten viele Unternehmen an verschiedensten Projekten. Customer Experience, Self Services, neue Workflows - all dies soll in einem Gesamtkonzept integriert werden. Doch zu diesem Gesamtkonzept gehört auch die Automatisierung. Man kann sie nicht einfach als weitere Fähigkeit des IT-Bereichs ansehen, der hin und wieder ein paar zeitraubende Workflows automatisiert. Studien belegen, dass viele Transformationsprojekte scheitern, bei denen Automatisierung nicht Teil der Unternehmensstrategie ist. Das C-Level muss Automatisierung also als integralen Teil des Business begreifen.
Naheliegend ist es, die Verantwortung dafür dem CDO in die Hände zu legen. Eine Rolle, die im breiten Mittelstand mit 100 bis 250 Mitarbeitern jedoch selten zu finden ist. Muss sie auch nicht: Da Qualitätsmanagement im Mittelstand eine große Rolle spielt, könnte man den Qualitätsleiter befähigen, über einen digitalen Werkzeugkasten nachzudenken, den man im Unternehmen für die Optimierung von bestehenden Abläufen sowie bei der Einführung neuer Prozesse einsetzen kann. Dazu wäre es aber wichtig, die neuen Mittel viel populärer der Fläche bekannt zu machen und bereitzustellen. Ansätze wie Automation as a Managed Service gibt es bereits - und damit eine für den Mittelstand finanzierbare Möglichkeit, den Kinderschuhen der Automation zu entwachsen.
Informationen zu den Partner-Paketen der Studie 'Intelligent Automation 2023'